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Hausens Wucherei (Nr. zi)
herausgegeben von Johannes Mumbauer
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�Olit 3(0n}0 (Don der Sota)
bis in Lie Leisera
Zeldbriefe eines Tiroler Fvgkomman-danten aus dem k�stenl�ndisch-k�rnt-nerischen Stellungsgraben von 1915/16
von Dr. Anton D�rret
Eingeleitet von Johannes Mumbauer
S
hausen Verlagsgesellschaft nt. b. �j., Saarlouis
15022
vom K. u. k. 10. Krmeekommando (Kriegspressequartier) genehmigt.
Geleitwort
Die Masse der Ver�ffentlichungen von Feldpostbriefen und Einzelerlebnissen aus dem Weltkriege ist so ungeheuer gro� und unabsehbar, da� man fast von einer �berschwemmung mit derartiger Literatur reden kann, und da� viele schon den �berdru� an ihr bekommen haben und von vornherein jeder Erscheinung dieser Art aus dem Wege gehen. Man kann � wenn man ehrlich sein will � den Lesern dieses Mi�trauen nicht verdenken; denn es ist manches unter hohen Anspr�chen auf den B�chermarkt geworfen worden, was besser ungedruckt geblieben w�re. Indessen mu� man auch hier, um gerecht zu sein, zwischen der Spreu und dem Weizen unterscheiden. Es ist nicht zu leugnen, da� eine betr�chtliche Anzahl der in die �ffentlichkeit gebrachten Schilderungen von Kriegserlebnissen nicht nur inhaltlich einen beachtlichen geschichtlichen � Kriegs-, Kultur- und geistesgeschichtlichen � Wert besitzen und f�r die Zukunft behalten, sondern zum Teil auch nach der formal darstellerischen Seite eine Bereicherung unseres Schrifttums bedeuten: es war ja zu erwarten, da� der Widerhall der gewaltigen Erlebnisse in den Seelen der Mitk�mpfer einen ganz besonderen Ton ergeben werde. Diese Erwartung hat auch nicht v�llig get�uscht; man h�tte nur in der Auslese und Aussonderung des echten Gutes sorgf�ltiger und kritischer sein sollen, als es vielfach geschehen ist.
Wenn nun die Leitung von �Hausens B�cherei", die sich unerbittliche Ausscheidung alles Minderwerti-
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gen zur Pflicht gemacht hat, die vorliegende Feldkorrespondenz des Tirolers Anton D�rrer ihrer Sammlung einreihen zu sollen glaubt, so darf man von vornherein annehmen, da� sie diesen Aufzeichnungen besondere Qualit�ten zuschreibt, die sie aus der durchschnittlichen Masse herausheben; und der Herausgeber m�chte, um etwaigen Vorurteilen der eingangs erw�hnten Art zu begegnen, auf diese Besonderheiten kurz aufmerksam machen � im �brigen mu� das B�chlein nat�rlich f�r sich selber sprechen.
Dr. Anton D�rrer � die akademische W�rde hat er sich in der Aniform mitten im Krieg geholt �, dem wir die beste Biographie feines Landsmannes, des im 3ahre 1913 verstorbenen Tiroler Poeten Karl Domanig verdanken, tr�gt seit fast zwei Jahren die Waffen gegen den welschen Erbfeind. Als echter Sohn des �heiligen Landls" hatte er sich aus seinen Studien heraus freiwillig zu den Tiroler Kaiserj�gern, der beliebten Elite-truppe, gemeldet, um in ihren �eihen die Heimat gegen die t�ckischen Verr�ter zu verteidigen. Er muhte sich damit bescheiden, in ein Feldj�ger-Bataillon eingereiht zu werden; und was er als kaiserlich-k�niglicher J�ger erlebte und sann, das hat er zum Teil in den folgenden, an verschiedene Adressen gerichteten Briefen aus dem Felde und ebenfalls dort entstandenen Skizzen aufgezeichnet.
Schon rein stofflich verdienen diese Niederschriften Aufmerksamkeit � nicht nur in der �sterreichischen Heimat des Verfassers, sondern auch bei Lesern aus dem Deutschen Aeidh; ja bei diesen wohl vorzugsweise, weil uns die Kampfhandlungen an der �sterreichischen K�rntner- und Isonzofront zwar in ihren Hauptz�gen durch die amtlichen Heeresberichte bekannt werden, w�hrend die intimeren Einzelheiten, die jenen K�mpfen gegen die Italiener erst ihren spezifischen Habitus und das besondere psychologische Interesse verleihen, weniger zu uns dringen. Aber gerade das bietet D�rrer wie
wenige andere: den �sterreichischen Lokalton, jene eigent�mliche Atmosph�re, die dein verb�ndeten Heere infolge des bunten nationalen Gemisches seiner Zusammensetzung anhaftet und zu einer ganz einzigartigen Gem�tslage f�hrt. Es werden wenige Reichsdeutsche das durch D�rrer Dargebotene lesen, ohne zu bekennen oder zu denken, hier sehen wir in eine vielfach fremde und jedenfalls schon ziemlich entfernte Welt.
Dann aber beachte man auch den �Gehalt" des vorgebrachten Stoffes. Da wird mancher, der lebhafte und blutige Kampfschilderungen erwartet hatte, vielleicht zun�chst entt�uscht sagen: da ist aber recht wenig Milit�risches und Kriegerisches. Das ist unzweiselbaft richtig, und aus D�rrers Buch darf niemand den Gang der kriegerischen Ereignisse in den Mischen und Karnischen Alpen kennen lernen wollen � der Schreiber batte aber auch gar nicht die Absicht, eine Kriegschronik zu verfassen. Er wollte und bietet mehr und Wertvolleres: er gibt uns das Symbol oder Symbole des heiligen Kampfes seines Volkes gegen den Erbfeind, er �ffnet uns einen allgemein g�ltigen Durchschnitt durch die Seele und das Gem�t des Tirolertums und des �ster-reichertums im Ringen um ihre v�lkische Existenz. Das in unmittelbaren Bildern und Ausschnitten aus Bildern unverf�lscht und unretouchiert kennen zu lernen, ist f�r jeden Forscher und Liebhaber der Volksseele und des Volkstums von h�chstem Reiz. D�rrer leistet uns diesen Dienst, indem er nicht die �u�eren, technischen milit�rischen Operationen. Schlachten, M�rsche, Stellungskrieg und berat., schildert, sondern dadurch, da� er sich an das rein Menschliche h�lt und damit die tiefsten Grundlagen des schier �bermenschlichen Geschehens aufdeckt.
Darin aber zeigt sich D�rrer endlich auch als K�nstler; denn nur dem Dichter ist es gegeben, durch die �u�erlichen Handlungen hindurch in die geheimen Quellen und tieferen Zusammenh�nge zu schauen und das
Geschaute in Gestalten von symbolischem Gehalte dar-zustellen. Die Form, in der er es tut, zeigt bei aller scheinbaren Einfachheit und Kunstlosigkeit den fein empfindenden Stilisten � wie man sich bei der Lekt�re bald �berzeugen wird. Und so glaube ich denn dem B�chlein voraussagen zu k�nnen, da� es das rein stoffliche Interesse der Kriegszeit �berdauern wird.
Vom Krn bis am Nabois und von Zaga bis Malborget hat der F�hnrich und jetzige Feldj�ger-Leutnant d. R. Dr. Anton D�rrer mit feinen ein, zwei Z�gen �eiserner� 3�ger unter dem Kommando seines Batail-
lonschefs Oberstleutnant Karl L des Siegers in
den September-K�mpfen v. 3. bei F und am
R nicht nur � so wie ihn die Ilmschlagzeichnung
des Malers Fritz Ouandt-Trier wiedergibt � die �sterreichische Fahne verteidigt, sondern auch der gemeinsamen Sache der verb�ndeten Mittelreiche gedient. Vor allem aber hat er sich als Tiroler erwiesen:
Adler, Tiroler Adler,
Wovon bist du so rot? �
Vom roten Sonnenscheine,
Vom roten Feuerweine,
Vom Feindesblute rot:
Davon bin ich so rot!
Piesport an der Mosel, im Herbste 1916.
Johannes Mumbauer.
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Ins Feld, ins Feld!
�sterreichisch S�dwest, Juni 1915.
0 �sterreich, heil'ges Vaterland! O deutsche Lieb' und Treue!
Du hohes Land, du sch�nes Land! Wir schw�ren dir aufs neue:
Dem Buben und dem Knecht die Acht! Der speise Kr�h'n und Raben!
So zieh'n wir aus zur Hermannsschlacht und wollen Rache haben.
E. M. Arndt 1812.
Was ein echter Tiroler ist, der kennt heute nur eine Pflicht: sein ..Landl" zu verteidigen, und den hin-tert�ckischen Welschen endlich ein f�r allemal heimzuzahlen, was sie uns als B�ndner und Verr�ter angetan.
Und das ist viel!
Keiner wird es anders sagen k�nnen: wir Tiroler sind von Hause aus gute, friedfertige Leute und haben Jahrhunderte lang in Eintracht mit unseren Italienern gehaust. Freilich, mit denen �ber den schwarzgelben Pf�hlen verband uns nie ein freundschaftliches Gef�hl. Sie waren zu oft als Pl�nderer unb R�uber in unsere stillen T�ler eingebrochen. Aber selbst in bes Reiches schwierigsten Tagen hatten wir sie fortgetrieben unb in ihrem eigenen Lande vernichtenb geschlagen. Unverge�lich verbleiben ber Geschichte bie Helbentaten ber Tiroler unter Rabehky unb Erzherzog Albrecht.
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Nun sollten mit denselben Mitteln, durch welche das ganze apenninische K�nigreich entstanden, auch die welschen Stammlande �sterreichs �erobert" werden. Die Regierungen zu Rom hatten geglaubt, der Irre-denta nicht entbehren zu k�nnen, um selbst zu bestehen und die Blicke der Untertanen vor den eigenen Ohnmachten eines staatlichen Neubaues abzulenken. Frech erhoben �nationale Vereine" ihr Haupt, bestachen, hetzten und sch�rten in den St�dten des verb�ndeten Staates und betrieben den gro�en nationalpolitischen Zwiespalt auch in Tirol. Mit Hilfe der verlockenden Lire besorgten ehrgeizige signori die Kleinarbeit im Lande und gesch�ftst�chtige Unternehmer drangen immer weiter in Deutschland vor. Ab 1848 mehrten und erweiterten sich bedenklich ihre Forderungen nach gr��eren Eigen-rechten und nach Selbst�ndigkeit des welschen Landesteiles, obgleich die italienische Nation in der Monarchie wie im Kronland neben der deutschen am meisten bevorzugt wurde und die Melschtiroler keineswegs ihr Volles vom Hundert der Landeslasten trugen. Die Italia-nissimi sprengten Landtage, vertrieben Statthalter und lie�en die Verwaltung des Landes nicht mehr zur Ruhe kommen. Auf die Bem�hungen einer endg�ltigen Verst�ndigung seitens deutschtirolischer Parteien gingen die Gem��igteren wohl ein, n�tzten aber deren Opferwilligkeit, getrieben und verlockt von den Scharfmachern, ins Endlose aus?)
a) An Stelle einer Beweisf�hrung darf ich wohl auf die inzwischen erschienene, grundlegende Arbeit �Der italienische I r r e d e n t i s m � s" von Univ.-Prof. und Staatsarchiv-Direktor Dr. Mich. Mayr (Innsbruck, Tyrolia) hinweisen. � Vergl. auch Hochland, 13. 3y., S. 347 ff., Reichspost (Wien), 1. und 10. Juni
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Da brach der Krieg �ber Europa herein. Tirol leistete an Bluksteuer das au�erordentlichste. Gleich zu Beginn zogen mit den Kaiserj�gern und Landessch�tzen auch die Landst�rmer aus. Im Lande selbst taten Stand-sch�hen und Freiwillige die geforderten Dienste. Mit Heller Begeisterung war ja jeder wasfent�chtige Tiroler dem Rufe seines lieben, guten, alten Kaisers wider die Reichsfeinde gefolgt.
Zur Zeit der gr��ten Bedr�ngnis des Reiches ward aber zur Gewi�heit, da� der s�dliche �Bundesgenosse", den der Tiroler Bauer besser kannte und einzusch�tzen wu�te als viele Herren, in seiner Raubgier r�stete. Fast das ganze Bolk von Tirol atmete erleichtert auf, obgleich es von seinen treuen S�hnen aus Galizien her wu�te, was dem Lande als Kriegsschauplatz bevorstehe. �Mit dem Welschen werden wir schon auch noch fertig!"
Zu umso gr��erer Best�rzung eilte die schier unglaubliche Botschaft durch die T�ler, da� in der Bedr�ngnis �sterreichs �zur Befriedigung der italienischen Aspirationen" S�dtirol geopfert werden solle. Dasselbe Tirol, dessen M�nner in alter Treue zum Kaiser f�r die Erhaltung der ganzen Monarchie in Galizien und Serbien bluteten und zur�ckkehrend nicht einmal mehr ihre Heimat erhalten sollten. Bluteten f�r die Gr��e und den Wohlstand des ganzen Staates, und sollten nun ihren kleinen Besitz der feindseligen Gewalt einer Fremdherrschaft ausgeliefert und ihre Familien zerrissen vorfinden. Durfte sich ein
1916 (Dr. R. v. Kralik, abgedruckt in: Vom Weltkrieg zum Weltbund, S. 315�329) und �ber den Wert Tirols f�r Oesterreich bezw. Mitteleuropa, Grazer Tagblatt, 10. Febr. 1917 ff. (Dr. R. Singer).
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1809 wiederholen? Durste das Gel�bnis des Kaisers Franz 3ofef I., feierlich ausgesprochen am Berg 3sel im 3ahre 1909: ,,3d) und mein Haus hallen Euch Treue um Treue!" sobald in den Boden getreten werden? Das fragte sich ein Volk, das seit Jahrhunderten mit Leib und Leben zu Kaiser und Reich in beispielhafter Hingabe gestanden und f�r die Einheit des Vaterlandes sich eingesetzt hatte. Nur um einer geschichtlichen �berlieferung willen? Nur wegen eines geographischen Begriffes? Nur in der Erwartung auf die wenigen wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus Welschtirols Weinbau und Fremdenverkehr noch ergeben konnten? Aus Tiroler Selbstsucht oder Eigenbr�delei?
3br �sterreicher und Reichsdeutschen, denen wir Tiroler, einst Gegner eurer wackeren Bayern und Sachsen. heute mit Krofffrohern Stolze die Bnndestreue nachr�hmen, d�chtet schlecht von uns, urteilt ihr so. Tirol ist und bleibt als Ganzes ein unbezwing-liches Bollwerk f�r beide Reiche unb vorab f�r die beuffche Nation. Tirol bars nicht v�lkisch getrennt werben, sonst hat sich auch bas polyglotte �sterreich aufzugeben. Unb Tirol kann bazu noch, ungleich berechtigter als die Schweiz, von sich sagen: es gibt nur ein Bolk in unseren Bergen. Wir haben unserer Einigkeit viele, schon zu viele Oofer gebracht, als da� wir in des Reiches gef�hrdetsten Tagen freiwillig von unserer Aufgabe abst�nden, wohl wissend, da� die Preisgebung S�dtirols keineswegs den gewollten Zweck f�r die Gefamtmonarchie erf�llte.
Denn gleichwie 3taliens Forderungen zur See �sterreichs Lebensweg abschneiden wollten, mu�te die �ff-
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nung der tzochgebirgsseste unsere Landmacht gef�hrden. Der liebe Bundesgenosse eines gedem�tigten �sterreich h�tte sich weder ges�ttigt noch sicher gef�hlt.
Und so erkl�rte Italien unserem Kaiser den Krieg. Da war Tirol wieder einig und gro�. Da stand das ganze Volk wider den alten Erbfeind auf. Die allein daheimgebliebenen Buben und Greise griffen zu den Stutzen, die Heldenregimenter kehrten zur�ck. Man ertrug die R�umung bl�hender Ortschaften, fl�chtete in ferne Kronl�nder, opferte Gut und Blut und Leben und besiegelte tausendf�ltig den Bund mit Kaiser und Reich und das unumst��liche Recht der Landeseinheit. O Land der Felsen und Firnen,
O W�lderheimat weit!
Um deine Bergesfirnen Rinnt Glanz der Ewigkeit:
Denn flammen wird ohngleichen Wie des Himmels Sternensaat,
Was ohne Wanken und Weichen Tirol f�r den Kaiser tat!
(Br. Willram, Das blutige Jahr).
In der kleinen Garnison des �Eisernen" Feldj�ger-bataillons.
Die Ruhezeit war 5>erzenspein,
Machst mir den Abschied leicht.
Denn alle Farben sind verbla�t,
Ein kalter Nebel schleicht.
Nun bist du mir das Einz'ge noch,
Mein Vaterland in Not;
Ich sckau' nickt um, aeh freudenvoll F�r dich in Kampf und Tod!
Heinrich v. Schullern.
ii
S�dwest, Juli 1915.
Ende J�nner 1915 trat ich als �Kriegsfreiwilliger" in ein Regiment der Tiroler Kaiserj�ger ein. Das Herz krampfte mir zusammen, als die erste Kunde von einer in Erw�gung gezogenen Teilung meines Vaterlandes nach Innsbruck drang und kurzsichtige Rechner mit dieser gewaltsamen L�sung der Schwierigkeiten angesichts der nationalen, finanziellen und politischen Vorteile f�r Deutschtirol sich schon abfinden wollten. Da litt es mich nicht l�nger im Lande. 3ch empfand schon den Gedanken als unertr�glich, vielleicht nicht zuleht gerade deshalb, weil ich selbst auch in Italien, in Florenz, studiert habe und etwas besser die Gr��e des Hochverrates � nein: ein deutsches Wort gibt es f�r dieses Verbrechen nicht: der Felonie, del gran rifiuto an �sterreich und dem deutschen Volke ermessen konnte: �Italia, Italia, vituperio della gente!� � Schon wollte ich die Heimat verlassen. Da ward Tirol des welschen Hochverrats sicher und r�stete zur Verteidigung. Nun mu�te und durfte ich im Lande bleiben und f�r das Land k�mpfen. Wiederholt ward ich in Marschbataillone eingeteilt, aber alles Freiwilligmelden verhalf mir nicht, endlich an die Front zu kommen.
Da ereilte mich ein schwerer Schlag. Ende Juni teilte das Kommando mit, da� die meisten Zugskommandanten an andere Truppen abgegeben werden m��ten. Mit drei Kameraden, dem Kadetten Theodor 3... 6, Hans
L ff und Rudolf Prem (f 2. 4.17) traf mich der
Befehl, an das k. u. k. Feldj�gerbataillon Nr. 20 abzugehen. Italien war ja nicht allein Tirols, sondern der ganzen Monarchie Feind geworden. Also sei es!-----------
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Hart traf mich freilich der daraus entstandene berufliche Nachteil, hart die Trennung von den lieben Kameraden und Kaiserj�gern, so von dem stillen, ernsten Pros. S t e i n a ch e r, der bald daraus in Galizien den Heldentod fand, bevor er jene Charge erreichte, in der er gem�� seinem Wissen und K�nnen, feiner Bildung und b�rgerlichen Stellung Entsprechendes f�r sein hei�geliebtes Vaterland h�tte leisten k�nnen; von dem geistspr�henden Idealisten Dr. Ed. Niko-lussi, der sich indes am Col di Lana die goldene Tapferkeitsmedaille geholt hat; Dr. Ed. Fischer, Dr. 3of. Dinkhaufer, Dr. Ed. Ahlik, alles advokatorifche Bundesbr�der; dann von dem Gelehrten Dr. Aittin-ger, dem Madonnen-Maler Em. Raffeiner, dem �roten Partei-Aechtsanwalt" Dr. Gr�ner, einem kleinen, spitzb�rtigen, beredten und kunftfrohen Schlaumeier, dem niemand herb fein konnte, selbst wenn er feine verlorenen �bungen, wie die k�stliche Schlacht am Lanfer See, zu einem Siege zu verkehren wu�te. Kein Wunder, da� ihn b�lder als uns die F�hnrichs-Distinktion und die silberne TapferKeitsmedaille schm�ckte. Diese und viele andere Kommilitonen sowie unsere wackeren Lehrmeister, Leutnant Dr. Hittmair, Oberleutnant Baron Wodnianski und Hauptmann Miksch, dazu die k�stlichen Stunden auf der Ambraser Wache, am stadlfernen Exerzierplatz und in der �Ubika-tion" des Ferrari-Schl��ls werden uns unverge�licher bleiben, als vieles von der eilig eingebl�uten Milit�rwissenschaft unb ihrer etwas eint�nigen Probepraxis. � Unb nun noch schnell ben schwersten Abschieb von ben Meinigen, von Innsbruck unb Tirol.-----------------
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20 Stunden waren wir gefahren, bis endlich unsere neue Garnison in Sicht kam: ein kleines slowenisches Dorf bei Marburg, mit einst�ckigen, �u�erlich ganz h�bschen H�uschen und weitl�ufigen Wirtschaftsgeb�uden. Wiesen, Obstb�ume, sogar Reben und einiges Getreide bedecken die Ebene. Das vereinzelte �Gebirge" ist bergiselhoch. Ein starker slowenischer Oberj�ger begr��t uns an der Stationsh�tte und weist den Weg. Aber die Bataillons- und Ortsverh�ltnisse wird er ausgeforscht und wie ein Politiker antwortet er vorsichtig.
Vederemol
3n dem Meierhof des St. Paulser Klosters hat sich der Ersatzk�rper des Feldj�gerbataillons eingenistet; im Hofe die Fahrk�chen und Lrainwagen. Neumontierte, braune Mannschaft sitzt herum; die Truppe ist marschbereit. Am Hauseingang zahlreiche Oberj�ger, an ihrer
Spitze der dienstf�hrende K �die gef�rchtete
Gr��e" in der Ersatzkompagnie. Da folgten uns neugierige Gesichter, es stellt sich habfacht ein Wachtposten mit aufgestecktem Bajonett. Wir sind am Ziele, vor der Kanzlei des Kommandanten.
Ein Hauptmann des Ruhestandes, Ant. A..r, in der nun bei uns modern gewordenen gr�nen Felduniform, triff uns entgegen. Ein Sturz vom Pferde, jo war erz�hlt worden, hatte ihn fr�hzeitig feld-bienffuntauglich gemacht. Forschenden Blickes nimmt er die Meldung entgegen und reicht uns die Hand: �Meine Herren! Sie kommen zu uns, zum eisernen Fel�j�gerbafaillon, das sich heldenhaft geschlagen und f�rs Vaterland geopfert hat. Es ist unsere Pflicht, sich dieser unserer Soldaten w�rdig zu erweisen. Ich begr��e
Sie!" Wir waren �ber diese Begr��ung etwas erstaunt, traten ab und erfuhren, da� gerade die ersten Meldungen eingetroffen waren, mit weicher Bravour die Feldj�ger am l�. Juni bei Zaleszcyki, einen Eijenbahndamm st�rmend, sich geschlagen und f�r ihr Batericm� verblutet hatten, sodatz von dem Tausend nur mehr 140 Mann und Hauptmann E...r mit F�hnrich P.ck unverwundet zuruckgekehrt waren. Bald trafen denn auch der ehrende Befehl des Korpskorn-rnandanten und die ersten der noch am Leben gebliebenen Feldj�ger ein, und �ber die offiziellen Berichte wuchs unsere Hochsch�tzung und Ehrerbietung. Wir waren zu einem wahren Heldenbataillon gekommen, das nun schon zum dritten Male w�hrend dieses Krieges seine Besten eingeb��t hatte?)
