448 Von Gorlice bis Lemberg „Die sichere Folge wäre gewesen, daß entweder fast die gesamten, jetzt dort befindlichen deutschen Kräfte an Ort und Stelle belassen, oder daß schwere Rückschläge in Kauf genommen werden mußten. Im ersten Falle wäre eine Lähmung der deutschen Kriegführung eingetreten, im zweiten stand mit großer Wahrscheinlichkeit ein Zusammenbruch Öster¬ reich-Ungarns in nicht ferner Zeit zu erwarten." Diese Erwägungen führten den Chef des deutschen Generalstabes zu dem Schlüsse, daß es kaum eine andere Lösung gäbe als die, dem Feinde im Angriffe an der Klinge zu bleiben. In dieser Auffassung wurde er durch die Meldungen des Oberkmdos. Mackensen über die Verfassung des russischen Heeres bestärkt. Die Widerstandskraft der Russen sinke ganz offenkundig, überall herrsche Munitionsmangel, entschiedenes Handeln gegen diese ausgelaug¬ ten Truppen verbürge Erfolg! Allerdings sagte sich Falkenhayn, daß eine solcherart fortgeführte Offensive, wie sie auch GO. Mackensen und sein Stabschef, Obst. Seeckt, befürworteten, nur durch die Zuleitung frischer Truppen den nötigen Schwung bekommen könne. Diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen, war nicht leicht. Die Frühjahrsschlacht bei La Bassée und Arras hatte wohl ihren Höhepunkt überschritten, der Feind war abgewehrt, aber das Feuer glomm noch bis tief in den Juni hinein weiter. Im Bereiche Hindenburgs war die deutsche Front an vielen Stellen ohnehin schon fadendünn ge¬ spannt. Trotzdem vermochte die DOHL. aus der Westfront zweieinhalb Divisionen sowie an Osttruppen und Neuaufstellungen noch zwei Divi¬ sionen freizumachen; auch war zu erhoffen, daß in absehbarer Zeit noch zwei der drei im Südosten aufmarschierten, neu gebildeten Divisionen (S. 412) nach dem Norden gezogen werden könnten. Der Gedanke, nunmehr an Stelle der galizischen Front die Armeen Hindenburgs durch Zuführung der Verstärkungen zu einem Angriff zu beflügeln, mußte von Anbeginn aufgegeben werden, da Hindenburg er¬ klärte, daß in der Lage des deutschen Ostheeres, selbst durch den Einsatz zweier neuer Korps kein anderer als ein rein taktischer Erfolg zu er¬ zielen sein würde. Vorübergehend beschäftigte sich Falkenhayn, wie sich bei einer Besprechung mit Conrad erwies, auch mit dem Plane, die zur Verfügung stehende „Nachstoßstaffel" von viereinhalb Divisionen bei der Armeegruppe GdK. Kirchbach einzusetzen und damit die Russen¬ front im Weichsellande zu Fall zu bringen; dem widerriet jedoch Conrad. Dieser hatte wohl seine Lieblingsidee keineswegs aufgegeben, über den abgefallenen Bundesgenossen im Südwesten möglichst bald mit dem Schwert der Vergeltung herzufallen. Dennoch beharrte er in voller Er-