Überblick über die Weltlage zu Anfang 1915 Die Mittelmächte hatten ihren ersten Kriegsplan auf der Idee auf¬ gebaut, sich durch einen entscheidenden Schlag im Westen vom würgen¬ den Drucke des Zweifrontenkrieges zu befreien; die Hoffnung, daß dies gelingen werde, war an der Marne zusammengebrochen. Die Entente hatte auf die gewaltige Kraft des russischen Millionenheeres, auf die „Dampfwalze" des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch gebaut; diese war in den Kämpfen von Lodz-Lowicz und Limanowa-Lapanów zum Stehen gekommen. Im Westen war der Krieg nach dem „Wettlauf zum Meere", der mit der Ypernschlacht geendet hatte, im Schützengrabenkampf erstarrt. Vom Ärmelkanal bis zur Schweizer Grenze bei Basel zog sich alsbald eine doppelte Linie von Stacheldraht und Erdverschanzungen hin. Ein gleiches Antlitz nahm um Weihnachten das Ringen im Osten zwischen der unteren Weichsel und dem Karpathenkamm an. Die Ereig¬ nisse hatten dem Generalfeldmarschall Grafen v. Moltke rechtgegeben : der neuzeitliche Krieg mit seinem Massenaufgebot, mit seinen Völkern in Waffen, war in einem oder zwei Feldzügen nicht zu entscheiden gewesen. Millionenheere hatten einander in einem Dutzend schwerer Schlachten und in ungezählten Gefechten gegenübergestanden, mehr als einmal schien das Schicksal der einen oder der anderen Partei an einem Faden zu hängen. Aber als das ereignisvolle Jahr 1914 zur Neige ging, da machte keine der kriegführenden Mächte Miene, einzulenken oder das Spiel verloren zu geben. Die Entschlossenheit, der verbissene Ingrimm, den Krieg bis zur Entscheidung fortzuführen, schienen um so mehr zu wachsen, je mehr die Kräfte einander die Waage hielten. Wer von den Streitern an der Front geträumt hatte, er werde Weihnachten 1914 wieder am häuslichen Herde verleben dürfen, wurde bitter enttäuscht. Das Ende des blutigen Ringens stand in unabsehbarer Ferne. Mit dieser schmerzlichen Erkenntnis erhob sich für die Kriegführen¬ den beider Lager und für die ganze neutrale Welt die ausschlaggebende Frage, für wen die Zeit arbeiten werde, ob für die Mittelmächte oder die Entente. Diese Frage wurde durch das Verhalten Englands schon in den ersten Monaten halb und halb zuungunsten der Mittelmächte beant¬ wortet. Großbritannien hatte am Tage des Kriegsausbruches mit einem l*