) Oberleutnant I. Burger hat nun am Schluffe seines trefflichen Buches: �Mit den Tiroler Lan�fch�tzsn gegen Ru�land" (Innsbruck, Tyrolia) dieser Kampfe Erwaynung getan. � Das 20. Feldj�gerbataillon wurde i. I. 1849 zu Florenz aus slowenischen Compagnien der Feldj�ger Nr. 8 und 9 (die i. I. 1808 aus dem 1801 gegr�ndeten Tiroler J�gerregiment errichtet worden waren) gejchaffen und k�mpfte damals gegen die aufst�ndischen Italiener im Kirchenstaate. Daher r�hrt auch die M�re, da� Garibaldi, schon gefangen, als H�ndler von Taschent�chern sich fortschwindelte und die bei den alten, zwanziger J�gern noch heute �bliche Anrede: �Garibaldi je tukaj!� (�Garibaldi hier!") In der Schlacht bei K�nig g r � tz st�rmten die Braven den Swiep-Wald. Die Erinnerung an die Heldentat wurde bislang im Batailtonsfeiertaa festgehalten. Seither hatte das Bataillon im K�stenland Mne Heimat. Vor�bergehend italienisch, rekrutierte es sich seit 1908 aus den Bezirken Marburg und Cilli und dem K�stenland, marschierte unter Oberstleutnant Sch�bingerim Sommer 1914 mit der 3. Armee gegen Ru�land, nahm an den beiden ersten Schlachten vor Lemberg r�hmlichst teil, eroberte unter Major Langer beim Entsatz von Przemysl Bloschew Grn, nahm einen Regimenlskommandan-ten mit mehreren Offizieren und zahlreicher Mannschaft gefangen und erbeutete hierbei eine Ehrentrompete und einen Ehrens�bel. In den R�ckzugsk�mpfen zu den Karpathen wurde am 21.
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Zur Essenszeit versammelten sich die Offiziere und Offiziersaspiranten im Garten einer �gostilna" (Wirtshaus). Gastfreundlich wurden wir in die Mitte der bunten Gesellschaft aufgenommen. Die Iungmannschaft �berwog weitaus und auch bei den �lteren Herren fand man die Reservisten in der �berzahl. Operns�nger, Bankbeamte, Doktoren, viele Studenten; Deutsche, Slowenen, Tschechen, Ungarn sa�en friedlich und fr�hlich beim einfachen Mahle des Dorfwirtes und Borstehers zusammen.
Die Soldaten waren mir nicht minder neu. Haupts�chlich Slowenen, oder wie sie selbst sagen: Slowener, (ihre Sprache bezeichnen sie auf deutsch als wendisch),
November das Bataillon bis auf eine Kompagnie aufgerieben, in der Karpathenschlacht vom 26. J�nner verblutete die neu aufgestellte Truppe fast zur G�nze. Trotzdem hielten am 3. M�rz die frischen Mannschaften den schweren Kampf auf der I a v o r z n k a und die blutigsten Osterangrisfe der Russen tapfer aus, kamen hierauf an den Lnjestr unter Pflanzer-Baltin, zur Forcierung des Flusses, wehrten eine w�tende Kosaken-Attacke am 11. Juni ab und griffen am 13. den vielfach �berlegenen Gegner befehlsgem�� an. An der Spitze des Bataillons fielen Major Richter und die Hauptleute Haas und Hartlieb. � Das �sterreichische Feld-j�gerbataillon Nr. 20 h�lt fast seit Bestand mit dem 3. Magdeburgischen Infanterieregiment Nr. 66 besondere Kameradschaft, obgleich die Truppen sich i. I. 1866 best�rmt haben.
1) Von der Zeit, in der das Bataillon auch aus der Furlanei sich rekrutierte, haben sich bei der Truppe eine Reihe von italienischen Liedern erhalten. Am galizischen Kriegsschaupl�tze entstand unter unseren friaulischen Reservisten folgendes Lied:
Una giornata del 26. Agusto il Terzo corpo (3. Armeekorps)
in marcia se n'and�, Pena arrivato ai nostri confini, la menagia si miner� mangiar Non abbiams ne ben terminato, le granate sentimo a frisciar.
Il commandante del nostro bataglione un arllarme lui ci commando. II ne disse: corraggio corragio, che 'n ajuto suoi dobbiamo andar II so! ajuto delle nostre riserve t utti quanti dobbiamo solvar Ognitanto mancava el'amico ogni tanto mancava qualdie d'un E in nella fine rimasto cento soli e i ne dieci saluta il genitor.
sowie auch Italieners, deutsche Antersteirer. Vereinzelt traf ich Tiroler und Tschechen, teils aus der ehemaligen Aadsahrerkompagnie des Bataillons, teils vom Infanterieregiment Ar. 28. Erst sp�ter kamen auch bosnische Kroaten hinzu.
Die Mannschaft stach vielfach ab von meinen unverge�lichen Tiroler Kaiserj�gern. Sie zeigte sich still und gef�gig. Das junge Element herrscht noch stark bei den kleinen, knochigen, braunen Kerlen vor. Vaterlandsliebe und Kaisertreue sind den Naturburschen etwas selbstverst�ndliches- Heimat und Herd ihnen heilig. Viel Wehm�tiges, Halberwachtes, Kindlich-Sinniges liegt nocy in ihren unschuldig-gl�nzenden Augen: ein reines Volk, unbeirrt geblieben von den Umtrieben einiger seiner Intelligenzler- eine s�dslawische Nation, die uns vieles zu geben vermag. Kennt ihr z. B. ihre warme, weiche, inhaltsreiche Lyrik, die wunderbare Versmusik der Vokale und den Rhythmus ihrer Reihen?*) Singen habe ich die Slowenen anfangs selten geh�rt und manche ihrer Kunst-Melodien klingt italienisch,' ja selbst das deutsche Studentenlied �Gold und Silber lieb' ich sehr" hat einen slowenischen Volkstext erhalten?) Die
*) 2>r. R. v. Andrejka hat in geschmackvoller Ausstattung eine Auslese slowenischer Kriegs- und Soldatenlieder nach eigenen Uebertragungen (Laibach, Katoliska bukarna) herausgegeben, die ich in der Hand jedes meiner Leser sehen m�chte; desgleichen den schmucken F�hrer �Denkmale der Kunst in den s�dlichen Kriegsgebieten" von Leo Planiscig (Wien, Schroll).
2) Eine Spezialit�t des Bataillons bleibt das slowenischdeutsche Lied von der Hochzeitsreise des ins Feld abgehenden J�gers, das ich hierhersetze. Es charakterisiert das nationale Untereinander und die Sinnlichkeit unserer Steirer. Die Melodie! ist sehns�chtig, weich und gedehnt � echt slowenisch.
XXXI-2) 17
Wohin werden wir reisen � J�ger du mein
Kam bova rajzala � Jegercek moj Gegen Graz � meine liebe Lisi Proti Graden moja ljuba Liza.
Heute wird's eine lustige Nacht.
Was werden wir essen � J�ger du mein Kaj bova jedla � Jegercek moj St�ckchen Fleisch, meine liebe Lisi Kos mesa, moja ljuba Liza Heute wird's eine lustige Nacht.
Was werden wir trinken, J�ger du mein Kaj bova pila � Jegercek moj Ein Liter Wein, meine liebe List Litro vina, moja ljuba Liza Heute wird's eine lustige Nacht.
Wo werden wir denn schlafen, J�ger du mein
Kje bova spala, Jegercek moj
Auf dem Stroh, meine liebe Lisi
Gor na slamci, moja ljuba Liza
Heute wird's eine lustige Nacht.
Was werden wir tun, J�ger du mein Kaj bova delala, Jegercek moj Kleines Kind, meine liebe Lisi Malo dete, moja ljuba Liza Heute wird s eine lustige Nacht.
Wie werden wir es nennen, J�ger du mein Kako ga bova zibala � Jegercek moj J�gerskind, meine liebe List Lovsko Adete, moja ljuba Liza Dann ist das Lied auch schon gar.
sonore Sprache ist mit deutschen (vorab soldatischen) und auch mit italienischen W�rtern reich durchspickt und viele Soldaten sprechen noch die eine oder andere Nachbarsprache. Das verf�hrt uns leicht im Urteil.
Wie oft und wie gerne habe ich in der Folge mit den slowenischen Jungen verkehrt und im stillen mich gefreut, wie geschickt sie denken, wie selbst�ndig sie f�hlen und wie klar sie urteilen k�n-
nett. Sie haben etwas von der Festigkeit und dem Pflichtbewu�tsein der Tiroler Bauern. Von s�dl�ndischer Heftigkeit versp�rt man nicht viel, von besonderer Abneigung gegen deutsche Sprache und Kultur nichts. Die t�rntner und (teurer Slowenen verstehen durchweg etwas von unserer Sprache und die Krainer sehen bald ein, da� ihnen die Kenntnis des Deutschen nur vorteilhaft sein kann. Mit dankbarer Gesinnung nehmen sie die Bem�hungen der Offiziere entgegen. Da hat das Milit�r eine kulturelle Aufgabe. Bis vor wenigen Jahren, so erz�hlte mir ein Slowene, gail es in feinem Dorfe als fortschrittlich, deutsch zu lernen, bis pl�tzlich dieser Fortschritt bei Gewissen s�st wie ein nationaler Betrat geoeutet wurde. Auf ihre politischen Ideen ausgehorcht, empfindet man eine Unsicherheit und Uneinigkeit, die bei der kleinen Nationalit�t nicht erwartet wird. � Innigster Anschlu� an das Reich und seine gro�en Ziele unter Ausschlu� Der tmberfprechenden pers�nlichen Interessen wird auch politisch die Slowenen st�rken. Wien mu� auch ihre, aller V�lker Oesterreichs Hauptstadt werden!
Bacon wollte den Charakter des Menschen am besten erkennen: in der Vertraulichkeit, in welcher jeder Zwang f�llt, in der Leidenschaft, die �ber Grunds�tze hebt, und in einem Falle oder einer Versuchung, in welcher der Betroffene von feiner Gewohnheit im Stiche gelassen wird. In alle drei M�glichkeiten hat der Weltkrieg un|ere slowenische Nationalit�t gebracht und ihr Volk als solches hat sie, allen Verlockungen und Verl�sterungen wie zum Trotze, gl�nzend bestanden.
Wir Deutsch�fterreicher werden dem slowenischen Volke, wie allen unseren S�dslawen, aus nationalen und politischen Gr�nden schwer ganz gerecht. Das haben die Schwierigkeiten in den sprachlichen Grenzgebieten und die Haltung der Sudslawen im Balkankrieg nicht beifer gemacht. Ob nicht unsere S�dslawen als Vermittler unserer kulturellen unb wirtschaftlichen Politik am Balkan berufen w�ren? Wir Deutsche bem�hen uns wohl auch noch zu wenig, unsere �berragenbe Kultur ben anberen, erwachenben Nationen unb Nationalit�ten in angenehmer unb anpaffenber Art anzu-biebem, wir glauben noch immer zu wenig an bie eigene Kraft, bie �sterreichische Qnbivibualit�t harmonisch ausbilben zu k�nnen, obgleich entgegen ben Anschauungen unb Reben ber vielen unwissenden Au�enseiter wir in der Entwicklung des ausgleichenden Defterreichertums, wie ja gerade ber Krieg beweist, schon soweit fortgeschritten ftttb, da� z. B. ein R. v. Kralik den vielsprachigen Donaustaat gerabezu als Vorbilb f�r ben nahenben Weltbunb hinstellen b�rste.
Mit einer neuen Kompagnie hatten wir alsbald zum Bataillon zu sto�en. Der Truppentransport ging anstandslos vonstatten. 3n einem alten 3.-Klasse-
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Kasten sa�en wir Herren und lie�en uns keine der
Unannehmlichkeiten anfechten. Die auf den n�chsten Wagen geladene Fahrk�che dampfte und braute ihren �Schwarzen" f�r die Mannschaft, fo da� wir in der 3uli-Hitze bald selbst danach Gel�ste bekamen und uns vre Zunge verbrannten. Aber der ebenso witzige, wie
f�rsorgliche Bataillonskommandant Hauptmann H r
hatte Besseres f�r uns bestimmt, und so a�en und tranken mir immer noch eins und lie�en den k�stlichen Humor perlen, bis der Schlummergott uns endlich die harten B�nke als leidliche Liegest�tte anempfahl und wir im Traum an der erhebenden Aede weiter spannen, die der Ersatzkompagniekommandant zum Abschied am Dorfplatze in ergreifender Feierlichkeit gehalten hatte. �Die Zwanziger J�ger siegen sterbend und sterben siegend . . .�
Ilm 1 Uhr nachts erreichten wir die Endstation, waggonierten die Kompagnie aus und marschierten an den Bestimmungsort: ein kleines slowenisches Dorf in der Moorgegend Laibachs. Endlich war alles untergebracht. Der liebensw�rdige Oberleutnant Iaroslav
W y, sonst Bankier in Br�nn, teilte mit mir
eine armselige Bauernkammer, in der uns nur zwei Strohbetten zur Verf�gung standen. Und darauf schliefen wir sogleich.
Fr�hmorgens trieb uns der Dienst, die Aufstellung des Bataillons, aus dem Stroh. Eine Kompagnie unter
Hauptmann 3 ch, die 14 Tage am Plateau von
Doberdo im Trommelfeuer gelegen war, stie� zu uns und wu�te manches von der S�dfront zu erz�hlen. Das Bataillon war nun vollz�hlig und wurde als
Gebirgstruppe aufgestellt und ausger�stet. Das Sehenswerteste kam, als statt der Trainwagen und Fahrk�chen Tragtiere und Feldk�chen auftauchten. Die kleinen, sehnigen Pferdchen entstammten, wie ihre W�rter, den bosnischen L�ndern und hatten schon den serbischen Krieg mitgemacht. So manches Tragtier hatte einen Schu� mitbekommen und war erst wieder aus dem �Spital" entlassen worden. �Bosnijazkipferdel klettern wie Kah." Ihre Begleiter sind nicht minder beachtenswert. Kleine, schwarzbraune Kerle, bald in heimischer Tracht, bald in Uniform, zumeist von beiden etwas, jederzeit eine �Selbstgedrehte" zwischen den braunen Lippen, und den roten Fez tief in der gefurchten Stirn, leben sie h�chst einfach und gen�gsam, gehen und schlafen neben ihren Tieren und k�mmern sich nicht weiter um Krieg und Bataillon, oder etwa gar um Arbeit.
Bei einer feldm��igen Schie��bung in R . . . . ereignete sich eine Episode, die mir zur Kadettenernennunq �verhalf" und schon deshalb nicht verheimlicht werden darf. Aus wei� Gott welchem Grunde war n�mlich ich bei der Transferierung wider Erwarten nicht zum Kadetten bef�rdert worden, was mich ��lteren Knaben" selbstredend etwas wurmte. Nack� genannter Uebung also, die einigen Sckwei� kostete, bestimmte Hauvtmann . . . r mich als den Rangsj�ngsten ..auch noch" dazu, f�r das Mittagessen in Eile zu sorgen. Das geschieht dir, sagte ich in dem ersten Nubebed�rfnis zu mir. weil du nicht ernannt bist. Zu allem Ungl�ck hat noch das slowenische Nest vier Gasth�user nebeneinander stehen. Also in welches? Die Antwort kam zwischen Nelkenbuschen aus dem Ersten-stockfenster der saubersten Gostilna. von dem aus jemand ,.,Gospo-diena" (Fr�ulein) rief. Und richtig stand im Aauseinaang ein braunschwarzes M�dchen, das seiner ah tilgen Nasse und seinem f?�nerlichen Stande alle Ehre antat. Mein Entschlu� stand fest: bet diesem Wirtst�chter! wird eingekehrt', vielmehr rief ich schon �Gospodicna, gospodiena", in meiner Vhiloloaenweisheit �berzeugt, das Wort bedeute Iofefine. (Mit der Transferierung war mir n�mlich nicht die Kenntnis der Bataillonssprache mitaegeben worden). Endlich b�rt mich die Dorfsch�ne und mit der Sprache der H�nde verdeutsche ich ihr meine W�nsche. Wir finden mitein-
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ander Brath�hner, Salat. K�che. Keller und Speisezimmer. Alles
Vc ? heroerichtet. Mit unbewu�ter l�ndlicher Anmut.
Sckelmisch l�chelnd dr�ckt pl�tzlich die Slowenin den Hebel am Orchestrum, dort im Dunkel der Stube und ein einschmeichelnder Walzer wdelt heraus. Und schickt sich an, m gehen. Oho. Schlanqerl, fckt mtrb wirklich aetan^L, hopp, hcwp! Und mit ihrer schelmischen Schwermut dreht sie sich wie ein Stadtkind in der Stube herum "Eoh> Da schaut's den D. an!" Wer st�rmt herein? Schon
fiat der Wiener Leutnant H..........l mir das M�del weg und l��t
sie nach vielem Drehen in die Arme des K�rntner F�hnrichs P. ck Seiten. Das sind schon die richtigen, da hab' ich das Nachsehen und Den Spott. �Na. das kann auch nur so einem armseligen �Kassee"-awiranten passieren", murmelte ich unwillk�rlich vor mich hin .Meinst. es w�re an der Zeit. Kadett nt werden?" fragt wie boshaft Hauptmann A r. Und n�chsten Tages stand'meine Be-
forderunq im Befehl. Ein Zufallstreffer?
Weil aber die Herren S) l und P.ck meine Eroberung
w ungeb�hrlich f�r l.ch ausbeuteten, meldete ich mich mm Heim-Marsch als Oueue-Offizier und holte das Tanift�ndlein mit der schm^'�tiaen Schwarten orbenffi* ein. freilich ein Tanz ohne Worte
Wir wurden bald marschbereit und das neugierigste Gespr�ch in der ebenso primitiv-dekorativen, wie vortrefflich gef�hrten Offiziersmesse im freien unter dem fraglichen Schutze eines �berschattenden Baumes drehte sich stets um den Tag und das Ziel des Abgan-ges. Das stille, behagliche Lagerleben, die friedliche Landschaft, der leise, ferne Kanonendonner und die tagt�glichen Kriegsmeldungen von vorne � das d�uchte uns selbst unverdient zu sein. Der Tatendurst und das Ssterreicher-Bewu�tsein rief uns an die Front.
Nur unsere, aus den von Galizien gekommenen Resten des Bataillons zusammengesetzte Kompagnie blieb schlie�lich noch zur�ck, weil sie sich als tyvhusver-d�chtig erwies und deshalb die Kontumaz dar�ber verh�ngt wurde. Wir neue Kommandanten, Leutnant Levin K----------------r aus G�rz, F�hnrich i. d. A. Franz
K ... k aus Radauh, sonst Kulturingenienr, Kadett i. d. R. Hans M tsch, Grazer Sparkassen-
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beamter, Desider 6 ... c 3 aus Arad (Ungarn), ein angehender Bankbeamter, und ich (F�hnrich 3 .
ch, �sterreichischer Lloydkapit�n, verlie� uns bald),
waren also 3iemlich besch�ftigungslos. Schon um der Langeweile 31t entgehen, nahm ich den aufgetragenen Dienst eines Menagemeisters gerne auf mich. Meine Tiroler Kameraden w�rden 3war schmunzeln, wenn sie jetzt ihren Literaten und B�cherwurm allmorgendlich mit unserem tschechischen Koch, dem Titularunterj�ger Topka, nach Laibach 3ur Fassungsstelle, Gro�-Menage und auf den Markt kutschieren s�hen. Aber ehrlich gestanden, mir macht auch solche Besch�ftigung Spa�, umsomehr als schon heute einige Kunst ba3u geh�rt, meinen genu�freudigen Herren 3usriedenzustellen. Da� auch das eine oder andere Mal statt des Meisters unserer K�che ein resches Krainer Fr�ulein die Z�gel f�hrte und sogar schon die leichte Kalesche samt dem schwer erstandenen Feinmehl aus der Milit�rm�hle eines fremden Korps, samt ihr und mir in den Stra�engraben kutschierte, geh�rt offenbar 3U den Freuden eines angestrengten Proviantoffi-3iers. Aber davon erfahren meine Kameraden nichts; sie freuen sich still und laut, da� ich ihnen die viele Arbeit f�r ihre letzten leiblichen Gen�sse vor dem Abgang an die Front abgenommen habe, indes sie unseren Sieg von Warschau feiern, und sich pr�chtig in Laibach beim ..Trattnik" und seiner Zigeunerkapelle usw. unterhalten k�nnen.
Nun solls zum Krieg ins Welschland gehn.
Wei� Gott, ob wir uns wiedersehn!
Slowenisches Volkslied auf Radetzky, �bersetzt
von Dr. R. v. Andrejka.
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Zum Isonzo (zur Soca)
Nochmals nun schenket ein dunkelnden edlen Wein.
Auf des Er^berzogs Ehr' � Oesterreichs Wehr!
Wehrmannslied von V. Vod-nik, �bers, v. Dr. R. v. Andrejka.
Aus ist es mit der Kontumaz, gottlob, und so aeht cs endlich ins Feld. Die ganze Kompagnie, die stillen Slowenen und die sanglustigen Friauler, alle sind froh-auf. Blumengeschm�ckt, marschieren die J�ger, singend
durch das Dorf 6 zum Bahnhof von L 3eder
Soldat war noch gestern abend zum BierlrunK tnif Zigaretten, Z�ndern und Taschenk�cherl von den Damen eines �erm�glichen Gutsbesitzers und Quarkierherrn unseres seingebildeten, fr�heren Kommandanten Hauptmann E . . . . r beschenkt worden. Aeute trug ieder das schwarz-gelbe B�ndchen, das das Packerl zusammengehalten, als fliegend Zeichen seiner Gesinnung an der Kappe. Der frohe Opfermut f�rs Vaterland dieser einfachen Burschen hat denn auch so manchen dort am Bahnsteig bis zu Tr�nen ger�hrt. Die Fahrt von L ging flott von statten. 3n der Mittagsstation konzertierte gerade am Bahnbof die Kapelle eines bosnischen Regiments und unsere Tragtierf�hrer, Bos-niaken, waren nicht wenig stolz auf ihre hochst�mmigen, kindlich-schonen, glut�ugigen Landsleute. Der Abend brachte uns in ein Gebirgsdorf, das von Milit�rKom-manden und Anstalten �berv�lkert war. Regelm��ige Sanit�tsz�ge, aus ehemaligen Salonwagen gebildet, rollen von hier. (Die welsche Artillerie kann n�mlich trotz all ihren M�tens der T....... Bahn nichts an).
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Die in viereckige Zelle untergebrachte Gebirgsb�ckerei verbreitet einen mehligwarmen Duft. Alles schafft noch nachts in dem elektrisch beleuchteten Orte. Das stetige Kanonenbrummen best�tigt, da� wir nun wieder nicht mehr weit vom Schu� sind.
Die Soldaten kampieren im Freien, wir Zugskommandanten liegen in einem Heustadel, nachdem ich noch im Nachbardorf eine neue Marschkompagnie unserer Feldj�ger aufgesucht und meine drei Tiroler Kriegskameraden angetroffen hatte. Sie luden uns alle zur n�chstt�gigen Offiziersmesse ein, und ich wollte noch einmal �tirolern" mit dem �labfrischen" 3.. s und dem bed�chtig drastischen Prem, wohl auch wie zum letztenmal zu einem guten Leibenfrost-Tropfen das weich-mutige Lied der Auswanderer h�ren: O Land Tirol, mein einzig Gl�ck � aber der morgige Befehl vom Felde bestimmte: sofortigen Abmarsch in die Stellungen.
So ward gepackt und aufgebuckelt und schier frohgemut durchs Dorf marschiert. Bom Friedhof schaute ernst und mild eine Kaiserb�ste herab und wie zur Defilierung hatten die zahlreichen russischen Gefangenen � nunmehr Stra�enarbeiter � sich ausgestellt: stramme Kerle, von denen so mancher sich schon die Sprache des Landes angeeignet hatte. Der und jener gr��te schneidig und ebenso freundschaftlich ward geantwortet.
