Die unterbliebene Räumung der Festung
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schließlich auch der 40 km langen, mit einer Weichselüberbrückung ver¬
bundenen Linie Ostrowiec—Nadbrzezie begannen, ohne diese aber wäh¬
rend der neunmonatigen Besetzung des Landes vollenden zu können.
Auch nötigte die Unterbrechung des Bahnnetzes bei Przemysl dazu, viele
Truppenverschiebungen mit Fußmärschen zu bewerkstelligen, endlich
war hiedurch sicherlich die Versorgung ihrer südlich der Weichsel fech¬
tenden Heeresteile wesentlich erschwert.
Diesen Vorteilen muß aber entgegengehalten werden, daß die im
November 1914 unterlassene Räumung von Przemysl verhängnisvoll auf
die öst.-ung. Kriegführung eingewirkt hat, indem fortan alle Offensiv¬
handlungen auf den Entsatz der Festung eingestellt wurden. Dabei dachte
die öst.-ung. Heeresleitung sogar Mitte März, als über die Aussichts¬
losigkeit des furchtbaren Ringens kein Zweifel mehr bestand, noch nicht
daran, die Übergabe des Platzes anzuordnen und damit die nutzlosen
Leiden der Besatzung abzukürzen. Im Gegenteil. Das AOK. verlangte
schließlich einen Durchbruch, an dessen Gelingen sich niemand zu glau¬
ben getraute. Läßt sich dieses Handeln mit nüchternen Zweckmäßig-
keitsforderungen auch kaum in Einklang bringen, so ist der soldatische
Standpunkt dennoch verständlich1).
Die Festung war allmählich zu einem Palladium der k. u. k. Wehr¬
macht geworden; eine Preisgabe ohne äußersten Zwang hieß den kriege¬
rischen Sinn in Heer und Volk untergraben und eine Herabstimmung
herbeiführen, wie eine solche dem Kaiser Napoleon nach Jena und Auer-
städt eine Reihe preußischer Festungen mühelos in die Hände gespielt
hatte. Jetzt war Przemysl einmal vom Feinde eingeschlossen und von einer
opferfreudigen Besatzung tapfer behauptet. Der Entsatz wurde zur Pflicht.
Dabei drängte die Zeit nicht nur wegen der aus Verpflegsgründen be¬
fristeten Lebensdauer der Festung, sondern auch wegen der allgemeinen
politischen Lage, die durch die Haltung Italiens und der noch neutralen
Balkanstaaten wesentlich beeinflußt werden konnte. Die Armee Boroevic
war Ende Dezember nach ihrem Vorstoße bis an die galizische Becken¬
reihe vor den losstürmenden Russen Brussilows in die Karpathen ausge¬
wichen. Ihre Verstärkung war schon deshalb geboten, um der Ausbrei¬
tung des Feindes auf ungarischem Boden einen Riegel vorzuschieben.
x) Über die Kämpfe um Przemysl und den Fall der Festung hat Mjr. a. D. Dr.
Stuckheil eine Reihe inhaltsreicher Aufsätze in den Jahrgängen 1923, 1924 und 1925
der „Militärwissenschaftlichen und Technischen Mitteilungen" veröffentlicht. Außer¬
dem lag ein Manuskript des Ministerialrates Dr. Smolik vor, der die Verteidigung von
Przemysl als Reserveoffizier mitgemacht hat.