552 Der Feldzug von Brest-Litowsk Was schließlich die eben erst errichtete Ab wehr fr ont gegen Italien anlangt, so hatte Conrad in den Tagen der Kriegserklärung immer wieder betont, daß es nach Ablauf von vier oder fünf Wochen unvermeidlich sein werde, dem neuen Feinde durch einen aus Innerösterreich geführten Gegenstoß zu begegnen. Dabei ging er allerdings von der an sich gewiß vollberechtigten Meinung aus, das frische italienische Heer werde bis dahin längst die schwache Isonzoverteidigung überrannt haben und mit seinen Heersäulen in den küstenländischen Karst und in die Engen der karnisch-julischen Alpen eingedrungen sein. Inzwischen war alles ganz anders gekommen. Es war dank dem unerwartet zögernden und vorsich¬ tigen Vorgehen der Italiener gelungen, mit notdürftig zusammenge¬ rafften Scharen vom Stilfser Joch bis zur Adria eine dünne Abwehrkette zu spannen und mit beherzter Entschlossenheit die ersten, zum Glücke unbeholfen und unzusammenhängend geführten Vorstöße Cadornas abzu¬ schlagen. Diese Tatsachen durften aber die k. u. k. Heeresleitung nicht darüber täuschen, daß sich im Cadore, vor Tolmein, vor Görz und am Fuße der Karsthochfläche dichte Massen italienischer Streiter zusammen¬ ballten, deren Vorbrechen stündlich zu erwarten war. Trotzdem scheint in den Beratungen, die in den Tagen des Kampfes um Lemberg zwischen den beiden Generalstabschefs abgehalten wurden, von dem im Mai vielerörterten Gegenschlag gegen die Italiener kaum mehr mit einem Worte die Rede gewesen zu sein. Die beiden General¬ stabschefs waren darin einig, ohne Beachtung der Gefahren, mit denen im Westen und besonders im Südwesten zu rechnen war, den nächsten Erfolg dort zu suchen, wo er am ehesten zu winken schien, eben gegen Rußland. In diesem Sinne war der Befehl gehalten, der am 22. Juni von Teschen aus an die galizischen Armeen erlassen wurde : „GFM. v. Mackensen führt mit der 4. und der 11. Armee die Verfolgung gegen den in nördlicher Richtung weichenden Feind fort. Für die Deckung der Ostflanke wird ihm das Beskidenkorps [der 2. Armee] unterstellt. 2. Armee tritt aus dem Verband der Armeegruppe Mackensen und verfolgt den Feind in der Richtung Busk (einschl.)—Eirle jó w (einschl.). Südarmee, forciert den Dniester abwärts 2urawno, um Halicz von Norden abzu¬ schließen und über die untere Gnila Lipa vorzudringen." Der 7. Armee blieb die Erfüllung der bisherigen Aufgabe überlassen : Vorstoß über den Dniester, Sicherung der rechten Heeresflanke und des Besitzes von Czernowitz (S. 498). In schwieriger Lage befand sich um diese Zeit die Zarenarmee. Zu dem strategisch sehr unangenehm empfundenen weiten Zurückdrängen