Entlang der gro�artigen Hochgebirgsstra�e �ber den . . . .-Pa�, die nach dem popul�ren F�hrer der unersch�tterlichen S�dwest-Armee, Erzherzog Eugen, ihren Ehrennamen erhalten soll, laufen die Telephondr�hte, die einfach an �stenleeren B�umen h�ngen. Oueltbrunnen sind blo�gelegt und �berraschen den Karst-
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l�nder durch ihre frische Gabe. 3n vielem erinnert Gegend und Tal an Sexten und die Dolomiten in Tirol, wo wir auch den Welschen die Stirne bieten. And wie dort, so wird auch hier der gr��liche Krieg, der unsere sch�nsten Grenzgebiete verw�stet, f�r diese einige Vorteile bringen. 3m kleinen infoferne, als die slowenischen Ortschaften aus ihrer bisherigen Abgefperrtheit heraustreten und sich entfalten k�nnen, so z. B. die oberen Gebiete der Sawe mit denen der Soca Verbindung
finden, da� selbst das eisenbahnferne F zu neuer
Bl�te aufwachsen und zum nationalen Bollwerk gegen die Welschen erstarken wird. Die pr�chtigen neuen Stra�en, an Stelle der jahrhundertalten Saumpfade, werden im Frieden aber auch den gro�en Verkehr und Fremde anziehen, letztere sei es, um die Naturpracht � ich erinnere an den Triglav und Krn � zu beschauen, sei es um die St�tten des Kampfes zu besehen oder wieder aufzusuchen. Es ist nur eine Sache unserer Fremdenverkehrsverb�nde, die Reisenden aufmerksam zu machen, f�r zahlreiche und eigenartige Unterk�nfte und k�stliche Erinnerungen haben wir indes schon selbst gesorgt. � Ob in so kurzer Zeit des Friedens der Bau solcher Hochgebirgsstra�en �berhaupt m�glich gewesen w�re? Hier schaut man wieder den Willenserfolg und die Macht des Einigen, durch welche einst die ewigen Pyramiden und Pal�ste aus dem Boden gewachsen waren. Wie hat man noch vor Jahresfrist die Versorgung einer hochgelegenen Schuhh�tte (wie z.B. das Berliner Haus im Zillertal) bestaunt und bezahlt! And hier werden Divisionen mit Verpflegung, Ausr�stung, Munition, Baumaterial usw. t�glich neu gleich denen in
der Ebene befriedigt. Ja, noch mehr; denn der Gebirgs-krieg stellt h�here Anspr�che und verbraucht gewaltigere Masten. Hier wandern jetzt zu jeder Zeit Mensch und Tier, bepackt und gefechtsbereit, der �tztaler, der Sohn der Pu�ta, wie der der Pinie, und der Moslim, hier knarren nun �landes�bliche Fuhrwerke" und knattern Autos. �
Die fortschrittlichste Einrichtung unserer Stra�e bleibt die Drahtseilbahn, die in zahllosen S�cken Material, Proviant und Post bef�rdert. 3n einem solchen Umfange (17 km), System Bleichert, und auf solche H�hen hat es derartigen Transport wohl noch nicht gegeben. (3m Bereiche der Karnisch - 3nlischen Alpen bestanden laut �Karn.-3ul. Kriegsztg." schon August 1916 Seilbahnen in Gesamtl�nge von 110 km, bei H�hen�berwindung von 24 000 m, die t�glich 40 000 kg bef�rdern k�nnen).
Unsere Soldaten bestaunen nat�rlich die vielen Tausende von Russen, unsere rotbekappten Arbeiterko-
lonnen, die B�ffel in den 3�chern, die Breite und die langsame Steigung der Stra�e, die zahllosen Serpentinen, die aus dem Boden gewachsenen Barackend�rfer, die Architekt-Riml-Billa, kurz: all die fertigen und halbfertigen Unternehmungen und dr�cken ihr besonderes Wohlgefallen �ber das Drahtseil aus; denn das Selbstschleppen verbraucht die besten Kr�fte und auf eine sturmfeste Deckung, auf gute Kost, Tabak
und raschen Postverkehr h�lt der Mann viel,
wenn er in Stellung liegt und es �ber ihn und um ihn pfeift und zischt, ohne da� er selbst was
tun kann. Wenn es da gar nichts mehr zu knuspern, rauchen und lesen gibt, mu� ein Spa�-
vogel die Stimmung in der Stellung reffen, und den haf nun freilich jede Kompagnie.
Unserer hei�t Cestar, iff Patrouillenf�hrer, �eigentlich� Kleidermacher, ein kleiner, schwarzer Kerl, stets mif Humor und mif einigen Einf�llen belasset und selbstredend allseits beliebt. Dabei dienstbeflissen, geschickt und zuvorkommend. Seine Spezialit�t hat er im Nachahmen von Tierstimmen erreicht, und da �bertrifft
ihn keiner, selbst nicht der saloppe K...................r,
der sonst nicht gerade arm ist an Stimmmitteln. Dieser Cesfar begn�gt sich nicht damit, sofort nach dem Korn-mando ..Abgeblasen" zu kr�hen, da� alles lacht von der Tete bis zur Queue, er mu� auch in jede der Taxen-b�ffen und Zirkuszelte gucken, die allseits aufgestellt sind, jedem vorbeigehenden M�dchen eine Freundlich-Keif sagen � es sind sowieso seine letzten � und unser kleinwinziges Eselgespann hochleben lassen. Aber wir hatten es ihm gesagt und nun kam es, da� der gute Cestar mif seiner R�stung dem Weg nicht mehr recht nachkam, als es h�her und h�her ging unb wir erst zu Mittag in echter Augusthihe den Pa� erreichten. Wie aber die Suppe in den Kochkisten brodelte und Gerste und Fleisch auftauchten, war allseits die M�hseligkeit vergessen, und so ging es nachmittags wieder flott weiter bis in ein kleines (nach den hier �blichen b�uerlichen H�ngematten benanntes) Dorf, wo im Freien kampiert wurde. Da� ich mich selbst auf eine Sanit�tsbahre legte, b��te ich lange am eigenen R�cken.
Der dritte Tag verlief halbwegs behaglich. Mittags stationierten wir knapp vor der Gefahrzone bei einem Kommando, des Nachts ging es endlich in die Stellung.
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Diesen letzten Marsch werde ich wohl lange nicht vergessen. Ich hatte den Train und die Bedeckung unter mein Kommando erhalten und bildete den Schlu� des
um eine S J�ger-Kompagnie von Hauptmann
v. P i und Leutnant v. G r verst�rkten
Marschzuges. Dunkel war es und regnerisch, die Mannschaft etwas nerv�s und angesichts der nahen feindlichen Batterie, die Tragtiere unruhig. Nat�rlich kein Licht und m�glichste Stille. Nach wenigen Schritten wirst schon eines der bosnischen Pferdchen seine Lasten ab, ich jage den Met-bereiter an die Tete, da� sie halte. Endlich ist das Tier wieder ausgepackt und langsam schiebt sich mein Zug � eine lange schwarze Linie � weiter vorw�rts. Lasten-Fuhrwerke, Sanit�tswagen mit totkranken Kriegern kommen uns entgegen und erschweren den Marsch; Reiter sprengen heran und Fu�geher schleichen fast unbemerkt an uns vorbei; wie oft bin selbst ich da angesto�en, wie oft drohte ein Tier abzust�rzen! Unheimliche Lichter brennen jenseits des Baches, Scheinwerfer leuchten ins Gesicht, Gesch�tze dr�hnen ferne. Schlie�lich rattert noch ein Lastauto heran und gef�hrdet den ganzen Train.
Mieder einmal steht der lange Tro�. Wo stockt der Berkehr wohl diesmal? Ich werde vorgerufen. �Servus, Servus!" begr��t mich eine bekannte Stimme. Und eine Flasche dr�ckt mir einer in die Hand. Es ist der weltweise Bataillonsadjutant Oberleutnant H.... 9, der mit aller Feinbildung eines Akademikers etwas auf einen guten Tropfen und Bissen h�lt. Ich war auch durstig genug und schon vom Regen durchn��t.
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Wir sind am Fu�e unserer Stellungen, krabbeln die Steige und Stiegen hinauf, und nach mehrst�ndigem Suchen und Schanzen liege auch ich in meinem Erdloch an der Soca.
Wir Unterirdischen
Nor F...... August 1915.
Ich verschliefe mich in meine Erdh�tte, um von den n�chtlichen Aufregungen auszuruhen. Aber Ruhe gibt es hier nun einmal nicht, liber meinem Dache sausen und fauchen die Geschosse der schweren welschen Kaliber, und beiderseits neben meinem Unterstand arbeiten meine braven Feldj�ger mit Krampen, Schaufeln und Spaten in der Erde; denn wir m�ssen uns mehr und mehr vergraben, d�rfen uns noch weniger als ein Maulwurf verraten und k�nnen uns nicht genug vor Wafser und Unwetter sch�tzen.
Mein �Heim" steht noch im urspr�nglichen Zustande da. Zuerst mutz die Mannschaft ihre gesicherten Deckungen erhalten. Zwischen diesen erhebt es sich nun in der Linie �ber dem Hang und f�llt gerade unangenehm auf. Die Welschen halten es f�r ein Magazin und s�hen gerne, wenn es samt Inhalt in die Luft fl�ge. Na, prost Mahlzeit.
N�her angesehen, verr�t es sich sogleich als ein Teil unseres Laufgrabens, der sich hoffentlich in B�lde vom �S�dkar" entlang des Fu�es unseres �H�gels" durch das weite Becken bis zum �Nordkopf" ziehen wird. Der Laufgraben wurde nur �berdacht und um eine Erd-
bank verbreitert. 1.70 Meter hoch, 3 Meter lang und (einschlie�lich der Bank) 2 Meter breit, ragt der Unterstand zur H�lfte �ber den Erdboden hinaus. Die Br�stung besteht aus Aasenziegeln und ist mit drei Schie�scharten, die durch Holzscheiter �ausget�felt" wurden, versehen. Drin liegen Tag und Nacht mein Stutzen und meines Dieners �Pufchka", Mannlicher, Modell 95, noch ganz neu und deshalb noch hart handzuhaben. Zu beiden Seiten protzen Erdtraversen, einen schmalen Ausgang lassend. Die obere R�ckwand ist mit Reisig und Laub notd�rftig zugedeckt. Das Dach selbst, parallel laufend mit der Richtung des H�gel-Abhanges, besteht aus groben St�mmen, Bl�ttern, Erdreich und Aasenziegeln.
Weniger Wert und Sorgfalt haben die Baumeister auf das Innere meines �Hauses" gelegt. Die H�lfte nimmt der Gang ein, gleichzeitig als Sch�tzenstand dienend. Der andere Teil, die Erdbank, gen�gt zum Sitzen, Liegen und Aufbewahren der Habseligkeiten: Ruck-und Brotsack, Kartentasche und Feldstecher; endlich die sich zeitweilig einstellenden Leckerbissen und Getr�nke in Menageschalen und Feldflaschen.
Glaubt es mir nur: es ist ein recht dreckiges Nest, das weder gegen Wind und Wetter noch gegen all die vielen feindlichen Absichten guten Schutz gew�hrt, ein Maulwurfsloch, das fr�her drei, jetzt mir und meinem �Putzpemfel" (d. H. in der Amtssprache: meinem Putzer) Unterschlupf und Schuh bieten soll. Aber es ist nun einmal mein Heim, in dem sich einstweilen mein ganzer Alltag und noch �fters meine durchzuwachenden N�chte abspielen.
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And es entbehrt nicht der Poesie.
Ged�mpft spielt sich des Tages das Licht zwischen die Tannentaxen in die Erdh�hle hinein und wirft Figuren umher, die nur eben erst ein richtiger Erdbewohner mit tieferem Verst�ndnisse verfolgt. Des Nachts schie�t das grelle Licht der Scheinwerfer mir ins Haus, blendet die Augen und reizt die Phantasie. Der Wind kegelt und kitzelt die Tannennadeln ins Gesicht. 3n den Schie�scharten spazieren unbesorgte Ameisen einher, besteigen die Gewehre, belecken die einge�lten Eisenteile, besichtigen den Lauf und ziehen sich, �rgerlich �ber die Anbewohnbarkeit dieses menschlichen Schmiedwerkes, wieder zur�ck. K�fer und Erdfl�he pilgern in der Abflu�rinne des Ganges, baden sich und stillen dann auch noch ihren Durst. And wandern hinauf zu mir auf die Erdbank, zwischen die Farnkr�uter und das Zelttuch, �ber Decke und Mantel, besudeln also mein Bettzeug und bei�en sogar versuchsweise bei mir an.
Unbeschreiblich f�r einen Hinterw�ldler bleibt meine H�hlen- und H�llenmusik. Der Instrumente sind viele bei dem wirklich europ�ischen Konzert; denn unsere Begleit- und Konkurrenzmusik der Herren Welschen hat zuerst auch mit �sterreichischen, dann so nebenbei gleichzeitig mit franz�sischen und englischen, nat�rlich auch mit amerikanischen Geschossen uns aufgewartet. Was sie jetzt in gro�er Menge mit ihren technisch hervorragenden Maschinen auf den Markt bringen, ist zwar fast nur Eigenes Fabrikat aus Mailand, aber es ist auch darnach: sch�biges Gu�werk � schlechteste Musik. Also schon die G�te der Fabrik dieser Instrumente spielt eine gro�e Rolle beim Konzertieren. Der
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v. wimmmt* tf** nur�*� In. > h,Mn
italienische Gu�werker z. B. ist zumeist au�erstande, mit seinem Instrument den doch angebrachten Schlu�-effekt zu erzielen: er liefert nur Luftmusik: f�chelt und faucht wie eine Katze. Kommt dagegen ein franz�sisches Bogerl geflogen und jaust singend jaulend, juchend, rollend oder polternd durch die Lust, so musiziert gleichzeitig in entsprechend tieferen T�nen das ganze Heim mit, am l�ngsten das d�rre Laub auf meinem Dache, es fibriert mein nicht gerade �berelastischer K�rper und mein unruhiges Herz, obgleich der gallische Spukteufel schon l�ngst in den Boden gefahren ist und in einem sandigen Sprungregen sich ausgetobt hat.
�n der zwar unberechenbaren un� all�renreichen, aber stets gepfefferten Musik erkennt ein Kunjtlerifch veranlagter uen Fabrikanten, oie 'Art, die vtarke, Dichtung, isieoution uno oen Lrfoig des einzelnen oujtt�iuents, o. h. wenn ihm fein Temperament uno tLyarakler solche ^eirucyiungen ertauben; oenn oie eigene Statur spielt dem anoachtigen Zumutet am unlieb) am|ten mit und oie bo)tiich|ten >xauze oerraten )icy u>ai;reno Oer Wtilletie-Jion-zerte 0. h. in oem ^ausruht uno Wioerstreit des Seibst-eryaitungstnebes unb Des Pflichtbewu�tseins weroen sie eyer von iyren ivewohm-eiten int vticye gela))en, offenouren yeimuche viigen)chaften, vergeben auch ihre Lernen uno ^>eoursni�e u. ogi. m. U-er eine jetzt jem schon oeruhmt geworoenes toejicht auf; ber anbete, obwohl kein totimmbegabter, pfeift uno singt bie ganze Zeit bis zum �aferwweroen; oet orittc kominanDiert wie eine �cafchine unb wettert un� will alles an�ers haben, als es oie teilte ihm macyen. Der raucht wie ein Fabrik-
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schlot und ist doch Anti-Nikotiner, jener steht bald, bald sitzt er, bald rollt er sich liegend wie ein 3gel zusammen und stopft sich die Ohren mit den Fingern zu. 3m allgemeinen ver�ndert sich das Bild freilich nicht sehr. Die meisten hocken still und geduckt da, reden und lachen sogar �ber Gew�hnliches und nur ihre Gesichter, ein Zucken der Nasenfl�gel und Lippen, ein hektisches Rot auf den Wangen, abgerissene Bewegungen der Beine, Arme, Augen und des Haares verraten den schier �bermenschlichen Kamps zwischen Natur und Vernunft, sinnlicher Aufnahme und geistiger Berarbeitung des Vernommenen. Da wettert sich einer �ber den Konzertmeister aus, der andere �ber die Musikanten, deren er sich nicht erwehren k�nne, da witzelt jener zu Bieter Erleichterung und dieser h�hnt �ber alle Teufel. Allen erging es so: zuerst wehren sie sich wie energisch vor dem An-und Einblick der Gr��lichkeiten mit der Bollkrast des Geistes und der Sinne, dann zwingen sie selbst Leib und Leben an den entsetzlichsten Feind. And ihr, liebe Leser, l�chelt vielleicht jetzt �ber diese, euch so klein erscheinenden Menschlein � unsere Helden, obgleich ich euch in vollem Ernste beteure, da� selbst mein schwerf�lligster J�ger, den ihr fr�her vielleicht nur als Produkt seiner Umwelt, ja gar nur als animalisches Lebewesen h�ttet gelten lassen, die vielstimmigen Musiksch�pfungen mit starker Orchester- und Blechbegleitung, trotz seiner musikalischen Unkenntnisse nicht so bald vergessen wird, sollte er, was ich doch jedem von Herzen w�nsche, noch
lebend die Soca verlassen.--------------
Was dem grandiosen Konzert in seiner Furchtbarkeit erst den gr��lichsten Reiz verleiht, die gleichzeitige
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feierliche Ruhe in Gottes gewaltiger Natur, das gro�e Schweigen der fruchttragenden Landschaft, w�hrend alle menschlichen Teufel losbrechen und sich zerfleischen, spielt in der Schlachtensinfonie die tieft�nendsten Gedanken: Menschen, seid ihr wirklich die Krone der Sch�pfung?! Wie weit habt ihr es seit Kain in der Kultur gebracht??
Der verlassene Markt
Mari� Himmelfahrt, 1915.
Vor unseren Stellungen liegt F einsam und
ver�det. Die Uhr am schmucken Kirchturm steht seit Monaten still und zeigt gegen 12. Es geht gegen Mitternacht, Markt!
F�r unsere Unterst�nde brauchen wir Bretter, Ziege! und Einrichtungsgegenst�nde. Wir m�ssen requirieren. Soll all das brauchbare Zeug da dr�ben im Markte verderben?
Also requirieren!
Das Wort hat Klang und besticht. Potz Tausend! 3a, da tu auch ich einmal mit. Was scheren mich die
feindlichen Kugeln, die �ber F zu uns herpfeifen.
K�nnen sie mich nicht auch in meinem Erdloche treffen?
Also, avanti Savoia! ..K r! brauchst etwas?" �
�Fang' mir was Lebendes: ein Hundert oder ein Katzerl." Sonst begehrt der Herr Kompagniechef nichts? 3ch d�chte, er w�nschte sich ein weicheres Bett oder ein porzellanernes Gedeck. Auch recht! �
Durch hohes, sonnverbranntes Gras und �berwucherte Acker, �ber die der Pflug als letzter gewan-
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dert ist, stapfe ich mit meinen Leuten in weilen Bogen au�erhalb des Sichtbereiches den ersten H�usern des Marktes zu. Keine menschliche Spur, kein Leben mehr. Zuerst ein yalbabgedranntes Haus, das niemand mehr auszur�umen sich die Zeit nahm. Endlich der Markt selbst, entlang der Berkehrsstra�e eine stattliche H�usergemeinde mit massiven Geb�uden und kupserroten Ziegeld�chern, ein Bild b�rgerlichen Aufschwunges, der Wohlhabenheit und Behaglichkeit ehrlich und langsam erworbenen Besitztums. Erst vor wenig Jahren ist ein Gro�teil der breiten Marktgassen nach einem verheerenden Brande neu ausgebaut worden und sie bilden jetzt den Grundstock vom Gro�-Markt � nein, von dem gro�en historischen Friedhof aus dem Weltkriege 1915/16, den die liebwerten Nachbarn und jahrzehntelangen nutznie�enden Bundesgenossen als Zeichen ihrer Befreiung im slawischen K�stenland angelegt haben.
Selten hat mich so wie heute das Gef�hl erfa�t, da� unser unehrlichster Gegner nur vernichten und zerst�ren kann, also das harte Urteil seines Geschichtsschreibers best�tigen mu�: �Unter den Italienern sehe ich nur den Mut gewaltsamer Tatsachen; nirgends den des Glaubens an ein gro�es sittliches Ideal .... Es ist keine Gr��e in den Handlungen Italiens." (Gregorovius, R�mische Tageb�cher S. 504 ff.).1) Noch hat der Welsche
i) Wohl oder �bel werden wir Deutsche nun endlich unsere �berschwenglichen Ges�hle f�r Italien eind�mmen und einsehen lernen, da� das heutige Italien mit dem der Antike und des Ri-nascimento, abgesehen von Land und Sprache, sehr wenig gemein hat. Das �geeinigte K�nigreich" � von einem reg erenden Volke in Italien kann man auch heute noch nicht reden � hat freilich
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den Ork nicht betreten; nur sp�hend, vorsichtig, z�gernd, frech und feig r�ckt er gem�� den von Frankreich erhaltenen Lehren langsam an die Grenzen vor, die mir ihm von vorne herein gesteckt haben. Vorsicht ist bislang der beste Teil der welschen Tapferkeit. Aber daf�r schickt er den Schatten des Verder-
jeberzeit gerne bie kulturelle unb k�nstlerische Vergangenheit des gesegneten Lanbes als �berragenben ftintergrunb f�r seine Disharmonie, seine Machtgier, feinen Gro�hunger unb seine stolzierenben Worte gebraucht. Aber gerabe im Wesentlichen steht es im lebhaftesten Gegensatz zu bern beutschen Ibeal eines gl�cklichen Ausgleiches von Kultur unb Seele in ber Einzelperson wie in ber Nation. Graf Ercole Agliarbi stellt selbst fest: �Der gegenw�rtige Weltkrieg wirb als ein Zusammenprallen bes franz�sisch-englischen Kultur kreis es mit bem beutschen aufzufassen sein, unb ba kommt bie Frage, bie am beutlichsten in Amerika formuliert worben ?ft: Welker von ben beiben gro�en Kulturkreisen hat bas innere Recht einer starken Forteriftem, unb welchem m�ssen mir bementfnrechenb vom allaemeinen Stanbpunkte aus ben Sieg w�nschen? Auf bem gro�en Gebiete ber einschl�gigen Debatten ist ein sprinaenber Vunkt ber ber Freiheit. Der in Italien geltenbe Begriff ist aus Enalanb �bernommen unb ist die Willk�r bes fjanbefns innerhalb aegebener rechtlicher Normen. Der Deutsche leitet baaegen ben Begriff aus Selbstzucht unb sittlicher Vinbung ob. (M.-Glabbach. 1914). Dieser zutiefst sitzenbe Welt-anschauunas-Geaensat^ einerseits unb anbrerfeits bas neue verbrecherische Vorgehen Italiens, gleichsam mit Dietrich unb Stemmeisen burdb bie fiintert�re bes engbefreunbeten, aber gerabe be-br�naten Nachbarn einzubrechen versuchen (bas nur burch bie Analogien von 1866. 1859, 1849�48 unb beren mittelbaren Erfolgen in etwa begreiflich wirb) hindern uns nat�rlich nicht, Italiens Kunstreichtum unb Kunstsinnigkeit zu sch�ken unb selbst mitten im Krieg wiber bas Verr�terlanb z. B. bas Erscheinen eines Meisterwerkes wie 5.Die Stabt Nom zu Enbe ber Nenaissance" bes Innsbrucker Gelehrten Frh. v. Pastor zu erm�glichen unb mit Freube zu begr�ben. Dageaen mag bas italienische Volk unsere Gelehrten aus ben Listen ihrer Akabemien streichen, unsere K�nstler von ihren B�hnen verbannen unb unsere Pal�ste berauben � gegen beut-sehen Flei� unb boutfthe Tnchtiakeit kommt Welsckilanb nie unb nimmermehr auf. Wir verfechten tats�chlich h�here Ibeale als fapi' talistisch-wirtlchafWhe Interessen, um berentwillen doch ber Weltkrieg inszeniert worben ist.
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bens �ber die lickten Stra�en mit seinem Feuer voraus, da� die Bauten wie Grabsteine uns anstarren. Kein Leben wohnt ibnen mehr inne, kein Hoffen, kein Freuen, keine Doseinslust. Mas sich noch zu r�hren wagt, ist schon dem Tode geweiht. Fast verhungerte Katzen umschleichen die T�ren und springen, halb �ngstlich, halb gierig, an dich heran. Von der Altane dort bl�hen die Blutnelken �ppig-wild herab bis in den Garten, wo noch Lilien in den Farben der F�ulnis stehen. An dem engen Fenster des Holzh�nschens �berbleicht sich alte Masche im Regen und Sonnenschein eines Vierteljahres und verplaudert ikr letztes Dasein im Mind. Fenster sind im Zorne zersprungen, T�ren frech aufgerissen, Keller zugemauert. 3n selig vertr�umten H�fen lagert alter Hausrat; Wohnungen reden von eiliger Flucht, von H�uslichkeit und Jammer, vom fung-slowenifchen Nationalerwochen und von alter Kaisertreue. Am stolz-steifen Gemeinde-Neubau hat man nur allzu f�rsorglich Eing�nge und Fenster versichert: da wird wohl das Beste zu holen sein. Nur die beiden Kirchen am Gel�nde �ffnen sich dir gerne. Trauernd und fragend schauen die staubbedeckten heiligen auf den fremden Krieger herab, dessen Fl�gel-n�gel an den Schuhen schrill �ber den Steinboden fahren.
