224 Der Karpathenwinter 1914/15 Berg und Tal vorarbeitete, weder durch den moralischen Eindruck des artilleristischen Beistandes befeuert, noch durch seine fühlbare Wirkung unterstützt. Überdies war der Angreifer auf dem feindwärtigen Hange des Gebirges stets im Nachteil, weil das Verschieben und Entfalten ge¬ hemmt sowie Zuschub und Abschub über dieKammhöhen erschwert waren. Vielleicht hätte das von einem Kriegsteilnehmer empfohlene „schicht¬ weise" Vorgehen (S. 142) zu besseren Ergebnissen geführt; im Jänner fehlten hiezu die Kräfte, später aber spornte die Lage der Festung Przemysl zu höchster Eile an. Die Anforderungen an die Truppen überstiegen häufig die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, so daß Befehle nicht selten nur zum Scheine be¬ folgt wurden; darunter litt das disziplinäre Gefüge des Heeres. Nicht immer brachten die Führer den Freimut zu klaren und entschiedenen Gegenvorstellungen auf, ihre Klagen verhallten nur zu oft, ohne gehört zu werden. In keiner anderen Kriegsperiode häufte sich in gleichem Maße das Versagen von Truppenteilen slawischer Nationalität wie bei dieser übermenschlichen Inanspruchnahme. So war Przemysl am 22. März trotz aller Entsatzbestrebungen ge¬ fallen und 119.600 Männer der Festungsbesatzung zogen in sibirische Kriegsgefangenschaft. Die Bemühungen zur Erhaltung des festen Platzes hatten sich außerdem ungünstig auf die Anlage der Kriegshandlungen ausgewirkt. Auch die Russen, die durchschnittlich härter und widerstandsf ähiger waren, büßten das Unternehmen mit gewaltigen Opfern, die sicherlich die des habsburgischen Heeres bedeutend überstiegen, zumal ihre Füh¬ rung ohne Rücksicht auf Verluste verfuhr. Dieser Blutzoll bildet einen gewichtigen Posten in der Bilanz der Kriegshandlung, denn die wenn auch vergeblichen Entsatzversuche fielen für den Endausgang des Ringens mit dem Zarenreiche stark ins Gewicht und russische Militärschriftsteller bezeichnen den Entschluß Iwanows zur Offensive über die Karpathen als „den Anfang vom Ende". Die Gegenoffensive Iwanows Die Führerentschlüsse bei den Russen und bei den Verbündeten Hiezu Beilagen 6, 8 und 10 Am 19. März hatte sich der Großfürst-Generalissimus entschieden (S. 164), die Offensive gegen die Deutschen aufzugeben und sich mit voller