Das Kräfteverhältnis an der Tiroler Front 787 trotz schwerster Schäden an den Forts erfolgreich in den Kampf eingriff, schlug das Beginnen der Italiener fehl. Die Unternehmung im Ortlergebiet gedieh über die Verfassung des Angriffsentwurfes nicht hinaus1). Ende August 1915 durfte sich die Landesverteidigung von Tirol rühmen, gar keinen diesseits der gewählten Verteidigungslinie gelegenen Fleck heimatlicher Erde dem Feinde überlassen zu haben. Im Gegenteil: an zahlreichen Stellen, so südlich vom Stilfserjoch, auf der Hochfläche von Folgaria, östlich vom Pordoijoch, auf dem Mt. Piano und auf dem Kreuzbergsattel wurden unsere Stellungen sogar vorverlegt. Dieser Ab¬ wehrerfolg ist umso höher einzuschätzen, als die Truppen Tirols nur 4iy2 Bataillone 2), 132 Standschützenkompagnien, 42V2 mobile Feld- und Gebirgsbatterien, 3 schwere Batterien und 559 stabile Geschütze3) zähl¬ ten, indes die 1. und die 4. Armee der Italiener insgesamt 283 Bataillone, 81 Feld-, 25 Gebirgs- und mehr als 8 schwere Batterien stark waren4), aber trotz dieser gewaltigen Überlegenheit bei ehrenvollsten Leistungen nirgends durchzudringen vermocht hatten. Die ersten Kämpfe gegen Italien im Lichte der heutigen Geschichtskenntnis Der spätere Verlauf der Ereignisse auf dem Schlachtfelde vermag an der Tatsache nichts zu ändern, daß das Eingreifen Italiens in den Krieg von Österreich-Ungarn als tödliche Bedrohung empfunden werden mußte. Wenn es in dieser Darstellung — im Gegensatz etwa zum Werke des preußischen Generals v. Kühl5) — unterlassen wurde, die politische und ethische Seite der Handlungsweise des früheren Dreibundgenossen, die Gründe, die ihn erst zum Verharren in der Neutralität und dann zum Abschwenken in das Lager der Feinde veranlaßten, einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, so hat dies seine Ursache darin, daß hier 1) Ital. Gstb. W., II, Text, 336. 2) Darunter 24 zu nur drei Kompagnien; dafür waren einzelnen Bataillonen die in Kompagnien oder Züge zusammengefaßten Gendarmerieassistenzen angegliedert worden. 3) Darunter mehr als zwei Drittel alte, aus den Jahren 1861 bis 1880 stammend. 4) Vorstehende Stärkeangabe fußt auf der italienischen Kriegsgliederung bei Kriegsbeginn. Bis Ende August wurden aber zahlreiche schwere Geschütze aus den Festungen des Hinterlandes zugeschoben, deren Zahl nicht festgestellt werden kann. 5) Kühl, I, 210 ff. 50*