Die Lage bei den Heeresteilen beiderseits der Weichsel
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die Kämpfe abgeflaut waren, die Befehle für eine Neugruppierung aus¬
gegeben werden konnten, deren Durchführung mehr als eine Woche in
Anspruch nahm. Der Verband der Armeegruppe Tersztyánszky wurde
in der Nacht auf den 1. Mai aufgelassen.
Da vor den Linien dieser Gruppe, insbesondere vor der 13.SchD.,
zahlreiche Russenleichen lagen und der Verwesungsgeruch den Aufent¬
halt in den Schützengräben fast unerträglich machte, sollte mit dem
Feinde eine kurze Waffenruhe zur Bestattung der Toten vereinbart
werden. Obgleich es sich nur um ein kleines Frontstück handelte, befahl
das AOK. dennoch, die Verhandlungen einzustellen, um dem Feinde
auch nicht die geringste Gelegenheit zu Truppenverschiebungen an die
westgalizische Front zu bieten.
Im Gegensatz zur 2. Armee hielt die Kampfpause seit der Oster-
schlacht bei der Armee Boroevic an. Die Russen fürchteten hier den Los¬
bruch einer Offensive und arbeiteten fieberhaft an der Verstärkung
ihrer Stellungen.
Gegenüber der k. u. k. 4. Armee hatten die Russen seit Anfang April
lebhafte Aufklärungstätigkeit entwickelt, die um die Monatsmitte noch
gesteigert und zeitweilig auch durch kleinere Unternehmen (am 7. und 8.
bei der 3. ID., am 14. bei Ciçzkowice) begleitet war. Vom 19. an ließ
sich der Feind auch die Erkundung durch Flieger stärker angelegen sein,
um freilich nach ein paar Tagen wieder zu erlahmen. Dies wurde von
den Verbündeten besonders begrüßt, denn in den gleichen Stunden
setzte die Ausladung der ersten deutschen Truppen vor Gorlice ein.
Bei der Armee Dankl und beim XII. Korps hatte die seit Wochen
währende Ruhe weiter angehalten. Das unablässige Zufließen von Er¬
sätzen bei verhältnismäßig geringen Verlusten ließ die Truppenstärken
dieser Heereskörper beträchtlich anschwellen, so daß die Infanterie¬
regimenter fünf und sechs starke Bataillone zählten. Dies sollte der
Heeresleitung ermöglichen, für den bevorstehenden Schlag in West-
galizien noch Verbände in der Stärke von zwei Divisionen auf das süd¬
liche Weichselüfer zu werfen.
Das Ergebnis des Karpathenwinters
Mit dem „Karpathenwinter" hatte eine der denkwürdigsten Phasen
des großen Ringens 1914—1918 ihren Abschluß gefunden. Wenn die
Theorie das Karpathengebirge meist nur als „Durchzugsland" gelten
ließ, so war sie wie in manchem anderen durch die Macht der Tatsachen