Du erschrickst in der kalken Totenstille �ber den eigenen L�rm. ^
3m �Hotel zur Post", einem allehrw�rdigen Hause, sind G�ste eingezogen. Es sind unanaenehme Herrschaften, mit langen Bajonetten und Pistolen an der Seite: unsere Posten und Gendarmen. Kein Mirs will
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sie bebienen, und so m�ssen auch sie ihre Menage von unserer Stellung aus beziehen. Vornehmes Gasthaus, das nicht einmal das Gesinde bewirtet! Ob sie vielleicht nicht doch iraendroo einen guten Tropfen angetroffen haben? Einiges hatten uns die M�use noch finden lassen, sogar Seife, Kerzen selbst! An Obst bersten fest die Baumg�rten und aller Widerspruch der Kontrolle n�tzt nichts: w�hrend ich noch dem Neckten sehe, bot schon einer meiner 3�aer anderswo einen Sack gef�llt. Auch eine Woschsch�ssel, eine K�ckenlompe. Gl�ser. Teller gehen mit. Wos mein Linker tut, darf ich Rechter nicht wissen. Sonst muh iedes kleine St�ck nach Vorweisung des Passierscheines noch quittiert werden. Ob mon wirklich die Eigent�mer wird entsch�digen Kennen? f�llt mir unwill-K'"fl'rh ein. und oleichteifio frage ich ouch schon etwos sp�ttisch, ob auch die Welschen von uns solche Passierscheine erbitten werden, wenn sie es endlich wagen, in den Markt zu kommen. Ob auch sie heimlich in die vielen vollen Kisten und K�sten �ugeln und die goldprohi-gen Uhren und die leckeren Bilder der Dorfickwuen nur beachten werden? Den Gendarmen zu Liebe! Oher ob auch ihre Diener gleich meinem Putzer in aller Eile, indes der Herr �dos Auge des Gesekes" beh�tet. Damenw�sche. temperen� werden zum dr�hnenden Hollo der Kameraden? ....
Wr erwarten diese Eroberer" t�glich und sehen
voraus, datz sie die . Einnahme� von F dann als
aro�en S'eg ausr>os"imen werden. 3m Berichten sind sie ia am Gro�artigsten.
Fast festliche Ruhe flutet heute �ber unserem Kriegs-
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Kessel, in dem es in den letzten Togen arg gebrodelt bat. Der aroke Frauentag ist's, wie wir in Tirol sagen, gleichzeitig Sonntag. Morgen und �bermorgen ist ja and) noch Zeit vor des Kaisers Geburtstag und der K�nigin Namenstag, um nach welscher Art weiterzu-siegen.
Beharrlich zeiat die Kirchenuhr �ber die elfte Stunde hinaus. And schw�ler ist's wie vor einem Ge-wifferstitrme geworden. Arme Gemeinde! Ob deine Bauten schon zu der K�niaht Namenstag im Feuer der Brandgranaten zusammenst�rzen werden?!
Nur Artilleriefeuer
Zehn Taae schon dieses Splitterspr�hen,
Dies Eisenprasseln in den Flammenbl�hen Der Laugen�kten Alpenrosenpracht.
Doch wenn einst die (Entfchetbunqsftunhe d�mmert, Dann hat aus Knaben M�nner es aeh�mmert, Furchtlose M�nner, sturmbereit zur Schlacht
(A. v. Wallvach, Wir brechen durch den Tod!)
Fr�h am Abend wurde schon in der H�tte des Kommandanten aufgebrochen. War's doch dort unluftiger denn je, weil von allen Fugen der Regen herab auf Tisch und Bank, in die zinnernen Teller und Becher tropfte.
Drau�en, seindseits, Ruhe ringsum!
Die schweren Tiroler Bergschuhe darf ich denn doch einmal abziehen und mich auf die Erdbank meiner Deckung legen? Dienst hab' ich ja erst am Morgen.
Und trotz Herzstechen und Nervensibrierung, trotz Schrapnells und Granaten schlafe ich endlich ein, tr�ume in meiner lauten Art von den Symphonien eines heimfahrenden Schnellzuges � die Luftfahrt ^es
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tefefoehfirfen ^frfUlerieoefdiosfe^ erreote verwandte Ge-reinsehe, als ptSM�fb mich eleltfrisd) Sicht blendet und das bekannte Meldegeborsamst!" mich weckt. Hatt' ich verschlafen? Nein, nein! Nachricht vom Feind, der endlich vorzudringen versuchen will?)
Die freiwilligen Iunqftfmhen unb in ber Folqe ein ftonreb* re^iment, unsere Vorq�nqer, batten auf bie italienische Kri^aser-fl�runa bin nicht mehr �eit. f�r unsere voraefckobenfte, sehnn burch hre welfcken ftohenbefeftiaunqen � bie .fSauptu^rteibiqunqsTtnie war erst einige Kilometer r�ckw�rts aebaebt � mebr als einen einsamen Sck��enaraben misiuwerfen, um ben sofort erwarteten ersten Anvrall aufzuhalten. iWie bier. so batten wir Defterreicher entlanq ber anmen (Brenne, um ben trieben mit bem �Bunbesae^ossen" jui erbosten, ntm eigenen aro&en ^nckteHe bnrauf verdicktet. bie �?ren*b�ben non vornherein *u befestigen und beseht *u halten). Da� bie ?tariener trote ihrer zehnmonatlicken Vorbrreitunq unb ihrer nnrteishaften Pnoe �berhaupt nie �ber unsere Vorstellungen hinaus* rrpsanrrpr! m�rben, b�rsten wir Oefterreicker hock beim qro�ten Selbst-bemur?tfein nickt annehmen. Wenn bie Welschen einmal bie ur-fnr�naltchen Verh�ltnisse unserer S�bwestfront erfahren werben, m�ssen sie auffahren vor Zorn unb Besck�muna. inbes sich alle Welt fronen wirb: wie waren bie schwachen �sterreickifch-unaarischen Kr�fte nur imstande, unter solchen Mi�verh�ltnissen bem neuen Geaner nock bie Grenze m biftieren unb biese *u halten? Unb es mtrh hann bie volle Anerkennung f�r bie Leitung, an beren Spi^e ber voffst�mTicke Vrinz Euaen bes Kaufes Habsbura steht, und in ben Karnisck-^uliscken Alpen f�r ben bamaltqen General b. K. v. Rohr unb f�r feinen Generalstabsckes Felbmarsckallleut-nant 6 c o 111 unb besten Generalstabsoberst v. Svikm�ller sich aeltenb macken. In Paranthese bars ich wohl beispielsweise unsere noriaiobriae Vefet^una bes weiten Beckens erw�hnen. Wie qefaat. hatten bie Welschen von vornherein bie ma�aebenben H�hen befestiat. Wir bagegen befa�en selbst auf bem ..Norbkovf". wo bie
Hauptleute B . ... b unb v. V i in Zelten hinter Steinen
mit zwei JMiaen unter ftettaem Artilleriefeuer ben Stellunqsbau be-aannen nicht einmal ein-n f�r ben notwenbiaen Nachfckub brauchbaren Wea. 5ln bem W�lbchen bes Abhanaes steckte Hauptmann
I ch mit Leutnant Dr. A i unb ben F�hnrichen I k,
M ... . b, Tfcb .. i. V o unb 8 a. In ber Ebene hatte sich
.frauptmann W ... y mit Leutnant H l. ben F�hnricken v.
B th unb M...................t bem Aspiranten V .. a unb bem Stabs-
oberj�ger F .... n verschanzt. Leutnant K r mit bem schon
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�Alle Monn R�stung umwerfen und sich bei den Scharten schu�bereit halfen.� Mit einem kecken Sprung bin ich selbst au�erhalb der Feuergarbe
und inmitten einiger J�ger und luge hinaus in
die feindliche Welt. Nebel durchzieht die vorliegende Ebene und bestreicht auch einzelne Gebirgs-stellen. Zwischen Wolken blaue Himmelsstra�en, klar besternt. Bald da, bald dort leuchtet, blitzt und dr�hnt ein Gebirgs- oder Marinegesch�tz auf und saust singend, surrend, pfeifend und johlend die Granate. Mir sieben auf unserem H�gel mitten im Schu�gebiet der Artillerien von vier feindlichen und den eigenen Batterien. Sie befeuern sich gegenseitig. Da fliegen wie von ungef�hr eine, zwei, drei Geschosse an die rechte Flanke unserer Sch�tzengr�ben, vor uns ins Feld, fast auf unsere �Billa d�Annunzio* � das Geh�r vermag
erm�hnten F�hnrich K ... k und Kadetten M............tsch, S cz und
mir (sp�ter famen Oberleutnant Bros ffl mit den Kadetten E.. r, I... s und P . m hin*u) hatte den .fi�qel besetzt: eine Kompaq* nie Lmbacher Landwehr Nr. .. unter Oberleutnant F. � den n�chsten HL'mel, Kote 806. Dazu kam noch eine Maschinenqewehrabtei-lunq unter Leutnant A . . c und ein Marinegesch�tz in der Stellung und eine ^elbfanonenbatterie r�ckw�rts. Geaen diese Vaqa-telle von 1000 Mann maaten bie WeMen ein ganzes Vierteljahr mit ihren Reaimentem unb einer an Zahl sowie G�te �berleaenen Artillerie es nicht, unaef�hr noch 8�10 Kilometer bis zu unserer bamaliqen Stellung sich hinauszuschieben, geschweige denn uns an* ^unreifen. Unb als sie endlich Ende Auauft das teere F belekten und Mitte Sevtember weiter nonubrinaen suchten, wurden sie non der vielfachen Minderheit zur�ckaeschlaasn. verloren aeaen 1000 Mann und waaten seither feinen Vormarsch mehr. Dagegen
sind die Unfrmen noch voraer�ckt. soda� bie Welschen Hinter F......
sich verschanzen mu�ten. An Opfermut unb Ausbauer leistete fraq-los die ..Wf>rbfnvf"=5Wcffeuna das Bewunbemnasw�rb laste. Dorr verdiente ^ denn auch F�hnrich P . ck seine erste ..aroke Filborne" und 3u^sfi�hrer 3 o r n : f b,'e aoTbene Tan^erkeitsmedaille. ^�aer Kern unh V^trouillonf�hrer Fon gleichfalls die gro�e und V a -lentan die kleine Silberne.
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in dem Gesurre zuerst kaum zu unterscheiden, woher, wohin die Geschosse gelangen. Mir m�ssen uns nun doch zur�ckziehen und lehnen uns in dem nassen Sch�tzengraben an die vordere Br�stung an. Dumpf schlagen schon dauernd dort Geschosse in unseren Erd-deckungen auf, f�r einen Augenblick die allgemeine Gefahr beleuchtend. Das Borgel�nde wird von ihnen t�towiert. Geringe! der Schrapnells und Dampf der Granaten kreisen und wirbeln gen Himmel. Der penetrante Gestank nimmt zu. Unsere Gef�hle verstumpfen, indes Gehirn und Puls fiebern. Pflicht, Verantwortlichkeit, Mannesstolz, �bermut und Galgenhumor spielen sich in die H�nde.
�So war's doch nie in Galizien!" brummt ein J�ger, der schon den 13. Monat dient. �Pst! Das war der Vater", ulkt ein anderer �ber einen auffallend dumpfen Einschlag. F�r jedes Gesch�tz hat er schon einen Namen: �Spukerl", �Brummer", �Rollwagerl" und
�Gachzornige." �Die wollen uns wohl gar den 18. August verderben", rechnet ein Dritter aus. Ein jeder kauert horchend und schauend im Erdloch, doch keiner l��t feine Unruhe bemerken. Nicht mucken, heimlich sein und starren Auges beobachten: Wie das beklemmt und schn�rt.
And wieder wird es ruhig und wieder dusele ich auf der feuchten Erdbank ein, obgleich ich meine volle R�stung trage. Nur ein Biertelst�ndchen und die Musik und Beleuchtung treiben mich neuerdings aus. Das Telephon meldet sich, Posten kommen und geben, kein Halbst�ndlein Ruhe bis zum Morgengrauen. Jetzt hast du Dienst!
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Gottlob! N'M rveitz id) wenigstens, da� Id) wach bleiben mu�. Meine Zager bocken m�b unb matt neben ben Pf�tzen ber Gr�ben unb glotzen bicb ffierenb an. Sie find zu lange sckon im Weibe, als ba� sie es beim Artilleriefeuer in ibren Deckungen aushielten. 3eben spreche ich an. iebett r�ttle ick auf unb ziel)' ibm bie Fgnste von ben Schl�fen: sie bfirfen nicht verbumvfen _ 's oeM aeaen Moraen. bie Anariffszeit bes Geaners nabt. Aber roieber einmal wirb nichts daraus, umsonst boben wir in Wachsamkeit bie Martern �ber uns er-gehen lassen.
Die Wallischen wollen uns m�rbe Kriegen! Messen uns wchl nach ibrer eigenen Ausdauer? �
Der �Schwarze" w�rmt unb l��t vieles vergessen. � Die Spuren ber feindlichen Senbungen werben besichtigt, ba gebt ber Teufelstanz br�ben wieder los. Uber dir wimmert, st�hnt, �chzt, schreit unb br�llt es wie i� einer H�lle. Der Boben erzittert. Sprengstficke unb Geller sausen unb surren in ber Luft. Du schiebst dich selbst im Graben vorw�rts, schon fast unbek�mmert, dem Dienste nach, � 's ist ja boch enblich Tag � schaffst Zager zur Arbeit, granatfichere Deckungen unb Verbindungswege zu bauen, kontrollierst bie �Posten roieber, nimmst Befehle unb Botschaften entgegen, i�t, trinkst, schreibst unb schlummerst einmal ein Biertel-st�nbchen � ober bie �u�ere wie bie innere Ruhe fin-best bu nicht, der Feinb l��t sie bir nicht. Unwillk�rlich f�hlst du es selbst schon: hier entscheiden Kompagnie-Schlochten, entscheibet ber Mut, bie Berechnung, Wachsamkeit unb Entschlossenheit ber Zugskomman-banten, hier m�ssen wir Junge Sieger sein.
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Das geht so durch Tage und Wochen. T�glich bist du angrissSvereit, t�glich erwartest du feindliche St�rme, t�glich schreit dir aus hundert Schl�nden der Tod entgegen, horst Getroffene, und stehst Tote � aber nicht svicye, wie das Lheater, die Kunst, die Kriegsberichterstatter sie darstellen; du r�stest dich und ersinnst immer neue Mittel f�r die Sicherung und Verteidigung, spannst an und steigerst alle Kr�fte bis ins Unglaubliche,
lebst selbst kaum mehr.----------
ivurch lochen ieo|t du erb�rmlich und opferst alles Besitztum, um mit oen kostspieligsten Waffen die Hei-Niareroe zu verteioigen, die vielleicht nicht einmal mehr deine armseligen unteoet oecken wird.
Und der bierehrliche Stammgast hinten im Vaterland liest beruhigt: �Aur �rtilleriefeuer."
3n meiner Angerze�
Ende August 1915.
Mit meinem Landsmann Walther von der Vogel-weide kann ich nunmehr im doppelten Sinne von der eigenen Klause singen und sagen.
Gevoren wuroe ich und erzogen weltabgeschieden in der kiausnerlfchen �ngerzell zu Innsbruck, in dem H�uStein am Garten, vormaien Klosteranger, durch des Kaisers �ofef 11. aufhebende tzano zum Botanischen Garten freigetvor�en und durch den Weltkrieg zur Heimst�tte der Kriegswaislein umgestaltet. Nicht ein denkw�rdiges Haus?!
War ein romantisch Idyll einfach-ruhigsten Kinder-lebenS und ist heute der Born meiner innigsten und ro-
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sigsten Erinnerungen, was mir das einfach-unschein-bare H�uschen und der bunte, weite Garten durch das erste Dutzend meiner Jahre geboten hatte. And wie h�ufig un� gerne gedenke ich hier im Felde meiner Heimat, die ich mir nunmehr wieder erwerben mutz, um sie vollends zu besitzen. Wenn ich jetzo das ehrw�rdige Lied vom K�nig am Rhein � mir Alt�sterreicher doppelt ehrw�rdig, seit ich die westf�lischen �berlieferungen kenne � vor mich hinpfeife, so setze ich alle Andacht des Herzens ein, ehoor ich zur Schlu�strophe komme: (<3ch weih, wo ein H�uschen ...�
Und nun sitze ich wieder in einer Klausnerischen An-gerzeU, die ich mit eigener Hand erbaut � weit weg von der Heimat und all den Liebsten, mitten im Krieg und Verderben.
Und sie ist mein alles: Der Sitz meines Kommandos, die Amtsstube, das Depot, die Auskunftei und das Unterhaltungslokal meines Zuges. Sie ist mein haupts�chlicher Aufenthaltsort, mein Besuchs-, Arbeits- und Schlafzimmer. Und sie geh�rt mir nicht einmal allein. Ein um sechs Jahre j�ngerer Tiroler Kamerad, der uns schon bekannte Theodor 3... s, liegt neben mir auf dem Stroh und unter uns lagern unsere robusten Burschen zur Schlafenszeit.
Das mu� ja eine weitl�ufige Zelle sein?! Nun: drei Meter breit, f�nf Meter lang, 1,70 Meter hoch ist sie und gleicht einer Almh�tte, die eben in die Erde versenkt wurde. Zwischen den gro�en St�mmen der W�nde steckt Heu und Stroh und �ber dem Dache und der Pappe liegen dicke Rasenziegel. Kleinere Granaten halten sie tadellos auf. Bor gr��eren soll uns die Au�en-
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deckung, vorab der Waldrest sch�tzen, in dessen Mitte die H�tte eingebaut werden mu�te.
Die Einrichtung entspricht gleichfalls der einer Almh�tte: Schr�gen mit Stroh zum Schlafen, rohe B�nke und ein wackeliger Tisch, einige Wandbretter, Flaschen, Gl�ser, eine Waschsch�ssel, eine halbzerschlagene Lampe, unsere Waffen, Zeltt�cher, Decken, Ruck- und Brots�cke.
Alles fein geordnet und gepackt � stets marschbereit.
Durch die Fugen pfeift noch der Wind und auch der Regen findet leicht in der Ecke beim winzigen Fenster Durchla�, aber bald ist die Winterdeckung fertig und wir brauchen nur mehr mit dem Feind uns zu einigen, ob wir hier auch verbleiben.
Signor Italiano ist gegenteiliger Gesinnung und l��t uns t�glich weniger Mu�e, unsere Heimst�tte auszubauen, beschie�t uns mit Granaten, r�ckt mit Patrouille versuchsweise fast bis in unser Schu�feld vor und geb�rdet sich angrissslustiger denn je. Nur zu, mein Herr!
Der welsche Ungest�m l��t mir aber etwas wenig Ruhe, zwingt zur oftmaligen Inspektion der Borposten bei Nacht und Tag und raubt den Schlaf. Der Nachtdienst und die Artillerie gehen auf die Nerven, mehr als der offene Kampf.
Der zweite Nachteil zeigt sich zur Essenszeit. Die K�che mu� weit zur�ckverlegt werden, die Speisen kommen unregelm��ig und meist kalt in den zinnernen Schalen, die den besten Geschmack vorweg nehmen. Ansonsten ist ja unsere Berpslegung gl�nzend. Morgens Kaffee mit der Mannschaft und einen halben
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KommiSlalb (..Kaisertorte"), seit neuestem Roggenbrot, und jetzt soll sogar eigens Weizenbrot f�r ine Offiziere gebacken werben. Mittags: Suppe, zwei (jieijcbe, eine Mehlspeise un� Wein (wiederholt X)bjt, Bier ober Deuertweine) und Kaffee. Aven�S: ein Fleisch un� Kaffee, endlich 25 Zigaretten. Mich �ie �cannjchaft ist gut verpflegt, viel reichlicher und besser als in der Kaserne, und ery�lt t�glich Zubutzen wie topeck, K�se, Marmelade un� Tabak ober Zigaretten, so � toport", ��Schmalspurige" oder �6er-bi]che", oft Wein, hie und da auch Liebesgaben, wie neulich zu des Kaisers Geburtstag. Damals warf eS selbst den Offizieren ausnahmsweise etwas ab. Jeder von uns erhielt: 1 �rarisches Hemd (�ie Kurze mochte f�lschlich auf totoffknappi;eit Hinwegen!), 3 Taschent�cher, 3 Zigarren, 4 Rippen einer Schokoladetafel, 1 Seife (wasch� dich!), 1 Feldpostkarte (ein zarter Wink, seltener zu schreiben?). Aber ich gab einfach das ganze Packerl an meine Soldaten weiter. Es steht n�mlich irgendwo geschrieben: Mensch, �rgere dich nicht. Und �rgert dich die Liebesgabe, so wirs sie weg! ... Und du siehst bis Weihnachten keine mehr. �
Das Alltagsleben in der Angerzell wird beherrscht von der gr��ten Unregelm��igkeit und zumeist in die Dunkelheit verlegt. Bas Gew�hnlichste find �berraschungen, das Neueste Sensationen wahrer und unwahrer Natur vom eigenen Kriegsschaupl�tze. DaS Gesuchteste sind gute Gesellschaft, Zeitungen, Post, Abwechslung in der Kost und vorab � Ruhe.
Hie und da kommt ein Gast, z. B. der Kommandant vom zweitn�chsten Zug, der rassige Madjar S...cz,
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oder gar einer der �Gl�cksritter" des Krieges, ein vor-neymer Artillerist aus oem Fvit, zu uns turoiern und wiro wie ein uebjier, wett emjerni gewejener ^oeaann-ter au)yeitui(imen. ^i-ere x>e|uct)et oe|q)tan�en sich zumeljl auf oteti|tiicyeu ^L>erNeyr. Es i|t so recht ein ttieiutuatnerbeteich, eine hiausnenjche ^ejchr�nfeung de* yutijuiues, in meiner �Ngerzeil.
toie i|i mir ueo uno teuer unu toiro gegen jeden Angreifer venewigt weroen. toie sieht uu|ere ja-weren etunoen, oernimmt unsere |tiiien Hossnungen, oer-Ichtoeigt unsere tochtvachyeiien. tue weig meyr als unsere itugeoucher uno ^rieje uno toiro m un,erer Erinnerung ein|xtuais oen -iteichtum unserer gr��ten Ke-bensereigmiie ausmachen, wenn uns ein Leoen nach dem Kriege oeschieoen sein joilte.
Der k. und k. Zugsbarbier
August 1915.
<2lutt ist es endlich an der Zeit, sich wieder einmal zu waschen, die Unterkleider zu wechseln, die grauen Waden,rutzen und die schweren Bergschuye putzen und die Haare stutzen zu lassen.
3n solcher Erkenntnis strecke ich meine Glieder auf dem Holzschragen oder vielmehr auf den darauf ausgebreiteten Farnkr�utern aus. 's ist keineswegs gerade Sonntags- und Morgenzeit, aber einmal Feuerpause, Vormittag, sonnenhell und vergn�glich. Und so rufe ich meinen rotblonden Burschen Napotnik hinunter, der unter mir nicht minder vergn�glich im Verschlage schnarcht: ..Gib mir mal den Rucksack, tu Soca-Wasser
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in die Menageschate und hol' den Zugsbarbier zum
Haarjchneivenl"
Verwundert �ber die pl�tzlichen, vielen und au�erordentlichen Befehle guckt mich der Kerl an. Endlich kann die Prozedur losgehen. Zuunterst im Schnerser steckt die zweite und letzte Garnitur W�sche, selbstredend �rarischer Abstammung (die eigene ist schon den Weg des Verderbens gegangen, und die Damenw�sche von F.?t). Ehrlich gestanden: das Hemd ist �vor-ab r�ckw�rts etwas kurz, die Hose gar weit, aber alles frisch und, wie es herschaut, haltbar, selbst die feldgrauen Socken. Dar�ber werden Fu�lappen gelegt und nun in die �Schwergenagelten" hinein-�geschlossen." Wie nach einem siegreichen Gefechte recke ich mich nun empor und komme mir schlie�lich gleich einem Neugebadeten vor, als die Waschung und Bekleidung in beschaulicher Ruhe vollzogen ist, trotz der kleinen, engen Waschsch�ssel, d. H. meiner Menageschale und der groben Bodenseife.
Stolz wie ein Spanier trete ich vor meine Erdh�tte, die seit neuestem sogar durch eine wirkliche Brettert�re von der unruhigen Au�enwelt abgeschlossen ist, und stehe auch schon in dem ewig-feuchten Lauf- und Sch�tzengraben bei meinem strategischen Ausguck, von dem aus ich das feindliche Gegen�ber mit einem Male �berschauen k�nnte, wenn ich nur � wollte. Aber derzeit �neunerln* die Katzelmacher gerade, wohl ucelli con polenta, und so w�rdige ich sie weiter keines Blickes.
