Die militärischen Rüstungen Italiens 287 Diese am 1. September 1914 festgelegten Richtlinien behielten auch für die tatsächliche Durchführung der Operationen ihre Geltung1). Während Gen. Cadorna seinen Offensivplan in allen Einzelheiten durcharbeitete, erlangte er am 24. September volle Kenntnis von der verzweifelten Bekleidungslage des Heeres, die der lybische Krieg verur¬ sacht hatte. Auch der Mangel an großkalibrigem Geschütz, an Maschinen¬ gewehren und an Lastkraftwagen sowie der unerfreuliche disziplinare Zustand vieler Regimenter ließen es ihm unmöglich erscheinen, das Heer bei herannahendem Winter ins Feld zu führen. So legte er sich gemein¬ sam mit dem Kriegsminister ein Sanierungs- und Ausbauprogramm zu¬ recht, dessen Dauer er mit 51/2 Monaten bemaß. In den Monaten der Sachaufrüstimg des italienischen Heeres wähnte sich sein Generalstabschef dauernd dadurch beunruhigt, daß Österreich- Ungarns Heer schon mobilisiert war und daß es mit der russischen und der serbischen Front entnommenen Truppen plötzlich über das noch nicht kriegsbereite Italien herzufallen vermöchte. Selbst die zuweilen äußerst gespannte Lage der k. u. k. Streitkräfte auf diesen beiden Kriegsschau¬ plätzen, die Cadorna doch bekannt gewesen sein mußte, konnte dieses Schreckensgespenst nicht aus seinem Arbeitszimmer bannen. Um nun sein Vaterland gegen einen Überfall aus Tirol oder aus dem Küstenlande zu schützen, richtete er gleich zu Beginn des Weltkrieges nahe der öster¬ reichischen Grenze eine „vorgeschobene Besetzung" (occupazione avan¬ zata) ein, in die Gebirgsformationen, darunter auch solche, die bisher an der französischen Grenze gestanden waren, und Truppen der zunächst gelegenen Garnisonen verlegt wurden. Ende August wurden diese Grenz¬ sicherungen im Friaul verstärkt, und um die Monatswende Oktober- November die Grenzbefestigungen bei weiterem Reservistenaufgebot mit Be Satzungen versehen2 ). Eine zweite Maßnahme betraf die Verbesserung der Mobilmachung und des Aufmarsches. Bisher hätten sich diese beiden Vorgänge, für deren Durchführungsdauer ein Monat vorgesehen war, in enger Wechsel¬ wirkung abzuspielen gehabt, wobei die Truppenkörper wegen der zum Teil exterritorialen Ergänzung erst im Versammlungsraum ihre Schlag¬ fertigkeit erlangen sollten. Nach dem neuen Mobilisierungsverfahren, das am 1. März 1915 in Kraft trat und die möglichste Geheimhaltung der Mobilmachung bei Beschleunigung des darauf folgenden Aufmarsches zum Ziele hatte, sollten die Regimenter grundsätzlich in den Garnisonsorten 1) Cadorna, La guerra, I, 95 f£.; Ital. Gstb.W., I, Beilagenheft, Beilage 50. 2) Ital. Gstb. W., I, Text, 156.