450 Von Gorlice bis Lemberg Solcherart wurde auf der Seite der Verbündeten eine neue große Schlachtenfolge eingeleitet, deren Ziel die Wiedergewinnung von Lem¬ berg war. Ob über dieses geographische Ziel hinaus auch das immer geltende strategische Ziel der Vernichtung oder doch Lahmlegung des Feindes zu erreichen war, das stand in den Sternen geschrieben. Falken¬ hayn erhoffte sich, daß der Verlust von Lemberg auf die Russen einen „niederschmetternden Eindruck machen," und daß man damit, „dem End¬ ziel, der Sicherung eines guten Friedens", näherkommen werde1). Was Conrad anbelangt, so erblickte er in der Eroberung von Lemberg vor allem ein durch die Gestaltung des Kriegsschauplatzes bedingtes Zwischen¬ glied für eine spätere, gleichwie im Herbst 1914 wieder in den Raum zwischen Bug und Weichsel nordwärts führende Offensive. Allerdings lag auch ihm die Hoffnung nicht ferne, die zur Befreiung von Lemberg noch nötigen Schläge vermöchten das russische Heer zu zermürben und den Zaren friedensgeneigt zu machen. Daß dabei auch der öst.-ung, Generalstabschef den Wiedergewinn der Hauptstadt Galiziens auch sonst politisch hoch einschätzte, versteht sich von selbst. Zumindestens würden durch einen solchen Erfolg die Ru¬ mänen zuverlässiger von feindseligen Handlungen abgehalten, und es könne sogar erreicht werden, sie noch an die Seite der Mittelmächte zu ziehen. Zugleich befaßte sich Conrad in diesen Tagen, trotz der noch manchmal auftauchenden Gerüchte, die Serben planten einen Angriff nach Bosnien, mit der Möglichkeit eines Friedensschlusses mit dem Savekönigreiche. Nicht umsonst ließen die an der Drina mitunter auf Hörweite von den k. u. k. Grenzabteilungen stehenden serbischen Truppen, Offizier und Mann, immer wieder ihre auch durch wirtschaftliche Not diktierte Kriegs¬ verdrossenheit erkennen, und es wurde die bei Serbien angeblich beste¬ hende Friedensbereitschaft auch von anderer Seite berichtet. Wie der verantwortliche Leiter der Kriegführung Österreich-Ungarns sich die Ge¬ winnung Rumäniens und Serbiens vorstellte, geht aus seinem Schriften¬ wechsel mit dem Außenminister hervor. Serbien sollte dadurch gewonnen werden, daß man endlich beherzt an die Lösung der Südslawenfrage durch Schaffung eines dritten Staates im Rahmen der Habsburgermonar¬ chie herantrat und damit auch das Savekönigreich in deren Bann zog. In ähnlicher Weise sollte den Rumänen Gelegenheit geboten werden, durch einen staatsrechtlichen Anschluß an das Donaureich seine Aspirationen auf Siebenbürgen in friedlicher Weise zu verwirklichen. Es waren ähn- *) Falkenhayn, 86.