Gem�chlich lasse ich mich auf meine Sonnenbank zwischen zwei Tannen nieder. Nun kann es losgehen. Kollege 2... s, sowie sein und mein Putzer umstehen mich
schon in gespannter, sp�ttischer Erwartung, wie der Zugsbarbier antritt und sich gehorsamst meldet. Seine eigene Haar- und Bartpslege verr�t nichts von dem Salonfriseur. And sein einziges Instrument, mit dem er schon manchen Rekruten �entlockt" haben will, ist wirklich eine � Maschine, ein schwerf�lliges, plumpes Eijen mit zwei Holzgriffen f�r Kriegss�uste. Dr. Eisen-barts ber�hmte Zange kann nicht be�ngstigender ausgesehen haben als diese Drahtschere.
Soll ich mich wirklich unter ein solches Scherenmesser beugen? 3n Friedenszeiten h�tte ich den Zugs-f�hrer, der mir diesen Haarschneidemeister einrekommandiert hatte, im Ernste verd�chtigt, mir einen Streich spielen zu wollen. Aber beim Milit�r jetzo im Krieg
� was erlebt man nicht da t�glich f�r blaue Wunder!
Also los! Der kalte Stahl gleitet ger�uschvoll �ber
meinen Tiroler Hartsch�del und rasiert meine �Braunen" mir fast mit Putz und Stengel weg, nicht gerade ganz galaf�hig, doch fo, da� ich mich in der Sonnenhitze wieder leichter und rochier f�hle.
�Aasir auk?" fragt untert�nigst der slowenische Haark�nstler, indes er mir mit seinen bauchigen Fingern die gr��ten Haarb�schel aus dem Halse wischt und sorgf�ltigst meine Bartstoppel mustert. �Der Bart bleibt stehen", bestimme ich ebenso hyperbolisch wie Kate-gorisch � fest entschlossen, wenn schon, dann als ein zweiter Barbarossa aus 3talia ins Land Tirol heinnu-kehren.
Die Versch�nerung ist vollendet f�r Tage, Wochen
� bis halt wieder einmal Zeit und Gelegenheit g�nstig ist. Frohgemut ziehe ich mich in mein Arbeitszimmer,
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wollte sagen: Erdloch zur�ck, trinke ein Stamperl Log-nac Medicinal und rauche eine �Kaiser": Unsitten, die mir der Krieg beigebracht hat.
Und weiter geht es im Alltag.
Die zweite Decke des Herrn Kriegs-Griesgrams
Ja einst in alten Zeiten,
Da war das Leben fein.
Hab' gern beim Wirt getrunken So manchen s��en Wein.
Doch kaum hatt' ich ein Liebchen erw�hlt, Der Kaiser mich zu sich bestellt:
�Das Liebchen la�t Hinf�r nur sein.
Denn jetzt geh�rst du mein!"
(Slowenisches Volkslied, �bersetzt von Dr. R. v. Andrejka.)
September 1915.
Der Herr Reservekadett v. T. hatte sich bei all seiner auch b�uchlich zunehmenden Bequemlichkeit doch nicht soweit in seinen b�rgerlichen Lebensanschauungen vergangen, da� er nicht begriffen (und es auch ohne allzu-viele stille Sto�seufzer ertragen) h�tte, als mit der Ann�herung an die Front auch eine Abnahme der Magen-und Bettherrlichkeilen verbunden war. 3a, der biedere Bettfreund sagte sogar nichts dazu, als bei seiner n�chtlichen Ankunft im Sch�tzengraben nur eine Aasenbank als Ruhest�tte zur Verf�gung stand, schnallte wortlos selbst sein Zelttuch und seine Decke ab und breitete ersteres unter, letztere �ber seinen lieben Leib. Und schlief den Umst�nden angemessen. Sein Putzer jedoch sch�ttelte bedenklich den Kopf wie einer, der etwas nicht glauben kann.
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Allm�hlich aber mu�te der Putzer daran glauben, da� sein Herr mif noch mehr sich abzufinden gewillt war, wenngleich der Herr Reservekadett V. X. schlie�lich darauf Karn, da� eigentlich so ein Putzer auch dazu auf der Welt, d. h. im Felde beigegeben sei, dem Herrn das Leben zu erleichtern und zu versch�nern.
Und so wuchs �ber der Rasenbank eine Holzb�tte, nicht gerade nach Zimmermannskunst, aber doch eine Deckung gegen Regen und Schrapnells. Und es schien nun so gut zu sein.
Dieweilen aber auf dieser Welt alles verg�nglich, wechselte der Sommer mit dem Herbst und die W�rme mit der Feuchtigkeit, und die Zufriedenheit des Herrn Reservekadetten nahm merklich ab. Er war ja kein Heuriger mehr, hatte sich schon im Laufe der Zahre eine Herzneurose geholt und erinnerte sich mit einem Male wieder an die buntgestickten Pantoffel, an sein sch�nes, liebes, weiches Matratzenbett, an das wohnliche Schlafzimmer, den hei�en Tee, die blanken Schalerln und Teller und die liebe Bedienung, die Ruhe, Reinlichkeit und Ordnung � und entbehrte alles doppelt teuer.
Das endlose Unwetter sang schon in dem kahlen Pr�gelholzbau ein wehm�tiges Lied. Vom Ofenrohrloch � der Ofen selbst lie� nat�rlich auf sich warten � klatschte es hell und spritzte tausendtr�psig umher. Von den W�nden trollte sich der Regen, auf dem Erdboden schnalzte das Na� wie eine S�lze bei jedem
Schritt. Seit zwei Monaten steckte er in denselben engen, schmierigen Kleidern und den groben, schweren Bergschuhen. Am ganzen Leibe juckte schon die Haut,
als h�tte er gl�cklich die Gr�tze. Wenn er so
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ans seinem Schlafschragen lag unb bufetfe, b�uchte er sich als einen Toten auf ber Bahre: benn wie bieser lag auch er hoch oben, von Brettern eingeengt in feiner ganzen Cflnae unb Geradheit ausgestreckt unb bie Arme Wer bie Brust gekreuzt � er mu�te ja so liegen, sonst fliest er seine armen Knochen �berall an. Ihtb hart �ber ihm bie Dachbalken � ber Sargdeckel � unb bar�ber her tausendf�ltige Tob: bie foufenben Granaten unb Schrapnells. Die einen fuhren wie ein O-Zug �ber bas Dach hinweg, anbere rollten langsam wie eine Kugel auf ber Kegelbahn unb r�ttelten wie Einbrecher an ben M�nben. Dazu bas Knattern bes Gewehrfeuers, bas sich burch bie plumpen Kanth�lzer noch immer gut vernahm. � Tob unb Teufel! Warum war gerabe er, ber Mathematiker, zu ben J�gern gegangen, statt zu ... unb warum nicht seinen Stubien entsprechend verwendet worden, wie die Mediziner, Juristen, Techniker, Theologen? � Zu diesen menschlichen Maulw�rfen und , Hurrabestien", die gar nicht zu wissen scheinen, wie man gut lebt, anst�ndig profitiert, sich nobel dekoriert und nach dem Kriege triumphiert..............
Der Herr Reservekadett B. T. war offensichtlich krank - kriegskrank, im Gegensatze zu den Seekranken. Seine Phantasie arbeitete wie ein moderner Romanschriftsteller. seine Ruhe hatte der Feind gepf�ndet. Und nun noch der Wind, die Regenn�chte, ber alln�chtliche Inspektionsbienst, bie tausenbt�glichen Aufregungen, bie endlosen Sorgen um die Mannschaft und die Bel�stigungen seitens dienst�bereisriger Borgesehter neben den sonstigen Kriegsbeschwernissen.
Die alten tibel meldeten sich kategorisch. Dazu fror
ihn nachgerade ernstlich, wenn er sich vorschriftsm��ig d. H. unausgezogen, auf seinen Schr�gen warf. Die Schuhe wurden nicht mehr trocken und die F��e nicht mehr warm. Rheuma das Leben lang! �
Und die leichte, d�nne Decke! H�tte er sich doch noch eine gro�e dicke mitgenommen und seinen Buckel bei dem Hermarsche weniaer geschont, machte sich der Arme nunmehr selbst Vorw�rfe. Die Speisen, so reichlich und gut sie auch in der freilich etwas eint�niaen und schmierigen Feldk�che von noch schmierigeren Berufsk�chen bearbeitet wurden, gaben nicht mehr aus, weil sie, abgesehen vom �Schwarzen", meist lau und zusammengesch�ttet auf dem weiten Weg von der r�ckw�rtigen Offiziersk�che bis zur Deckung ankamen. Vielleicht hat es gar wieder etwas hineingeregnet. Der Diener ist wohl gestolpert? And der fade Zinnaeschmack! Weg damit!! Aber was nun? An der in den Kochkisten hei�brodelnden Mannschaftsmenage konnte sich doch der Herr Reservekadett B. T. nicht vergreifen!
Die Wangen wurden bl�sser, das Gesicht fiel ein. Gut, da� er den Bart stehen lie�. Der verdeckte viel. Aber schlie�lich entging es dem Putzer nicht, als f�r ihn die Borlesung des Herrn Reservekadetten aus Brehms Tierleben t�glich inhaltsreicher wurde, da� seines Herrn Kriegskrankkeit an Gef�hrlichkeit zunehme. Richtig, ja, eigentlich sollte er in erster Linie f�r seinen Herrn sorgen, h�tte also Vorsorgen sollen, da� der Herr Reserve-kadett seine Menage selbst esse, statt nun ihm tagt�glich eine noch der anderen von den �sch�nen und guten Speisen" hinzuschieben.
Zwar behauptete der Herr Reservekadett gem��
hen ^Pors^riffen seines Abrichters. OberiKaer fi"ber, bofs h�>r �olM tne^er in denken ttocf) 311 mosten bnf, des �fteren von fe�nem �Dufter, es fei noch nie etwas Gescheites ber^vsaekommen. wenn dieser anfange ?u denken, aber Mesmnl fni�Afe dodb eines Abends � eine arofte, tnollioe. nr�ne 5)edf*e ottf, d. b. sie tcci �ber der d�nnen offen Der �>err 9?eferneftodeff baffe aer^e einige �Tr��fe� Oninnt f'"r fe'nen ormen kranken Maaen mit e'N'ier W�l>m"t eingenommen, ltrarelfe fcbmerffiflict ans der fifibtierff�eoe binans und kroch verdrossenen cneWmofteA in seinen Schr�gen bine'n. toa nnbewnA be^e De^en Wer seinen ormen Peib. Wies den Schlaf der (vererbten nnd fr�umfe so ffift und sicher, so da^ ihn fein �Duker endlich cteoen Miffaa � so tmoern und furchtsam er es tot � ernstlich aufwecken mu�te.
�nnt verwirrt schnitte der Gest�rte um sich. Ein InchenMamender OfffonnenbnTfeen lag �ber seinen Anaen. War er nicht daheim? Mitten im Frieden? Mas. an der Front, 300 Schritte vor den verslirten Ca^olini. in feinem . Sarae" mit der elenden � bolla! �Was ist da�? Pntzer, wie kommt die sch�ne, manne Decke bierber?? Was, die eioene bergeaeben, die ich damals nicht mitnehmen wollte, weil sie zu schwer war?!!" ..And das Rosa-Brieserl? And der leuchtende
Doriellanfeller? Aus F................. requiriert, ohne
Schein?"
�3a, ja, hab' ich's dir nicht schon oft gesagt", bemerkte doch vergn�gt der Herr Reservekadett, als des Mittags sein Putzer mit vollen, neuen Emailschalen ankam, �wenn du einmal denkst, kommt nichts Gescheites heraus. Jetzt esse ich wieder das Zeugs da
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selber zusammen unb bu kannst zusehen, ba� bu von ber Kochkiste beine Ration erh�lst."
�Jawohl, Herr Kabett!" bienerte ber gl�ckliche Putzer, �aber die Decke hat geholfen." Unb steckte sein Trinkgelb in Form einer ganzen Schachtel ��gyptische 3" Sorte" lachelnb ein: benn er w�re ja selbst nie auf all bie sch�nen Gebanken gekommen, wenn ihn nicht ein Diensterfahrener unb Rangsh�herer, n�mlich ein Offiziersbiener aufgeklart h�tte.
Herbst an der Soca
September 1915.
Aus bcn H�henr�cken unseres Kampfh�gels liegen vergn�glich in ber Bormittagsfonne vier Solbaten beim Kartenspiel. Mutterwarm strahlt bas Licht ihnen in die braunen Gesichter unb trocknet wieber ihre Kleiber unb l�st langsam bie Erbe von bem ..Felbgrau".
Xlnb im stillen beneibet bie gl�cklich Besonnten ber vyrbeigehenbe Offizier, weil er selbst wieber in bcn feuchten Graben hinabsteigen mu� unb sich nicht bie n�chtliche N�sse aussonnen lassen kann.
Ja, es ist Herbst! Auf bie letzten trunkenen Sonnen-tage haben nun Regenn�chte eingesetzt. Die ganze Natur ist k�hl unb feucht unb arm an Lebensw�rme geworben. Unser Kampfh�gel hat zuviel bes Umbaues erfahren, als ba� nicht alles herbstlich unb k�ltlich sich ans�he. Viele B�ume finb gef�llt ober ihrer Aste beraubt, Rasenziegel ausgehoben, Wurzeln losgelegt, Gr�ben, Furchen unb Wege gebahnt unb Erbh�hlen ge-
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bouf: Da ist fr�h schon der Herbst einger�ckt � Herbst in der Natur, Herbst in unserem Leben.
Aber auch der einsame Kirschbaum am Rand unseres Radelw�ldchens hat eine weinselige R�te angenommen und die Baumaklee, die hin�ber zum Markte f�hrt, br�unt sich t�glich tiefer. Die B�glein haben sich zumeist verzogen und nur einige Kahen von dr�ben betteln miauend zu uns her. Bald werden sie zu ihrer Raffenwildheit zur�ckkehren und fauchend das ihre fordern. Geht ihr nur zu den Katzelmachern!
Die Acker und Felder, die seit einem Vierteljahr keine f�rsorgliche Hand mehr betraute, liegen �berreif darnieder in wildbuntem Farbenwechsel. Der saftige Klee gr��t unten aus den d�rren Meizen�ckern, wo nur Wind und Wetter haust. Gelb und gebrochen stecken die milchigen Maiskolben im Unkrautboden und ein unbeschreibliches Rostbraun verr�t den Brand im n�chsten Korn. Weithin starrt die fruchtbare Ebene in �ppigem Wildwuchs, soweit nicht die Hast der Granaten den Boden aufgerissen und in Strahlen Sand und Steine verstreut hat. Ihr kennt alle das eindrucksvolle Bild ..S�mann und Teufel" von Albin Egger-Lienz, das sich einem hier unwillk�rlich in Gedanken aufdr�ngt. Der arme, friedliche, slowenische Bauer h�ben und dr�ben der Grenze hatte im Schwei�e seines Angesichtes das Land ur-und fruchtbar gemacht. Run kommt der Teufel aus dem Dolce far niente und vernichtet h�hnend die Arbeit der Jahrhunderte. Das weite Ackerland und der ganze gro�e Markt liegen erstarrt unter den hohldro-Nnben Tr�mmern ehemaligen Gl�ckes. Am Rande der
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alten Holzh�user reden die Ruinen von Reu-F..............
und seinem Skurz durch die ..Kulturbringenden Befreier". Und noch lange wird die w�ste Geaenwart hineinragen in ein Klein zusammengedr�cktes Morgen und hineinblasen in die Heitzglut neu entfachten nationalen Erbhasses. �
Auf den H�hen bis hinauf zum steinernen ..Nordkopf" durchfurchen braune und karstige Gr�ben Wiesen, W�lder und Felsen, gleichfalls im wilden Gewirre. Ge-rade hierher ins unfruchtbare Gebiet kommt diesmal der Erntemann, der Schnitter, der � Tod. Und in das ewige Konzert der Batterien hallt herzzerrei�end der Schmerzensschrei Getroffener �Sanit�t, Sanit�t!" �Mama mia!" � �Ajuti mi Austriaci!" ....
Und in wenigen Tagen werden sich neue Stimmen der Trauer in Italien erheben: �Rachel weint �ber ihre Kinder und will sich nicht tr�sten lassen, weil sie nicht mehr sind." (3er. 31, 15).
Die Br�der aber fragen sich: wof�r k�mpfen wir in unserem sacro egoismo? Wie anders reden die Unsrigen:
..Ein furchtbar w�tend Schrecknis ist der Krieg,
Die Herde schl�gt er und den Hirten.
Ertragen mu� man, was der Himmel sendet.
Unbilliges ertr�gt kein edles Herz."
*
Raffer, schmutziger und unwirklicher denn je starren jetzt im Herbst unsere Gr�ben, selbst die Deckungen bieten nicht genug Schuh wider Regen und Feuchtigkeit. Die R�chte sind d�ster und k�hl und gefahrvoll: denn die Finsternis ist der Bundesgenosse des Feindes.
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der �ber uns binweg ins K�rntner Land einbrechen mfitihte. Da fdbroeioen off pl�tzlich feine zahlreichen Geschosse (Gro�vater und Enkelchen nennen wir die Gro�-tenfel und die kleinen Svickaale) und surren Svreng-st�cke, Zunder und Blei uns um die Obren. Tab, Tab, paff. vuff. pft ruft es bin und ber. Soaleicb beim Auf-frni<ben eines Scheinwerfers, einer Nabele oder Leuckt-knael fcbweial alles in der freien Natur, das kleinste Ger�nsch kannst du da pl�tzlich vernebmen.
Geaen 7 Ahr abends und 3 Uhr morgens beginnt die kritische Zeit der Aberrascbunaen. Da spuckt und speit oft alles, was nock einen Feuerscklund hat. Da zucken alle Herzen und Nerven, da sind die beikelsten Stunden in unserem Gegenwartsleben zwischen dem Dies- und jenseits.
Wer immerbin heute schreibt vom Zerbst und Heer � wer nicht an der Front tagt�glich steht, hat von unserem neuen Leben kein Einsehen und keinen Gewinn. Der eine der Bor�beraebenden liest aus unseren Gesichtern Wurstigkeitsgef�bl oder Ergebung, der andere Pflichtaufopserung und Entsagung, der dritte Hoffnung auf Befreiung und Erl�sung. Ans selbst, denen die Br�cken abgebrochen sind zur Vergangenheit, zu unserem bisherigen Leben, feblen die einfachen und w�rdigen Ma�e und Bergleiche f�r die Gr��e unserer Erlebnisse, weil solche der Alltag des Hinterlandes nicht bietet, nie bot. Mir leben unter den Eindr�cken des Tages, ja der Stunde, und was wir niederschreiben, hat sich in uns weder aekl�rt noch ausgeglichen.
Es ist ein Herbst ohne viele, trunkene Farben und T'ne. Ged�mpft zieht das Licht gegen S�den. Und �ber
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dem Ger�usch hast du deine Ruhe, eiserne, K�hle Ruhe, selbst wenn du nur mehr ein Knochenmensch mit Nervenstr�ngen bist � Kriegsherbst am Zsonzo, wer will dich in oetuen �eizen, deinem Eiend un� deiner Erhebung w�rdigen?!
F in Flammen
Ende August 1915.
D�stere Nacht schon! Dr�ben im Markte, 1000 Schritte von unseren Stellungen, steigt die dritte Feuer-j�ule auf.
Das ist nun das Befreiung!-- und Siegeswerk der Welschen, datz sie nach dreimonatlichem Kriege endlich so nahe an unsere von vorneherein bestimmte Verteidigungslinie herangekommen sind, sich s�r zwei, drei L�ge im Orte eingenistet, eine neuerbaute Kapelle als Hauptpostenplatz uito den Marktbereich zur Ausstellung ihrer Batterien ausgesucht und also uns zur Beschie�ung der verlassenen Gemeinde gezwungen haben.
Lichterloh brennen schon die Garben, die Feuers�ulen winden und biegen sich, die Schiefer krachen, der erste Dachstuhl st�rzt und rei�t das N�chste in den Brand. Bald hat die Feuersbrunst Hunderte von Metern in der Ausdehnung gewonnen. Der s�dliche Fl�gel des Marktes f�llt dem Element zum Opfer; ein furchtbares Donnern und Beben. Als wenn Maschinen-gewehte sich in T�tigkeit setzten, krachen die Patronen-verschl�ge der Welschen in die Luft. Unsere Artillerie hat gut gezielt, die andere aber will immer noch beweisen, da� sie unversehrt geblieben sei, und reizt die unsrige zu neuerlichen Erwiderungen.
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Unheimlich beleuchtet, hebt sich die schmucke Pfarrkirche auf ihrem H�gel �ber die Feueriinie hinaus. 3hr Lurm hat schon seinen Bolltrefser in das Zifferblatt der Ahr erhalten. Noch stehen �ie meisten der stolzen steinernen Bauten, die der B�rger Flei� und Reichtum in dem letzten Jahrf�nft (nach einem gro�en Brande) errichtet hat. Aber wie lange noch? Ungl�ckseliger, sch�ner Markt!
Unsere Soldaten starren in die Feuerwolken. Einige unter ihnen entstammen dieser Gegend, ja aus dem Orte selbst. Weiche Gef�hle m�gen sie beherrschen? �3a, wartet nur, ihr Betr�tet, wenn wir endlich vorr�cken d�rfen ...!'
Der Donner der Kanonen begleitet das gro�artige, gr��liche Nachtbild. Bon Zeit zu Zeit blitzt ein 3nfan-teriegqcho'� durch die Luft, eine Leuchtrakete steigt auf. Bei mir im Walde zirpen die Grillen und kein Aestlein r�hrt sich. Die B�ume aber ragen mit ihren zerschossenen Zweigen und Aesten wie Trauerzeugen in die toten Wirbel. Und voll Wehmut und Herbe stapfe ich wieder ein St�ck weiter im Sch�tzengraben.
's ist Dienst, ob es brennt oder schie�t. Den Mantel zieh ich �ber die Brust, auf die der 3ammer dr�ckt, als w�r' er ein eisern Wams, der auch ein weiches Soldatenherz st�hlen k�nnte.
Und wie endlich der Morgen graut, gr��en Ruinen her�ber, ragen rauchende Mauern empor und bald wird der stolze slowenische Markt nur mehr ein Friedhof, die durch drei Monate vereinsamte, zum M�rchen gewordene Gemeinde eine gro�e Grabst�tte sein. Und
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denen, die vordem hier besitzend, gl�cklich � daheim gewesen, wird in ihrem Eiend die Zeitung melden, da� sie ihr Vaterhaus verloren haben .. .
Abenteurer und Gefangene
Vor F September 1915.
Und setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen sein!
Der venti Settembre, der Einnahmetag von Rom, stand oor der T�re. Die Tage wurden unruhiger und die N�chte geradezu ekelig ob des ewigen Artilleriefeuers, in welches sich t�glich mehr das Knattern der Gewehre einmischte. Da� Gott erbarm! Selbst so ein Bierundzwanziger rei�t doch immer noch an allen Nerven. Und was dar�ber im Kaliber ist, ersch�ttert Herz und Magen; und was zwischen dem entsetzlichen L�rm, hei�t sich zwar Stille, die aber jeden Krieger nur noch zu gr��erer Aufmerksamkeit zwingt.
Die wackeren slowenischen Feldj�ger haben noch immer ausgehalten, ja die granatsichere Deckung, �hnlich einem Bergstollen mehrere Meter unter Erdboden (mich mutet die meine, hinter einem Felsblock errichtet, wie das Grab des Lazarus an, aus dem es aber wohl keine Erweckung mehr gibt, wenn da einmal eine Granate hintrifft), noch gar keines Besuches w�rdig erachtet und nur eifrig ihre �Sommerwohnungen" versch�nert
Der 17. September, der Bortag f�nf gleichzeitiger, gro�er Dorfbr�nde im Tale, brachte wieder Herbstson-nenwetter und die hei�este Attacke auf unserer ganzen
�
Linie, vom �Nordkopf" bis zum ... Vrh. Nur die Mitte des Talbeckens ward noch vom Feinde vernachl�ssigt. Indes kundschafteten dort seine gr�n-wei�-roten Doppeldecker unsere vermeintliche Hauptst�rke aus. Gleich einer Sirene raspelte der silberbrustige Schwan 2000 Meter �ber unseren hochgerichteten K�pfen hin und her und verschwand endlich wieder gen Z ... zu. Es war ein herrlicher Anblick am reinen Azurblau des Himmels, gar nicht erschreckend, obwohl bisher eine seltene Erscheinung und Leistung.
