218 Der Karpathen winter 1914/15 und die Festung nach Zerstörung der Werke und Gürtelbauten dem Feinde hätte überlassen sollen. Vieles sprach dagegen. Eine Räumung des Platzes, dessen fortifika- torische Stärke übrigens vielfach überschätzt wurde, hätte die Zuversicht des feindlichen Auslandes gestärkt, auch auf das Inland und den deutschen Verbündeten niederstimmend gewirkt; insbesondere würde eine solche Maßnahme bei der für Hiobsbotschaften mehr als für Erfolge empfäng¬ lichen Bewohnerschaft der beiden Hauptstädte Wien und Budapest pa¬ nischen Schrecken erzeugt und weiters die der Donaumonarchie noch geneigten Teile ihrer ostslawischen Bevölkerung in ihrem Zugehörigkeits¬ gefühle erschüttert haben. Außer diesen politischen bestanden auch mili¬ tärische Gegengründe. Conrad drängte beständig darauf, daß die DOHL. das Schwergewicht der Kriegführung auf den östlichen Kriegsschauplatz verlegen möge. Geschah dies, so konnte bei Wiederaufnahme der Offen¬ sive in Bälde der San erreicht und Przemysl wieder zu einem wertvollen Stützpunkte werden. Sicherlich spielte auch die Erwägung mit, daß die Festung ansehnliche Kräfte des Feindes binden und an der Betätigung im freien Feld hindern werde. Tatsächlich legten die Russen dem Platze bei ihrem zweimaligen Vormarsche über Mittel- nach Westgalizien eine schier übertriebene Bedeutung bei. Sie boten sowohl im September als auch im November vor bewirkter Einschließung zu Sicherungszwecken ein Übermaß an Truppen auf, was dem öst.-ung. Heere bei seinen Rück¬ zügen außerordentlich zustatten kam. An einen belagerungsmäßigen An¬ griff dachte die russische Heeresleitung nicht und begnügte sich, ge¬ witzigt durch den blutigen Fehlschlag der Anstürme im Oktober, mit der Zernierung des Platzes. Da das engmaschige und leistungsfähige Eisenbahnnetz Galiziens während der dem 22. März vorangehenden sechs Monate durch den Wir¬ kungsbereich der Festung an einem wichtigen Knotenpunkte der zwei¬ geleisigen Hauptstrecke gesperrt war, sahen sich die Russen zu einem langwierigen, kr äf te verbrauchen den Bau von Schienenwegen gezwungen, um ihrer galizischen Front, Przemysl im Norden umgehend, alles Er¬ forderliche zuzuführen. Sie fingen im großen Stile mit einer Umgehungs¬ bahn an, die Lemberg im Norden umkreiste und bestimmt war, den Hauptverkehr auf die leistungsschwache Strecke Lemberg—Rawa Ruska— Jaroslau (Beilage 3 von Bd. I) zu legen. Emsig strebten sie an, ihrö Schienenstränge von Norden her ins Land zu treiben, indem sie den Bau der 40 km langen Eisenbahn Wladimir-Wolynski—Sokal, der 86 km lan¬ gen, eine Sanüberbrückung erfordernden Linie Lublin—Rozwadów und