Das war am grellen Nachmittag.
Am Abend vor der Menagestunde schien sich der Teufelstanz von gestern und heute fr�h noch �berbieten zu wollen. Gegen 10 Uhr nachts flaute der Feuer l�rm langsam ab. Also hinaus mit den Posten und Patrouillen vor die Hinoernisse, hie� es. Der 3nspeKtionsoffizier, den Stutzen am Rucken, wagt sich am weitesten vor. Eine diensttuende Charge, einen Friauler, hat er mit.
�Horch! Schauen's, da dr�ben am grellen Steinbock bewegt sich was!"
Beide werfen sich auch schon nieder, schu�bereit. Ist's T�uschung, ist es ein Feind? . . . Der liebecmut packt den Offizier und langsam, leise, lauter singt er �ber den Boden hin; und der Friauler stimmt mit: Nina mia, son barcaiolo,
Son galante, son gentile!
Nella mia barca se voi venire,
Vogheremo in alto mar ....
S�dlich weich und melodi�s klingt das Venezianer-lieb, als wollten die beiden, gleichwie gondolieri ihre Liebsten, die welschen Soldaten her�berlocken, ihnen zu
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folgen. Ein leichter Spott liegt freilich in ihren Stimmen. Kein Mukfer aber da dr�ben, kein Ger�usch. Also doch nichts?! Oder wollen jene �berlisten? Oder wagt es keiner? Die beiden Oesterreich er werden noch kecker und lassen nun laut das Garibaldi-Lied, die Lieblingshymne der welschen Befreiungsk�nstler, erschallen.
Die eigenen Scheinwerfer sind aufmerksam geworden. Grell schie�t das Licht durch die B�ume. Erst jetzt werden die beiden gewahr, in welch idyllischer Waldlichtung sie nun liegen. 3n Hufeisenform umkreist das Gel�nde die wildblumige Wiese. Wie schillert das Licht im Ge�st. Wie zauberhaft f�rbt der flackernde Schein die Nadeln ins Gliherhell. Und wie alles zittert und zart und sprunghaft phantasiert. Mondb egl�nzte Zaubernacht, die den Sinn gefangen h�lt . .. ."
Auch die beiden Unseligen hat es angetan. Mit einer zarten Heimat-Wehmut lassen sie ihr Santa Lucia hinausschwellen in die warme, wohll�stige Herbstnacht-luft. Aber schon haben sie ihre Soldatenstimmung wieder. Wie pl�tzlich sich aufraffend und ihren Feldzug abbrechend, singen sie mit fester, begeisterter Stimme ihr Feldj�gerlied:
Dove son le porte dei Chinesi?
Dove son i cari cacciatori?
Son pronti da marciar,
Son pronti da mirar Bella la vita militar ....
Non se tenente ne capitano Ne colonello ne generale Suona la tromba del!� ideal �
Un cacciatore vorrei sposar.
XXXI (5) 65
Die Mitternacht zog n�her schon . . . Dr�ben am linken Fl�gel bricht urschnell das L�rmen und Schreien, das Krachen und Knattern, Pfeifen und Singen los, alle Feuerl�ufe fpeien hellaufblitzend und wildfauchend und ein Regen von Geschossen saust hin und her. Holla, da wird es endlich ernst mit dem allgemeinen Angriff: die Kanonen schweigen, das Nahfeuer der Gewehre wipst, winselt und h�mmert: hui, hui, hiuuh; ssiu, sssiiiuu, sssiuu, Taktaktak, Raktaktak, pst, psst, rk. Da Pause. Kommandoschrei. Die Welschen springen auf und ran bis an die Hindernisse. And nieder! And schie�en, schwach und schw�cher. Der h�ngt am Draht. Der sinkt, dei st�rzt. Entsetzlich gellt das Geschrei gen Himmel.
<(Fratelli, anch�io son Italian", ruft unser Zugf�hrer Simonie, ein Friauler, �ergebt Euch, 3Hr seid ja verloren zwischen unseren Maschinengewehren!" And gleich ihm springt Zugf�hrer Anrecht auf eine Deckung.
Ein Welfcher z�gert fchon und schwankt, hebt hoch die H�nde und schreit: ..Wir alle wollen uns ergeben, aber unser Hauptmann ...* und zeigt nach dem Fl�gel-Kommandant. Wie sie ihn fallen sahen, schreien schon f�nfzig und hundert und mehr um Pardon und werfen ihre Gewehre hinter sich, dem Major hinterm H�gel zum Trotz. Einer unserer Schw�rme stellt auf Befehl des F�hnrichs K . . . K das Feuer ein und eine Gruppe der Italiener nach der anderen gibt sich gefangen. Ein Zur�ck gab es auch nicht mehr, weil tvii sie flankierten, unsere Artillerie sie im R�cken fa�te und schon ihre � eigenen Maschinengewehre knatterten. Selbst ihre verwundeten Offiziere werfen sie �ber die hohen Stacheldr�hte zu uns und bald ist mehr als
eine Kompagnie in den H�nden eines Zuges. Wer wei�, ob es nicht ein Regiment geworden w�re, h�tte nicht unsere zu sp�t verst�ndigte Artillerie ihm den Vormarsch versperrt.
*
Hinter einem Felsen des �H�gels" lagern sie nun. Schwarze, braune, gelbe Kerle st�mmig-kleiner Natur, zwischen zwanzig und vierzig Jahren. Sie sehen nicht schlecht aus, sind aber alle voll Hunger und greifen auch gierig nach Tabak. Ihre steingr�nen Uniformen m�ssen im Hinblick auf den mehrmonatlichen Kriegsdienst und auf die bekannte italienische �Reinlichkeit" noch als gut und sauber bezeichnet werden. Anter der gef�tterten Bluse, deren unterer R�ckenteil k�stlicherweise beiderseits auskn�pfbar ist, tr�gt der Soldat eine gleichfarbige oben ganz geschlossene Weste, ein gestricktes graues Wolleibchen nach der Art der Sweater und noch ein Hemd, Kniehose und Unterhose, also schon eine ausgiebige Winterbleibung, w�hrend des sonnigen Herbstes in einem s�dlichen Talbecken. Wie soll dann der Welsche einen strengen Winter durchholten?! Dos Schuhwerk ist sehr verschieden, meist schon schlecht, wohl weil der Italiener, selbst wenn er auch an eine ordentliche Fu�bekleidung gew�hnt w�re, doch nie im Frieden die f�rs Gebirge notwendigen schweren, benagelten Schuhe tr�gt und also sein Schuster sie auch nicht fabriziert und zu fabrizieren versteht. Bald sind es lsohe, bald gew�hnliche Schn�rschuhe, bald Kn�pf elftief el. Die Infanteristen zw�ngen ihre langen Hosen in die Schuhe hinein, die meisten verraten sich durch ihre roten ausgefransten Aufschl�ge om umliegenden Blusenkragen, und durch
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ihre plumpen, tschakosteifen, mit Wichsleder beschlagenen Filzh�te, darauf die Vogelfedern, die gro�e Nationalkokarde und die unf�rmigen I�gerh�rner als Ber-saglieri. 16 verschiedene Regimentsnummern liest man in den H�rnern. So mancher tr�gt auf dem Hut den feldgrau-blauen �berzug, einige an Stelle des Hutes ihre Hausm�tzen, die roten Fez mit blauer Quaste wie die franz�sischen Marokkaner. Vereinzelte haben sogar schon graue gestrickte Winterhauben �ber ihren Kopf gezogen. Bezeichnenderweise fehlt jedem dies oder jenes Ausr�stungsst�ck. Die Waffen, Ruck- und Brots�cke haben fast alle zur�ckgelassen. Erstere sind zumeist alt, letztere nat�rlich feldgrau gef�rbt. Berbandsp�ckchen mit Opiumfl�schchen, Konserven, Wei�brot, aber vor allem eine Unmenge Patronenmagazine aus hellgelbem Zink finden sich noch darin. Statt unserer Aluminium-feldflaschen tragen sie Holzf��chen am Riemen umgeh�ngt, wie etwa die Markedenterinnen unserer Tiroler Standsch�tzen bei Festlichkeiten. Bei vielen F��chen ist das Holz zersprungen, fehlt der Stoppel und dringt ein unreiner Geruch heraus. Prost Mahlzeit!
Gegen 400 Gefangene mit flatternden Siegerh�ten z�hlt man schon, darunter drei Subalternoffiziere, viele Chargen und einige Freiwillige. Die Offiziere tragen sich entsprechend ihren neuen Borschriften (die ziemlich regelm��ig wenige Zeit nach ihnen auch wir zu Gesicht bekommen) genau wie die Mannschaft. Ihre Distinktionssterne sind am �rmel angeheftet, wie zu des preu�ischen Fritz Zeiten die Kn�pfe. Auch am Schnitt ihrer Uniformen k�nnte man sie nicht erkennen, h�chstens an der G�te des Tuches. Sie sollen im Gefechte nicht auf-
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fallen! Man mu� es ihnen lassen, die welschen Offiziere sind meist wackere, ja kecke junge Leute, und was sich Alpino nennt, macht seinem Namen Ehre.
Neue Gefangene folgen nach. Lachend erz�hlen sie, da� sich noch viele ergeben wollten, zwei, drei Kompagnien. So sei vereinbart. Sie w�ren am liebsten schon
auf dem Berge B �bergegangen, �berdr�ssig der
furchtbaren Anstrengungen und entsetzt �ber ihre Verluste, ohne einen sichtbaren Erfolg erzielen zu k�nnen. Aber sie f�rchteten sich wohl am meisten vor ihren eigenen Kommandanten und deren Waffen, es war ihnen zu gef�hrlich und ihre Offiziere hatten verlautbart, da� den �sterreichern infolge der Kriegsl�nge die Lebensrnittel ausgingen und sie eine entsetzliche Behandlung als Gefangene bei uns zu gew�rtigen h�tten. Sie seien strafweise hinab ins Talbecken an die vorderste Front versetzt worden, indes die hohen Offiziere weit r�ckw�rts sich aufhielten und schon zum dritten Male ausgewechselt worden seien. Nach ihren Angaben sollen auch ein franz�sischer General und franz�sische Gesch�tze sich in F befinden.
Mer das alles glaubt?
Die Kerle sind zu redselig, spricht man sie italienisch an und reicht man ihnen �sterreichische Zigaretten. 50 Centisimi erhielten sie als Tagesl�hnung, zweimal Kaffee, einmal Br�he mit Fleisch und Brot, f�nfmal in der Woche Tabak. 3n der letzten Zeit habe sich die Berpflegung trotz der vermehrten Angriffe arg verschlechtert. Hunderte von Toten, zahlreiche Verwundete und Marode z�hle ihr zusammengew�rfeltes Regiment.
Alle Begeisterung sei beim Teufel. Bei Eintreten der K�lte m�sse Waffenstillstand werden.
Sie geben sich schon ganz vertraut. Da wechselt einer seine Zweilirebanknote mit unseren Zweikronenschein, dort revanchiert sich einer f�r Zigaretten mit seiner Stella d'Nalia (dem Aktivit�tsstern) und seinen Hahnenfedern vom Hute. Sie geben freudig, weil sie jeder Sorge frei und ledig sind und in dem Gef�hl der Erl�sung nur f�r den Augenblick leben. Kaum da� sie fragen: �Was nun? Wohin kommen wir?"
Da redet mir einer das reinste Schwyzer Duitsch, hat in Basel gearbeitet, Dortmund gesehen. Und schon f�llt ein zweiter in halbpreu�ischem Jargon ein, er sei noch weiter herumgekommen und habe sich im Deutschen Reich und an der Donau viel gutes Geld verdient und es deshalb nicht �bers Herz gebracht, aus seine Wohlt�ter zu schie�en. Katzelmacher!
�And was wird sagen mein Arbeitsherr, wenn ich werde bitten, ihm wieder um Aufnahme? Er wird mich fortjagen und nehmen einen Polen und nicht mehr kommen in unsere Heimat."
Wie klar und einfach dieser Arbeiter das sagte! Und wie das Wort verhohlenen Ha� entsachte: erhitzt rief sein Nachbar aus: �Zwischen zwei Maschinengewehre sollten gestellt werden Salandra, Sowtino, Cadorna und �" ein feindseliger Blick blitzte ihm aus dem Wink eines Kameraden zu, err�tend winkte er ab und lachte in sich. Povero re!
Die Burschen entstammen den Erg�nzungsbezirken von Nordostitalien. Ihre Bataillone hei�en sich darnach. Aber auch Florentiner, Neapolitaner waren
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zu treffen. Nach Profession z�hlen die meisten zu den Arbeitern und Handwerkern. Ein Einj�hriger-Korporal aus Neapel schwatzte aus, was man ihn fragte, wo die Batterien st�nden, da� au�er der 93er-sc.glieri zwei Infanterieregimenter und Mpini im Talbecken sich eingegraben h�tten usw. Es ehrte ihn sichtlich, da� unsere Offiziere sich so viel mit ihm befa�ten, und er erz�hlte, um sich einen Vorteil in seiner jetzigen Lage herauszuschlagen. Ekelhafter Kerl! Da� ihre Sanit�t nicht auf der H�he und ihre Verwaltung noch immer in der alten auf das Gro�e gerichteten Schlamperei stecke, wu�te und zeigte ein jeder von ihnen. Nicht allein der nationale Charakter, sondern vielmehr noch das System der italienischen Krone, die, statt die Autorit�t und die Kultur im neuen Staate zu schaffen un� zu heben, mit Republikanern und Anarchisten sich ihre Negierungen bildete und Schule und Presse, Sittlichkeit und Glaube verlottern lie�, Ha� gegen �sterreich s�te und den Verb�ndeten mit Hohn und Spott belud, haben von vorne herein f�r den Mi�erfolg ihres Beutekrieges gesorgt. Was verschl�gt es? Bislang hat noch immer die savoyardische Macht versagt und trotzdem stets profitiert und den Spruch gepr�gt: Italia fara da se. � Ein gutes Dutzend Verwundeter war schon zum Hilfsplatz gebracht worden, darunter auch ein bildh�bscher, schwarzvollhaariger Leutnant mit Nierenschu�. Er lag auf Zelttuch und Heu in einer Bretterh�tte, spielte mit seinem Ueberschwung und vertrieb sich grazi�s damit die Fliegen. Mit vollem Nationalbewu�tsein verriet er, da� er ein R�mer sei. Er hatte Jurisprudenz in Florenz studiert, das Einj�hrigenjahr hinter
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sich und war am 1. Mai einberufen worden, nachdem er schon in Montenegro gek�mpft habe f�r seine beila regina. Mit der den Italienern eigenen Gentilezza antwortete er auf alle Fragen und plauderte weiter. Man habe seine Soldaten trotz ihres Widerstandes gegen die uneinnehmbaren �sterreichischen Stellungen gehetzt, in denen die besten Truppen, �J�ger" und �Alpini" (et meinte die Landessch�tzen) st�nden. Auf die Erwiderung, nun habe ja all das Elend f�r ihn ein Ende und zu Weihnachten k�nne er vielleicht schon heimkehren, widersprach er, die Rede anders auffassend, in aller Heftigkeit, da� schon fr�her Frieden werden m�sse, seine Landsleute seien entt�uscht, die Soldaten wie erschlagen. Der Zar werde schon Frieden machen und dann...
L�chelnd zog er pl�tzlich seine Achselspange aus der Rocktasche und streichelte sie wie ein Kind. Dann schaute er sich um: Er k�nne sich leider nicht erkenntlich zeigen f�r die Freundlichkeit des Ansprechens. Offenbar f�rchtete er, letztere gelte in Absicht auf seine wohl von Damenhand gestickte Epaulette.
Neben dem kindlich-stolzen R�mer, der noch im Elend seine Grandezza bewahrte, lag ein w�ster gelber Kerl, fast wie ein Afrikaner aus Eritrea, mit blutr�nstig-rachegierigen Augen. Erleichtert atmete der Leutnant bei der Nachricht auf, da� er bald ins Spital gebracht und standesgem�� behandelt werden k�nne.
�Addio! A rivederci in Palermo, no, in Vienna!" lachte er, nun frohgestimmt, mit einer kleinen Boshaftigkeit seinen feindlichen Kameraden zu. ,.8i, a rivederci in Vienna al congresso della pace!� ward ihm
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zur Antwort. 3a, auf Wiedersehen in Wien beim Friedenskongre� von 1915. Wer denkt nicht an 1815?
Zugsf�hrer Anrecht
Soldaten, d�s glaubte mir, nix is a so schwer, als zusagen, wer von eng als da Braveste war, A. Baumann, Ehrenbuschn f�r d'Oester-reich^r Armee in Italien.
September 1915.
Da gibt's einfach nichts, er hei�t einmal Unrecht, ist ^Dienstf�hrender" beim 4. Zug der 4. Kompagnie und tr�gt feit dem 13. 3um 1915, an dem (wie ihr ja wi�t) die Zwanziger Feldj�ger wie Helden gegen den Eisenbahndamm der Russen bei Zezava � Zaleszcyki gest�rmt und gefallen find, aber auch gesiegt unb ben Ehrennamen bes eisernen Bataillons im eisernen Korps aufs neue best�tigt haben, bie �Silberne" neben feiner 3ubil�umsmebaille als alter, treuer Diener seines Herrn unb Kaisers.
Aber bas alles sagt noch nichts, selbst wenn ihr bie grauen Haare unb bas rote Gesicht bes Dreiunbvier-zigers euch gr�nblich anseht unb w��tet, ba� er so �nebenbei" Lehrer im K�rntnerlanbe war. Hui! Lehrer, Schulmeister, Staberlklopfer? O beileibe nicht. Unrecht klopft nur Dienst: unb wenn er eines voll hat, fein liebes � Weinglasl; ber galizifche Felbzug hat's ihm n�mlich angetan, seitbem mu� er �fters einen w�r-menben Schluck nehmen.
Trotzbem finb wir zwei gute Freunbe, ba� hei�t ich feiner befto mehr, je voller meine Wein- ober Kognakflasche unb meine Zigarettentasche finb. Solche Freunb-
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schastsverh�ltnisse sollen ja �fters vorkommen, und nachdem ich selbst keinen russischen Winderseldzug mitgemacht habe, ist es eigentlich nur gerecht, den �Freund" schadlos zu halten. �Herr Dings, Herr, Herr Kadett (der Alte ist aus seinen F�hnrich, unserem lieben �Papa K." als Zugskommandanten eingeschossen und findet deshalb f�r minderwertigere Zugskommandanten nicht gleich den richtigen Titel!), Herr Kadett! Sie ham's net erlebt. Glaubens nur an den alten Spruch: Schnaps ist gut f�r Cholera, K�lte und an schlechten Hamur."
lind an Hamur hat der A n recht, das mu� man ihm lassen, an g�ldenen und s�ffigen. Der reicht aus f�r den ganzen Zug, wenn fchlechters Wetter ist, wollte sagen, wenn die Granaten umherfpritzen und die Blei-k�gerln vor der Nase vorbeisausen, als ob sie unbedingt einen treffen sollten. Einen langsam-stillen, redseligen Hamur wie er einem echten K�rntner Buben selbst mit 43 Jahren noch nicht ausgehen darf, ob es nun Goldf�chse regnet oder Granatsplitter. Jetzt ist halt einmal nicht die Zeit f�r die Goldf�chse, die brauchen's dermalen f�r die vielen goldenen Kn�pfe beim gro�en Stab und bei den Etappenherrn, meint derAnrecht. And so ist guter Rat teuer und ein gutes Meinl selten, wenn nicht der Herr F�hnrich ein Einsehen h�tt'.
Oho! �Entschuldigen's Herr Dings, Herr, Herr Kadett! Nat�rlich Sie auch, Sie noch viel mehr!" beeilt sich der Anrecht, seinen Fehler gut zu machen. �Darf i glei mitgehn? A soviel a guts Schnapsl Habens ja obern �Bett" af'm Brett. D�s tut Ihnen Herz net gut, d�s
mu� schnell der Anrecht vertilgen....................." Wenn
der Geist was leisten soll, braucht der K�rper Alkohol!
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Wir sind Zwei alte Nachtv�gel, da gilt schon so eine reglementwidrige Rede. Er hat n�mlich fast alln�chtlich Dienst und ich vom Nachbarzug auch. And da seh' ich jedesmal, wie der Hamurmensch aufwacht: 's ist ja keine Freude, wenn sie einen so rohlings im sch�nsten Schlaf aus dem Stroh st�bern und �Dienst" ins Ohr schreien. �3 woa� es jo eh!" brummt da der Unrecht, ist aber auch schon aus den m�rben �Haxen", guckt umher, packt seine �Latten", den Schie�pr�gel n�mlich, und ist auch schon aus der unterirdischen Deckung heraus. �Buh!" blast er die Nachtk�lte sich von der Nase, schaut in alle Sch�tzengr�ben, ob Ordnung und Wachsamkeit herrscht: 's ist selbstredend alles beim Rechten in seinem Musterzug. Aber der Hamur schl�ft noch. Ein gutes Zigarette! r�ttelt das Teuselchen auf. Dann gibt es endlich einen Plausch f�r ein Mertelst�nderl, ein bi�chen Feldj�gerlatein von seinem serbischen Feldzug, dazwischen hinein bladdert er wohl einige Fisolen zu den Katzelmachern hin�ber, wenn sie gor zu frech vor dem Markt herumspazieren, damit ihre Polenta getupft, ihre Uccelli gespickt und ihr Formaggio gel�chert werden � auf 1000 Schritt hat er schon einige Herren Gegner niedergelegt, da� sie nimmer aufstehen brauchten. And sein rotes Faltengestcht und seine wei�-blauen Augen strahlen dann, als h�tte er schon meinen Tagesliter �Etappens�ure", unseren Wein sich ehrlich verdient.
Die Sch�tzenschnur tr�gt Anrecht nicht, ein Zeichen seiner Schu�fertigkeit hat er vor Freund und Feind nicht mehr n�tig. Am 17. September 1915 war es im Gefecht bei F ! Potztausend, drei Tage haben die
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Welschen nur so hergeb�llerk mit den Granaten und drau�en, wenige hundert Schritte vor den Hindernissen, ist mehr als ein Bersaglieri-Regiment gelegen. Es war wahrlich Kein Spa� mehr mit den wenigen eigenen Leuten und den etlichen Maschinengewehren, von denen schon zwei die Granaten in die Lust gejagt hatten. Aber der A n r e ch t hatte den Hamur nicht verloren. 3m Gegenteil! Nun sprudelte er �ber und pfefferte hinaus � jeder Schu� mu�te treffen. Endlich waren die Welschen ganz nahe. Die ersten Reihen wurden ihnen wie hingem�ht. Eine Feuerpause trat ein. Aber der Unrecht ruhte sich nicht aus. Drau�en vor dem Draht jammerten die verwundeten Bersaglieri. Einem Furlaner Kameraden nachfolgend, nimmt Unrecht seine Menageschale voll Wasser, steigt �ber die Brustwehr des Grabens und labt den N�chstbesten. Mas schert ihn der Feind, was der welsche Hauptmann, der drohend seinen Revolver erhob. Laut rief er die Welschen auf italienisch an: �Wir sind keine Hunde, wir sind Menschen, wir pflegen die Verwundeten, haben genug zu essen und zu trinken. Seht 3hr nicht, da� 3hr verloren seid? Kommt zu uns, nehmt nur die Waffen mit!"
So einfach war die Geschichte freilich nicht, wie ich sie hier erz�hle. Es war nach zwei Feuertagen noch ein Ringen von 3 Uhr fr�h bis gegen Mittag. Und U n -rechts Situation selbstredend kritisch. Sein Zug war der benachbarten Truppe beigesprungen und hatte den Sieg gesichert. Der Kommandant sch�ttelte denn auch voll Dankbarkeit unb Hochachtung dem Wackeren die Rechte. Da� bas nur zu einer �Bronzenen" reichte, be-bouerfen wir alle, bie wir ihn am liebsten in ber Reihe
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des Tapfersten der Tapferen gesehen h�tten, die der General mit der �Goldenen" und ..gro�en Silbernen" auszeichnete.
Aber f�r unfern Unrecht ist ja noch nicht aller Tage Abend.
Kaffeehaus
Vor F September 1915.
War die Deckung auf dem ..H�gel" eine Art von Holzhacker- oder Almh�tte unter der Erde, ein dunkles Waldidyll, von fester Hand ..gezimmert", so hat der Vorg�nger der jetzigen Deckung im Talbecken, ein leichtlustiger Leutnant der Reserve, der sich gerne als ..Chansonettens�nger und Jurist" vorstellig machte, ein lustiges Sommerh�uschen nach dem Stile der Jahrmarkts� oder Waldsestbuden mit einiger Ausstattung hinterlassen u. a. eine Kindertrommel, eine Schwarzw�lderuhr, eine Familienkaffeekanne, eine Schale, Teller, Schachteln, jede der Habseligkeiten in einem anderen Stile; endlich eine gro�e rote Decke auf einem kleinwinzigen Wand tische und die zwei orts�blichen Bettschragen mit schon halbverpulvertem Heu, welche zwei Drittel des H�ttenraumes einnehmen und die weiland grauen Ziegelsteine am Fu�boden gar nicht zur Geltung kommen lassen. T�r und Fenster fehlen, aber beide Oeffnungen f�hren hinaus in eine ..Gartenlaube", durch deren Bl�tterw�nde das Licht in beide �Gem�cher" dringt. Das Beste ist es: man springt vom Ausgang sofort hinab in den Verbindungsgraben und eilt bis zur n�chsten Traverse, will man nicht einen geh�-
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rigen welschen Denkzettel von der rechten Flanke erwischen, wenn man die Deckung verl��t.
Die Diener hatten sich einen kleinen Anbau geleistet, noch provisorischer als die Herrenh�tte selbst, mit der ersteren aber nur den Ausgang und die roten Dach-Ztegel gemeinsam hat, die nat�rlich f�rsichtigerweise mit Tannenreisern verdeckt wurden.
Die luftige Lustigkeit des Amtsvorg�ngers hatte es aber auch mit sich gebracht, da� seine H�tte geradezu der Sammelpunkt, das �Kaffeehaus� aller f�hrenden Geister der dritten Feldj�gerkompagnie und der ihr zugewiesenen Landwehr-Maschinengewehrabteilung geworden war. Der eine schl�ft auf dem Schr�gen, der andere schreibt am Tischbrett, daneben spielen drei. R�cht zu geht es. Die �Gartenlaube" ist wieder einmal �bervoll beseht, alles dr�ngt sich um den Tisch, von dem gerade Georg, der heute Dienst habende Bursch (denn auch bei den Dienern geht der Dienst im Turnus!) die Speisereste und Weinspuren wegwischt. Eine Kognakflasche pr�sentiert stolz der Hausherr, ein seltenes Fassungsst�ck. Drei Gl�schen ungleichen Formates kreisen, als pl�tzlich der vollb�rtige Hauptmann in seinem Strickwollwams, seines Zeichens eigentlich 01-m�tzer Bankherr, hastig seine Virginia zur Kerze hinh�lt und schon fragt: �Wi�t 3hrs Neueste vom ..Nordkopf", selbst keinen Verlust und die Welschen blutig zur�ckgeschlagen, 50 Tote und dreimal soviel Verwundete und Gefangene! Unsere 80 gegen 2 Alpinikompagnien!
Und nochmals steckt er die Lange ins Kerzenfeuer und faucht sie endlich an, inde� die anderen die Folgen des Sieges er�rtern, die Lage im Tale und das Neueste
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von den Kriegsschaupl�tzen besprechen und feuchtfr�h-fiel) die Flasche st�lpen. Auch Karten fliegen bald auf den Tisch und jeder nimmt die Gelegenheit wahr, seine Hoffnungen und W�nsche an den Hauptmann zu bringen.
Wer nie an der Front und im Sch�tzengraben gelegen ist, wei� nichts von der vorherrschenden Kameradschaftlichkeit unter den Offizieren und von dem pr�chtigen Einvernehmen der Offiziere mit der Mannschaft. Der Zugskommandant kennt jeden Mann, wei� dessen Eigenheiten, spricht s�st t�glich mit ihm, fr�gt ihn nach Eltern, Weib und Kindern, nach Haus und Hof und l��t wohl auch ihm manches vom Eigenen, vorab eine gute Zigarette, zukommen. And stundenlang sitzt er oft in den Deckungen der Mannschaft und plaudert mit ihnen, als w�re er nur der erste Soldat im Zuge. Wie vergessen sind da alle nationalen, politischen und konfessionellen Gegens�tze und die gro�en Unterschiede des Standes und Alters, die doch gerade in unserem Bataillone stark vertreten sind, da� wir, wie vielleicht nicht so bald ein zweites, von ihm sagen k�nnen: �3n deinem Lager ist �sterreich!"
Der Hauptmann k�nnte fast der Vater des einen oder anderen Tischnachbarn sein und trotzdem will er hier nur alles auf gleich gestellt sehen. Allein die einzelnen Mitteilungen und Bitten, die so zwischen in das Kartenspiel hinein die Subalternen zu siechten verstehen, erinnern an das Dienstverh�ltnis. Der eine wettert �ber die eigene Artillerie, die gerade hinter unserem R�cken ihren Heidenl�rm losl��t und die gegnerische auf uns zieht, der zweite will f�r seinen Zug Dach-
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pappe und Bretter, der dritte eine weitere Menage-Zu-bu�e ergattern, der erinnert, da� die gemeinsame Lampe ohne Petroleum und das Kerzenlicht unrentabel seien, jener, da� es Zeit w�re, wenn die Paketpost er�ffnet w�rde und sich jeder nach Gusto feine Winter-ausr�ffung vervollst�ndigen k�nnte. Eigentlich l�ftet es ihn mehr nach Kakao und Schokolade, Leibenfroft- und Stift-Wein aus Klosterneuburg, Keks, kurz nach ein bi�chen Abwechslung in der eint�nig gewordenen Speisekarte, und schon findet ein anderer, da� Koch und K�che doch etwas allzu feldm��ig erdfarbig auss�hen ...
Aber schlie�lich kommen alle �berein, da� sie es eigentlich herrlich h�tten. Trotzalledem!
Selbstrebenb fehlt es in ber Spielh�hle" nicht an ernsten Stunben. Wenn so selbst ein Bleispitz sich in die .Gartenlaube" verirrt unb man auf allen Bieren den Graben burchkriechen mu�, gleichzeitig alle Batterien speien unb bei L�rm unb Dunkelheit jede Berft�n-bigung ausgeschlossen zu fein scheint, wenn oben am Bergabhang des �Nordkopf ' und dr�ben der welsche Ansturm nicht mehr enden will und beiberfeitiger Flankeneinbruch in bie Talstellungen broht, bann stellen Dienstpflicht unb Betanttoorflichkeifsgef�hl gro�e psychische unb physische Anforberungen. Unb ba kommt es leicht �ber bie Lippen: Wenn wir nur vorgehen, offensiv werben b�rsten!
Sobald dann aber wieber alles, ober fast alles heil unb fr�hlich einkehrt in unser Gasth�uschen unb brau-�en einer mit ber Wunbharmonika ausspielt; einer unserer wackeren J�ger, weil er aus ber Deckung in ben Laufgraben springen mu�, ganz energisch ben fchiejzen-
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�cn Katzelmachern zuschreit: ..Kusch! Feuer einstellen, Aufsatz normal! Ritorno Cadorna!� oder gar zum Hohne das Garibaldilied hin�berpfeift, dann kommt wieder das L�cheln in die Gesichter. 3a, der salonfreundliche Minen-Kommandant, der j�ngste im Herrenbunde, dem sie nachsagen, er sei ein Sohn 3uanschikkais (indes er doch ein Wiener Gro�firmenkind ist), lacht gleich wieder mit vollem Munde, freilich nicht mit so sch�nen elsenbei-nernen Z�hnen wie unser Kamerad von der Pu�ta, dessen Wei� in den Augen und Feuer im Gesicht von dem Hei�blut des stolzen Madjaren verr�t, das uns semmelneidige �sterreicher schon oft zu staatlicher Neckerei herausgefordert hat. Da mu� dann der ernste, praktische ..H�uptling" als Vertreter der dritten gro�en Ration der Monarchie den �Streitfall" auf dem Grund der Meinungsberechtigungen nachsp�ren und schlie�-lich kommen alle wieder zur Erkenntnis, da� sie gute �sterreichisch-ungarische Br�der sind und sich nur beisammen wohl f�hlen. Der urw�chsige K�rntnerbub mit der gro�en ..Silbernen" pfeift nun freilich darauf, hin mehr begeistert als kunstreich das Aitterlied von der Gem�tlichkeit und der vielverneinende Tiroler beginnt das Sticheln von neuem. Die jungen Alpenl�ndler strotzen ja vor Kraft, �bermut und �berenergie. Auf die Dirndlen und die Raufh�ndel verstehen sie sich besser als aufs Zuschauen. And es giftet sie nur, da� hier bei dem Stellungskrieg ..eigentlich" nichts zu sehen ist. Es dauert eine Weile, bis die Ruhe wieder an die Reihe kommt. And vor der Rase liegt der Feind_______
don Zeit zu Zeit tritt des Nachts unbewu�t als stiller Mahner ein Patrouillen- oder Wachkommandanl
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mit einer Meldung in die �Spielh�hle", und ohne da� ein Wort gewechselt wurde, nimmt einer den Mantel, Aeberschwung, Pistole, Lampe und Stock zu sich und steigt hinaus in die Nacht, reibt sich einige Maie seine Augen, die vom Zigarettennebel und Kerzenlicht her in dem Dunkel sich vorerst nicht zurechtfinden k�nnen. Aber schon nach wenigen unsicheren Schritten hat sich sein Gesicht an die Finsternis gew�hnt und so stapft er sicheren Fu�es durch die engen Lauf- und Sch�tzengr�ben, schleicht unter den Erdtraversen durch und windet sich durch die verzwickten G�nge der eigenen Drahthindernisse hinaus bis zu den Patrouillen. Der alln�chtliche Dienst und das Leben in der freien Natur sch�rft selbst dem St�dter die Sinne und macht ihn mit Geheimnissen der Natur vertraut, um die er sich nie bek�mmert h�tte. Freilich, ohne Stock und ohne Ortskenntnisse kann der Nachtdienst einem immer noch teuer zu stehen kommen und so ein Fall in einem Graben, oder ein H�ngenbleiben mit den Kleidern an den Stacheldr�hten geh�ren noch zu den ertr�glichsten Erfahrungen. Gleichzeitig mit den Augen hei�t es auch, sich die Geistesgegenwart zu sichern. Allm�hlich ist ja der alln�chtliche Dienst zur gewohnten Selbstverst�ndlichkeit geworden. Schematisch bleibt der Inspektionsoffizier in der N�he der Posten stehen, erwartet die Erkennungsrufe, belehrt und ermuntert den Mann und verhei�t ihm auch f�r eine Entdeckung Zigaretten oder einen gut mundenden Trunk. Dann geht's weiter durch Dick und D�nn. Sto�t sein Fu� auf ein gr��eres Hindernis, ober vernimmt sein Ohr ein verd�chtiges Ger�usch, so mu� er warten, bis die n�chste Leuchtkugel
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oder Rakete oder einer der Scheinwerfer aufleuchtet. Sorgf�ltig dringen die Augen ins Borland und hinauf rechts �ber den Berghang und suchen alle Erhebungen zu erfassen. Gerade steigt wieder eine Leuchtrakete von der H�he in k�hnem Bogen ins Tal, zischend und strahlend � Sekundenseuer, das erhellt und t�uscht zugleich, denn der B�ume Schatten irrt mit ihm im Halbkreis am Boden umher. Aber diesmal hat sich der Offizier nicht get�uscht. Gleich beim Ausslammern der Rakete warf er sich der L�nge nach auf den Boden, und wie das Zischwerk zerfuhr, huschte er auch schon behend und geduckt von seiner exponierten Stellung bis zu den eigenen Hindernissen zur�ck, und zum Posten: ..Haben Sie gesehen?! dr�ben im W�ldchen vor dem Ziegelofen, 200 Schritte vor uns!"
Und nimmt ihm auch schon das Gewehr ab und jagt ihn mit der Meldung zu dem n�chsten Wach- und Schwarmkommandanten, alarmiert den gro�en Scheinwerfer und die Minenlager und l��t Leuchtpistolen abschie�en.
Sekundenarbeit. Jetzt feuern schon seine Leute auf die 14 Welschen, die er gesichtet. Sofort kommt Antwort. Aber die Gegner ziehen sich auch schon eilfertig zur�ck. Sie wagen's noch nicht. Roch? Nie!
Der Posten ist zur�ck, der Offizier hat die �Festung" seines Zuges, eine schon von der Natur bevorzugte Stellung, erreicht und schie�t nun selbst mit dem Manier und packt mit den Seinen den Feind in Flanke, rechts oben am Berghang. Auf diese Gruppe hat er es besonders scharf, die m�ssen ihm sofort vom Leibe. 3n die Pl�nkelei donnert pl�tzlich unsere �Pepi" hinein mit
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einer 24-Zentimeter-Granate, eine m�chtige Erd- und Rauchwolke erhebt sich hart unter der Bergkuppe, ein entsetzliches Get�se, Steine sausen hinab, der Boden des ganzen Talbeckens erzittert � wie ein Bulkanausbruch ist der Krach gekommen. Wartet, wir f�hren euch zwei weitere Fr�uleins vor! ....
And wieder wird Ruhe in Gottes freier Natur � herrliche Herbstnacht. Warme Lust umf�chelt den Offizier, als er endlich in die H�tte heimkehren kann.
Dort ist inde� alles ausgestorben. Der Offizier z�ndet eiligst die Kerze wieder an, legt Stutzen, Feldstecher, Dienstg�rtel, ja selbst die Bluse ab � das Kamelhaarleibchen tut's allein, eilt die Post, die Befehle und Abfertigungen durch, die man ihm auf das Tifchbrett gelegt hat (denn kein Tag im Felde vergeht ohne einiges Papier f�r die Kommandanten), fertigt Telephonist und Ordonnanz ab, zieht Tagebuch und Feldpostkarten heraus und st�tzt m�de seinen Kopf in beide H�nde, die Arme auf das Tischchen gestemmt. La�t ihn sinnen und sehnen! Bald st�rt seine Stunde der Einkehr ein Ger�usch, 's ist halb vier morgens, der Sterne Glanz verbla�t und ergraut des Himmels Herbstblau. Hurtig springt er schon �ber den Laufgraben vor seiner H�tte hin�ber in die Wiese zu dem wiehernden Pferde, neben dem in zwei Eisenkochkisten der Kaffee dampft. Herum stehen schon einige J�ger, der ohne M�tze, der ohne Rock, jeder mit seiner weiten Menageschale in beiden H�nden und mit den Augen den ausschenkenden Koch verfolgend; denn der wei� auch unbedingt sicher das Neueste vom Stab und Train �wahr-
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getreu" zu berichten. Er schenkt gro�m�tig aus, erz�hlt und nimmt Briefpost und vertrauliche, pers�nliche Meldungen entgegen.
�He, willst denn keinen Kaffee?" brummt er den abseits stehenden Zuschauer gn�dig an.
Der Offizier lacht. �Gib her!", trinkt einen Schluck und gibt die fremde Schale dem Koch, der nun seinen .Mann" mit vielen Entschuldigungen erkennt, nebst einigen Zigaretten zur�ck. Wie das w�rmt nach durchwachter � durchdienter Nacht! 3n die k�hle Luft zieht der Kaffeedampf und verbreitet uns angenehmen Geruch. Schalen und L�ffeln klappern. Dort pfeift schon einer frohgemut fein Morgenlied und schl�gt ein Rad auf dem Boden.
Aber noch ist nicht abgespeist und schon pipst, pfeift und knattert und dr�hnt es wieder aus zahllosen L�ufen � Alltagskonzert, Alltagsarbeit, allt�glich tausend Teufel und Tod.
Me Gl�cksfiunde
September 1915.
Es ist Herbstsonnennachmittag, frisch warm und eine <?reude zu sitzen in der freien, unverdorbenen Natur des Hochgebirgbeckens, geradezu ein behagliches Ber-gn�gen. Lustgef�hl �berkommt Ihren Tiroler Krieger auf dem Erdb�nKlein hinter feiner H�ttendeckung, so sch�n im Schatten und so wohlig warm zugleich in der reinen lichten Luft, als s��e er wie in Borjahren mit seinem v�terlichen Freunde Dr. Karl Domanig, dem wackeren Poeten und Patrioten des A. Hoferlandes, in feiner sch�nen Sommerfrische tief drinnen in Ant-
holz oder Sexten, oder auf Beltthurns oder gar am Erler Berg, wo weiland seine besten Passions-spiels�ngerinnen hausten, wo kein Fremder ihn mehr st�rt und kein Menschenbau das Gel�nde verschandelt. Belustigt greift er in das rote Wirrwarr seines Bartwildwuchses. Wenn ihn so die Seinen s�hen? Ein Lacher huscht �ber die Lippen. Er denkt schon gar nicht mehr daran, da� auch er des Kaisers Rock mit echter Feldkriegspatina tr�gt und seit Monaten inmitten des Krieges steht, wieder eine wilde Nacht hinter sich ha! und eigentlich endlich einmal schlummern wollte. Er hat vergessen, da� ihm das Gewehrfeuer den Schlaf verscheucht hatte. Wie sch�n ist's im Herbst in einem Gebirgsbecken! Und er lacht die Blitzer und Geller aus, die �ber seinen Kopf zum Berg hin�bergirren: dort retirieren ja wieder einmal die Welschen und wollten sich doch f�r ihren venti Settembre einen gro�en Sieg erringen.
Wie sch�n ist's im Herbst! Als wenn er die reine Pracht nur aus M�rchen kannte, staunt er und freut sich dar�ber. And hat sie doch tagt�glich vor sich in wechselndem Gew�nde. Hat er sie bislang nicht beachtet? Doch und doch nicht. 3nt Graben und in der Deckung ist's d�ster und oft auch feucht und die Ruhe und Feierstimmung l��t sich nicht bestellen. Heute hat er sie beide. Und mit Andacht liest er in dem B�chlein von G�sta Beding, das ihm eine Dame als Liebesgabe gesandt hat. Alte Geschichte, schon als tr�umerischer Student durchjagt und ausphantasiert. Wie aber eine Iugendweise durch Jahre im Ohre nachklingt und, wieder in reiner Stimmung vernommen, all die kindlich trunkenen
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Gl�cksgef�hle in unserem Herzen vorzaubert, so wird durch Lagerl�fs Geschichte der Kriegsmann wieder weich und wehm�tig, feurig und enthusiasmiert, guckt oft auf, wenn er von den nordischen Bergen liest, zu den seinen, auf denen nun die B�ume rostig sich br�unen, und �ber den Wildhag des Beckens, das weder Sichel noch Sense s�ubert. Selbstherrisch ist wieder das Tal geworden, frei und kr�ftig, wie der, der es mit den Blicken fast aufsaugen m�chte.
And er klappt das B�chel zusammen, stemmt die Arme aus die Knie und l��t den Kopf in die H�nde fallen. Feiertag ist f�r ein St�ndlein bei ihm eingezogen.
So ein selten St�ndlein kennt ihr nicht, die ihr im Frieden, in der Stadt und in der Heimat zur�ckgeblieben seid! Es hat's aber im Felde der Mann wie der Offizier, und bei jedem und jedes Mal verl�uft es anders. Und jeder hat es wahrlich n�tig, einmal nach Monaten, in denen es keinen Sonn- und Feiertag, keine Weihekirche und keinen Gottesdienst gibt, nur Unrast und Ausregung, Blut und Ekel. Und es wirkt wie ein Frischbad und st�rkt f�r vieles.
Und wer ist der Bringer der Gl�cksstunde? Oft Gottes herrliche Natur, oft aber auch schon ein Brieflein von zuhause, eine liebe Gabe, ein erbaulich Buch� eine tolle Geschichte, eine gute Zigarre, ein Leckerbissen, ein brauchbares Feldst�ck: Kleinigkeiten, meist genug f�r die kurze Stunde, deren Gl�ck solange nachh�lt. Der Feldsoldat kann alles brauchen, die wachsleinwan-dene H�lle ebenso, wie den Inhalt.
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Gl�cksbringer, nennt das Volk die F�den, die der Herbst durch die B�ume zieht. K�nnten doch all unsere Krieger mit Gl�cksbringern zu einigen wenigen srohen Stunden vereinigt werden!
Abschied von F..........
September 1915.
.Es ist bestimmt in Gottes Rat", pfiff einer wehm�tig vor sich hin, gleichzeitig im Gedanken �ber den Besehl brummend, der ihn nach mehrmonatigem �Sommerfrische-Aufenthalt" im siegber�hmten Talbecken wei� Gott wohin versetzte.
Er hatte sich gerade nicht sehr gefreut, als er im Juli hieher kommandiert worden war. Die N�he des Karstes war nun einmal nicht sein Geschmack und die Ger�chte von den K�mpfen am Km und bei Doberdo lie�en nicht das Freudigste erwarten. Und jetzt wollte er am liebsten dableiben. Ist doch da ein naturpr�chtiges Hochgebirgsbecken fast wie das Steinerne Meer beim K�nigssee, den er so liebte.
Der zuckerhutf�rmige S k reckt sich gleich
einer Herkulesst�tze gegen den wechselblauen Himmel und sein Bergnachbar erinnert geradezu an Laurins Rosengarten mit seinem Geschrosse und Gezack. Alle die Kollegen in der Runde sind eigenartige Kerle, kraft-volle Felsmauern, deren rostbraune Herbstunterkleider im raschen Gegensatze zu dem Kahlgestein der H�hen stehen. Kraftstrotzend und wildwuchtig geb�rdet sich �berhaupt heuer die ganze Natur des Beckens, weil sie hier endlich einmal freim�tig aufatmen darf und ihre
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weitesten Fluren kein menschlicher Fu�' betritt. Und die Waldlandschaft verschlingt D�rfer und H�user � wilde Ruinen �berall.
Fast m�chte man sagen: Ruhe, Feiertagsstille liegt �ber dem weiten Becken. Dem Br�llen der Kanonen, dem Knattern der Maschinen, dem Sausen des Bleigesanges zum Trotz- denn die Natur feiert seit Wochen; ein Sonnentag reiht sich an den andern und heller Siegesjubel erhebt die Erdbewohner. Beiderseits des Marktes auf den Bergesh�hen steht seit vier Monaten unsere Grenzwacht und keine ihrer Stellungen konnte erobert oder durchbrochen werden. Die toten, kranken und gefangenen Italiener sind bislang der einzige Ertrag der St�rme.
Es waren keine lang vorbereiteten Stellungen, die unsere K�mpen, die Honveden und die wackeren 3ung-sch�tzen von K�rnten, im Mai bezogen hatten; sie mu�ten sich selbst erst in den Boden eingraben und verschanzen. Die Erdl�cher wurden in der Folge wohnlicher und ger�umiger, und wenn sie auch heule noch keineswegs zu den sch�nsten und komfortabelsten z�hlen, so l��t sich doch darin ganz gut einen Herbst aushalten. Es wird noch dar�ber hiesigen Orts gestritten, ob besser auf Bl�tenheu, Stroh oder Matratzen zu liegen ist; denn auch letztere finden sich nun in Deckungen.
�brigens schlafen alle gut, obgleich sie sich die Zeit vom Tage abstehlen und die Katzelmacher mit unrhyth-mischen Schlummerliedern gerne auswarfen. 3n den N�chten bleiben die Braven lieber auf, um die Herren Gegner zu beobachten und gegebenenfalls geb�hrend
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ZU empfangen. Und solches Nachtleben hat auch seine Reize, selbst wenn einmal gerade kein Dorfbrand die Dunkelheit verjagt und keines der �blichen Artillerieduelle sich abspielt. Die Scheinwerfer, Raketen und Leuchtpatronen sind sogar imstande, venezianische N�chte zu inszenieren und das vereinzelte Sssiu Bimm, Taktak der Sch�sse bringt in das dr�h-nendste Ba�konzert der Granaten und den �berreizten Sopran der Schrapnells unserer drei bronzebraunen Fr�uleins eine reichhaltige Abwechslung.
Aber �ber all dem Konzert vergessen unsere Braven ihre eigenen Musikkr�fte nicht. Es gibt nunmehr einen eignen �italienischen" Gesangverein unter dem Protektorate eines madjarischen Offiziers v. B. und eine tschechische Musikbande. Nat�rlich haben die beiden K�rperschaften ihre Geschichte und die Geburt der �italienischen Nationals�nger" z. B. datiert seit dem gro�en Welschensang im Talbecken. Dr�ben lockte man mit Manlicher, h�ben mit Volksliedern. Es war eine k�stliche Nachtpause, als das Garibaldi-Lied lockend-spotten� aus �sterreichischem Friauler-Mund zu den Katzelmachern hin�berdrang. Aber auch eigene italienische Weisen, von denen wir schon einige kennen, andere wie die boshaften Lieder auf den selbstredend sehr gestrengen Herrn dienstf�hrenden Oberj�ger Kompeta, folgen lassen, gaben die Ansrigen zum Besten. Das eine Gedicht, wie die fr�heren in Furlaner Dialekt, schildert in drastischer �bertreibung die Menageverh�ltnisse und die Ankunft beim Erfahk�rper, sowie den Dienstverkehr des �Allm�chtigen":
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Alla mattina, la mattina I! caffe nero no si mi g' ha mal Ma n anche tanto ben.
Al mezzogiorno brodo sporco No si mi g' ha mal ma tantoben.
Alla sera torna caffe nero No si mi . . .
E se dormi sulla paja,
No si mi . . .
Poi ne manda stii Carpati No si mi . . .
Poi ne rompi la sofita No si mi . . .
Poi ne manda in ospidale No si mi . . .
II dottore ne fa �diensttauglich"
No si mi . . .
Poi ne manda sul Kadro No si mi . . .
II Kompeta, II Kompeta ne manda alla marc [Qjuel brutto porco ne manda alla Marsch (-Kompagnie)^
No si mi . . . und so fort!
Den Auszug ins Feld begr��t ein Duett:
Tenor: Guarda che bella macdhina Ba�: Con trenta sei waggoni Tenor: Dentro c' sono i caggiatori Va�: Del venti bataglion.
Addio Nineta mia!
E non si vedemmo pi� E non si vedemmo Y altro,
Non sta far amor coli' altro Che mi ritornero.
Die b�hmische Musikbande ist dagegen etwas st�rmischer; sie spielt mit der Ziehharmonika auf und sorgt
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daf�r, da� der letzke Schl�fer aufmacht und der letzte Weintropfen vertilgt wird.
Es gibt n�mlich auch hier fast t�glich einen guten Tropfen zu verkosten und die n�chtliche Menage brauchte das Tageslicht nicht zu scheuen. Der .Schwarze" dampft schon vor den ersten Morgennebeln und wieder nach Mittag und der dazu geh�rige halbe .Kommi� verfeinert sich sichtlich, so da� er den Neid aller Hinderl�ndler erregen d�rfte. Die Zubu�en von Fischkonserven, Speck, Schokolade und der Rauchta-dak, sowie die geradezu unentbehrlich gewordenen Zigaretten h�tte wohl mancher der slowenischen Zager sich in Friedenszeiten nie geleistet.
Die Gesellschaft in den Sch�tzengr�ben ist ein bi�-C<^ �sterreichisch vielsprachig; slowenisch, fri-aultsch, steirisch, tschechisch, ungarisch, ja selbst ruthenisch und buchenl�ndlerisch kann man da mitten unter dem K�rntner Dialekt heraush�ren. Aber alles gut Freund und Kamerad, brav �sterreichisch und soldatisch ohne Unterschied. Getreu der Aberlieferung Radetzkys:
�Krowatisch, deutsch, wallisch,
Ungarisch durchanand Und do reden ma a Sprach Gilts Oesterreicherland!"
Ha, wie die Kerle den Katzelmachern �heimleuchten , wie nett sie sie einsangen! 3n mancher Deckung gibt es nur Dekorierte. Alte Tapferkeitsmedaillen, in Galizien erk�mpft, und neue hellblinkende vom letzten Sieg am 17. September, wo nicht weniger als 1000 Welsche aus der Walstatt als Tote oder Gefangene blieben. (Lies nur nach im Generalstabsbericht!) 's ist auch kein so Tag und Nacht von den Katzelmachern ge-
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kitzelt zu werden, bald mit einer brummigen Granate, bald mit singendem Blei. Unser Feldj�gerbataillon hat
bei F unter dem Kommando des Hauptmanns H.
und des Oberstleutnants Lanna sch�ne Erfolge erzielt. Der obenerw�hnte Sieg ist zum gro�en Teil die Tat der vierten Kompagnie und ihres Kommandanten Oberleutnant B r o z (der nach fast ununterbrochener Feld-dienstleistung im September 1916 durch einen Granaten-Bolltresser den Heldentod am �S�dkar" fand. Broz war einer der beliebtesten Oberoffiziere des Bataillons, ein pflichttreuer, unerm�dlicher, lebhafter und lustiger Drei�iger, dessen linke Brust durch eine Reihe von kaiserlichen Auszeichnungen geschm�ckt war. Sein Andenken lebt in Ehren beim Bataillon fort). Die unangenehmste Stellung in dem ewigen Feuer aber hielt die 1. Kompagnie unter Hauptmann 3.
So ist es begreiflich, wenn wir nur schweren Herzens vom Tale der Soca mit ihrem stolzfesten Forts H. Abschied nehmen, den schon vor 40 Jahren der slowenische Priesterpoet Simon Gregorcic vorausgesagt hat:
..... Sch�n bist du, muntres Alpenkind, mit Reiz hat dich Natur umwoben und deine klaren Tiefen sind noch rein von finstrer St�rme Toben.
Doch ach, um dich, du Arme, br�tet Ein drohend Wetter, schwer und wild; ich feh's, wie's dort vom S�den w�tet hin �bers fruchtbare Gefild, das deiner Wellen Lauf beh�tet.
Weh', da� die Stund' sich bald erf�llt!
Ob dir der lichte Himmelsdom, doch um dich Blei wie Hagelschauer? ein Regen Bluts, ein Tr�nenstrom
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und Blitz und Donner � Tod und Trauer.
Da blinken Schwerter, K�mpfer sinken und B�che Blutes wirst du trinken, gen�hrt von unserm Blut so rot, beschwert von uasrer Feinde Tod.
Dann magst du, Soca, dich erinnern an mein Gebet aus tiefstem Innern:
Was du an Wassern h�ltst bereit in Wolken deines Himmels weit, was in den Bergen noch vorhanden und in der Eb'ne Blumenlanden, la� alle los aus deiner Hut, schwill an zur furchtbar m�cht'gen Flut!
Verla� der Ufer engen Schlund und trotzend allen Widerst�nden la� fremde L�ndergier verenden in deiner Tiefen tiefstem Grund.
(Uebersetzt von Dr. R. v. Andrejka.)
Ich komme� toter Kmserj�gerkamerad (Einem am K.. Gefallenen; statt des Nachrufes in der Tiroler Soldatenzeitung)
Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern sind'st du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Cr ging an meiner Seite �
Gloria, Gloria, Gloria, Victoria! � Mit Herz und Hand F�rs Vaterland . . .
Die V�glein im Walde,
Die sangen garso wundersch�n:
In der Heimat, in der Heimat,
Da gibt's ein Wiedersehn!
Dort dr�ben �berm Berge
Liegt tot mein Kamerad;
Den jungen blassen Blondkopf
Das Blei getroffen hat.
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Ein Berg uns nur mehr trennte,
Nach langer Kriegsirrfahrt,
Ich hoffte schon und mahnte:
�Hab' nur Geduld und wart'!"
Nun wartest du noch immer.
Ich kam nicht zu dir hin;
Mu� hier ja weiterk�mpfen.
Bis ich getroffen bin.
Ich h�r' dich, Landsmann, mahnen.
Hab' nur Geduld und wart'.
Ich will dich doch erst r�chen Nach echt Tiroler Art;
Mu� erst den Feind verjagen Aus Vaterland und Stadt,
Dem Schufte bar bezahlen.
Was er verraten hat.
Dann sterbe ich ja gerne Dir nach den Heldentod;
Lebt wohl, ihr frei'n Tiroler!
Erbarm' dich Herr, mein Gott!
Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern keiner hat ... � Bleib' du im ew'gen Leben Mein guter Kamerad!
Isonzo, 17. September 1915..
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Der Unterstand �Zur Marlinswand�
M Oktober 1915.
? �"? erffen �Unterstand" in den jnlischen Alpen fand ich des Nachts am Ostrand des H�gels" als ich m�de und ohne Kenntnis der Lage mich in einen Ickten Sch�tzengraben fallen lie�. Ehrlich zugig,
Ln fUnt roar i>iefe5 Aobinson-Dasein wohl, doch dauerte es nur wenige Tage, bis ein Wiener Landwehr-Leutnant seine Titi-Billa" weiter �stlich auf demselben H�gel mir einr�umte.
Das H�uschen war s�uberlich aus gleichm��ig saust-dicken Tannenst�mmen gezimmert, mit Blech und Pappe gedeckt und mit zwei fast unf�rmlich gro�en
< p l, ia^en' m!f und St�hlen und einem Bild oes hl. Johannes ausgestattet.
einem blutjungen G�rzer Leutnant aus der Akademie teilte ich dieses ansprechende Heim und be-reicherte es aus dem Wege der Requisition mit weite-rem notwendigen Hausger�t. Sogar eine langhaarige schwarze Katze nahm der Leutnant gastfreundlich dort
Das feindliche Gegen�ber, dem unsere Fenster- und T�r�ffnung zugewendet waren, st�rte uns erst, als es gerade aus unsere H�tte seine Granatengr��e her�ber-sandte. Immer n�her kamen diese Speiteufel; zwanzig, ifjjf' dE, endlich gar zwei Schritte neben der H�tte schlugen die 21-Zentimeter-Geschosse ein. Die Ka-nonade �berstand ich zwar gl�cklich, aber die H�tte lie� s ltdem Regen durch; sie war wackelig geworden und
stand nun g�nzlich ungedeckt auf einer Waldlichtung des H�gels.
Da r�ckte ein schneidiger Landsmann und Kamerad 3. von den Kaiserj�gern herein, und nun ging's wieder ans Bauen. Sein Diener war Grubenarbeiter von Beruf und der meinige beim Holz zu Haufe, da mu�te unter unserer Anleitung das Werk wohl gedeihen. Ein m�chtiges Blockhaus entstand, nach Art der Almh�tten, halb in der Erde, halb mitten im Wald. Aber noch ehe der Neubau recht vollendet und w�rdig eingerichtet war, wurde ich an den rechten Fl�gel unserer Stellungen im Talbecken abkommandiert.
Mit schwerem Herzen zog ich in die leichte H�tte meines dortigen Borg�ngers ein, die mit R�cksicht auf ihre besondere Bedeutung als Kasino der Kompagnieherren und ihr lustiges Borhaus das �Gasthaus zur d�rren Laube" genannt wurde. Gottlob war ich diesmal mit dem Bau von Winkerdeckungen besch�ftigt und kam nicht f�r mich selbst zum Bauen, denn bald hie� es wieder wandern, abseits des oberen 3fonzo, die Ko-ritnitza entlang und weiter in ein Hochtal, das an rauhen Reizen meinen lieben Tiroler Bergen nicht nachsteht. Es war kein Leichtes, bei allem Hundewetter sp�t nachmittags schwerbepackt da hinaufzuklimmen. Stockfinstere Nacht umgab uns, als wir erst in die Neservestel-lungen gelangt waren. Sie waren von slowenischer Landwehr besetzt, die wir abl�sen sollten, die aber infolge des Unwetters unm�glich noch in der Nacht abmarschieren konnte. So kamen erst noch recht schlimme Stunden und so mancher lag noch am n�chsten Morgen unter einem Baum oder Felsen, die Montur, sogar Brot-
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und Rucksack vollst�ndig durchn��t, und da es in Str�men weitergotz, war an ein Trockenwerden gar nicht zu denken. Das Beste war noch, da� der Feind weit und der Nebel stark war, soda� wir nach dem Abzug der anderen in der folgenden Nacht wenigstens die vorhandenen Schwarm�fen heizen konnten.
Das Gl�ck hatte mich diesmal beg�nstigt. Bei zwei slowenischen Kameraden der vor uns abgel�sten Landwehr fand ich Unterkunft in der ..Villa Nadehky", einem soliden Blockhaus, das keinen Negen durchlie� und h�bsch warm hielt. Da blieb ich nat�rlich auch, als die gastfreundlichen Herren abgezogen waren, wobei sie die meisten Einrichtungsgegenst�nde uns zur�cklie�en, und nun konnte ich meinerseits zwei Kameraden Unterschlupf gew�hren.
Als schlie�lich f�r uns der Befehl kam: Alles in die vorgeschobene Stellung!, da konnte ich bei lachendem blauen Himmel darangehen, meinen sechsten Unterstand (binnen zwei Monaten) zu bauen.
Oft hatte ich dar�ber geschmunzelt, da� in der (Eingangsszene oder in der Hohle-Gasse-Szene zu ..Wilhelm Tell" die Felsenlandschaft gar so systematisch gestellt erschien. Solch eine Auffassung von einer Felsenlandschaft hatte ich f�r kindisch theatralisch gehalten. Und nun hatte mich der Krieg just in solch ein Hochtal geworfen, das seinen Abschu� geradezu durch eine Felsenleinwand zu finden schien. Zu beiden Seiten lagen die Berge einander wie Kulissen vor, nur die ber�chtigten Soffitten fehlten in dieser Eebirgsszenerie. Und wie an einrr Nampe erhoben sich vorne unsere Stellungen, das Proszenium unserer Haupt- und Staatsaktion, bei der aber
die Gegenspieler nie recht mittaten un� schlie�lich die Lawinenwelt dareinfuhr.
Freilich war mein neuestes Naturtheater dennoch keineswegs so steif und langweilig, wie die Gebirgslandschaft auf einer st�dtischen Guckkasten-B�hne, denn bei aller Regelm��igkeit des Gebirgsaufbaues und des Rhythmus der gro�en Linien zeigte der scheinbare Abschlu� des Hochtals den seltensten Reichtum gotischer Gebirgsarchitektonik. Alle diese Spitzen und S�ulchen, diese T�lchen und Erhebungen, die Mannigfaltigkeit der K�mme und Einschnitte, dort der horizontale, hier der fast vertikale Schichtenbau des Kalkgesteins, das bunte Wachstum von Moos, Gestr�uch, Stein- und Wasserbuchen, die Schuttmor�nen und Schneehalden, die Farbenbuntheit und den Linienwechsel, wie die Natur sie schafft, kann eben kein Maler auf einen Prospekt zaubern. Was aber die B�hne unbotm��ig bietet, das grelle Licht, fehlte uns in der Talklamm fast ganz.
Wie erb�rmlich klein nahm sich in dieser Umgebung das Bauwerk der Menschenh�nde aus: die Stellungen unserer unerm�dlichen J�ger! Gedeckt durch den Waldrand und durch Felsbl�cke, erhoben sich aus der schwarzen Erde die Deckungen aus Stein und Holz, K�hlerh�tten gleich, die sich gegen Wetter und Schnee schirmen wollen.
Es war nicht leicht, den Gesetzen der �Heimatkunst" entsprechend, sich hier seine H�tte zu bauen und f�r den Winter vorzusorgen. Endlich hatte ich aber doch den richtigen Platz daf�r gefunden. Ein f�nfeckiger Felsblock lag rechts oben, fast schon an der Gebirgswand, in der vordersten Sch�tzen-
wmtwrr MU�M,
linic. Seine [feilsten Spitzen unb Borspr�nge waren gegen ben Himmel unb gegen ben Talabschlu� gerichtet, seine Breitseite aber talabw�rts. �Hier ist gut sein, hier will ich meine H�tte bauen", bachte ich, rief meinen Diener unb ben Zugf�hrer, entwickelte ihnen meinen Bauplan unb in brei sch�nen Sp�therbsttagen war bas Werk getan.
Der Felsblock biente als Schutzschilb gegen ben Feinb, ber vorn unb links oben aus bem Gebirgskarnm ffanb, unb ersetzte bie vorbere H�ttenwanb. Zu beiben Seiten entstauben aus Steinen unb Aasenziegeln t�chtige Mauern, bie zweite L�ngsseite w�rbe aus Brettern erbaut, mit Moos verstopft unb tapeziert unb in ber Mitte mit einer T�r versehen, bie fr�her einem Forsth�uschen angeh�rt unb bort zu einer Glasveranba gef�hrt hatte; rechts w�rbe ein Fensterst�ck eingesetzt, bas Dach aus Buchenst�mmen, Bl�ttern, Rasenziegeln, Sanb unb Pappe zusammengesetzt unb schwere Steine unb � zur Maskierung � viel Ge�st baraufgeh�uft Diese H�tte benannte ich �Zur Marfinstvanb"; an ber oorberen rechten L�ngsseite konnte man tats�chlich bie Felswanb sehen unb bas fast ganz mit Pappe austapezierte Innere erhielt bie Illusion eines Felsloches aufrecht. Ich stellte mir vor, bie ber�hmte Klause ber Martinswanb bes Kaisers Max bei Zirl, gegen bas Innfal zu burch eine Wanb abgeschlossen, k�nne nicht anbers aussehen als bieser linterftanb. Statt bes Kreuzes in ber Klause hing hier ein Kaiserbilb � Franz Joses I. als J�ger , unb biefes pa�te gerabe hierher, ba unser Monarch in einer Felsenkluft sitzenb abgebildet ist. Diesen sch�nen Stich schm�ckte ich mit einer alten
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�sterreichischen Fahne, mit frischroten Alpenrosen und ein paar Edelwei�, und als Siegestroph�e brachte ich
den erbeuteten Federbusch eines Bersagliere aus F____________
an; daneben hingen der S�bel und der Spaten. Die �brige Wand blieb leer.
Da� ich eine Matratze, f�nf Decken, zwei St�hle � alles Beutest�cke �, einen Tisch, eine teuer erstandene K�chenlampe, Teller, Flaschen, Gl�ser und einen Schwarmofen, laut meinem Inventar (das als �Warnung" f�r �minderbeg�terte" Besucher und zur Orientierung f�r den Nachfolger an der T�r hing), langsam herbeischaffte, machte die H�tte �Zur Martinswand" nur noch wohnlicher. Auch einen Fu�boden wollte ich gelegentlich der n�chsten Bretterfassung mir zulegen, doch da hatte das Kriegsgeschick mich schon auf eine der H�hen �verschneit", wo unsere st�rkste Feldwache lag.
Was das alles mit dem Krieg zu tun hat? Diese Baumeister- und Dekorateur-T�tigkeit? Du lieber Gott! Auch im Weltkrieg werden nicht tagt�glich Schlachten geschlagen, und hier hatte es mit den gro�en K�mpfen eben noch ein wenig Weile. Es krachte wohl alle Tage so mancher Schu� ins Tal und ins Gestein und l�rmte und dr�hnte � aber das war nur welscher Theater-effekt ohne alle moralische Wirkung auf unsere braven J�ger, die schon bei Zaleszcyki im Norden und dann bei Doberdo und F. � im S�den redlich das ihrige getan hatten und sich nicht mehr verbl�ffen lie�en. So h�tte eben auch ich eine Zeit lang Freilichttheaterpl�ne hegen k�nnen f�r die Festspiele der K�stenl�nder und K�rntner zur Feier unserer Abwehr welscher Einbruchs-
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versuche, und dabei konnte ich auch H�tten bauen, Verteidigungsmauern auff�hren,- Kriegswege anlegen____________
Wenn's aber drau�en so dr�hnte und l�rmte, da dachte ich gerne an mein Studierst�dtlein in Vorarlberg. Allsonnt�glich konnte man die Sch�tzen unten am Sta�tfchroffen �Brettelbohren" h�ren, und statt Zu �ochsen", pa�te ich � es ist seither schon fast ein Jahrzehnt verstrichen � auf jeden Schu� und sein vielstimmiges Echo in der Bergklamm auf. Nicht anders t�nt mir heute und hier Las Schie�en ins Ohr. Me Welscye Knallerei beirrt uns ebensowenig, wie einen St�dter der Wagenverkehr in den Stra�en; wo's nicht anders geht, weicht er aus, ohne Furcht und lange Aeberlegung. lind wer, dank seiner Sorglosigkeit, einen Denkzettel erh�lt, der h�lt sich fortan sorgsamer auf dem B�rgersteig. . .
Einige Tage lang hatte ich in meiner Klause Zur Martinswand" fast kl�sterliche Ruhe und konnte "eine wahre Weltabgeschiedenheit genie�en. Zwischen einem herbstpr�chtigen Buchenwald und dem seltensten Ge-birgstheater hauste ich ohne alle Lebensallotria, f�r mich allein, und studierte Karten und Zeitungen, verschlang alle nur erreichbaren B�cher und bereitete mich resigniert darauf vor, hier unten im Hochtal oder droben auf einem der Gipfel, wo das feindliche Blei gerade wieder einen Kameraden ereilt hatte, zu �berwintern.
Und das geschah in dem Tale, wo vor hundert und mehr Jahren ein Napoleon in K�rze durchgebrochen war. Keinem einzigen Italiener ist aber bis heute auch nur der Abstieg ins Tal gelungen. Ma: Italia fara da se.
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In der Waldklamm beim Schwarmofen
M Oktober 1915.
Zn der Waldklamm des M -Baches regnet es
feit einer Woche in Str�men und aus ihren steilen H�hen liegt Schnee, als w�ren wir im Meihnachtsmonat. Der armselige Bach f�llt nun bald schon fein ganzes weites Bett aus, das vordem mit dem reichen wei�en Gestein und feinen Sand von weitem den Weg zwischen den hohen Felsen und den dichten Buchenwald gewiesen hatte. Das ganze obere T�lchen ist ja eigentlich nur eine gro�artige Hochgebirgsklamm, bis zu deren F��en sich der Laubwald herandr�ngt.
And mitten drinnen ist im Kriege ein Walddorf entstanden, zwar nicht so eines wie es ein Anton Schott und Max Gei�ler in Romanen vorzuzaubern verstehen, aber immerhin voll Stimmungsgehalt, der nichts mit dem Gr��lichen und Grausamen des grandiosen Krieges zu tun hat. 3n langen Reihen stehen inmitten der Buchen die Deckungen der Mannschaft, aus wei�grauen St�mmchen erbaut, dazwischen und darinnen Laub, auf den D�chern schwarze Pappe. Wenige Schritte r�ckw�rts erheben sich die H�tten der einzelnen Kommandanten. St�rkere St�mme hat man daf�r verwendet, T�ren gezimmert, aus einem nahen Forsth�uschen wohl auch ein Fenster, einen Stuhl, ein Bild aufgebracht. Wenn's hoch geht, ist ein Bretterboden gelegt und eine Matratze ins Hochtal geschleppt worden. Die meisten Offiziere liegen jedoch, gleich wie die Mannschaft, auf Holzwolle oder Stroh in engen Schr�gen, einer ober dem andern.
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Das Kriegsdorf im Walde hak mehrere Parzellen Die vorgeschobensten, die der Feldwachen, sind selbstredend sehr einfach und kriegerisch gehalten. Die erste Kampflinie am Waldrand ist stark maskiert und in den Boden vertieft. Die Reservestellung und der Standort des Stabes am �beh�bigsten" ausgebaut. Wir sind nun inmitten des Walddorfes, an dessen Westende der Train, die K�chen und der Hilssplah gelagert sind. Dort waltet unser lieber, sangesfroher Chef- und Oberarzt vr. Franz T.... mit seinen Leutschnamigen Vollblut-madjaren, den Sanit�tss�hnrichen. Bez�unte Kieswege erm�glichen die notwendigsten n�chtlichen �Spazier-g�nge', ohne von der verr�terischen Beleuchtung der Taschenlampen Gebrauch machen zu m�ssen.
Das H�ttendorf b�te in der weiten Ebene zur Frie-denszeit wenig Reiz. Inmitten des Buchenwaldes und der Bergst�rze jedoch, inmitten der gr�n-gelben und rostbraunen Herbstpracht des Laubwaldes und der ernstdrohenden Majest�t der hohen Felsengrenzw�lle, hat sich auch auf die rauhen Kriegsd�rfer der Herbsthauch der stillfriedlichen Natur gesenkt und ihr stilles Schaffen und Sinnen hat nichts gemein mit der Rauheit des bisherigen Kriegshandwerkes fr�herer Schaupl�tze. W�ren nicht f�rsorgliche Herzen, so rosteten wohl die Gewehre in den Schie�scharten der Deckungen. Die R�stungen liegen ruhig in den H�tten, die Patronen im Magazin. Kein Feind ist zu sehen. And nur selten fallt eine welsche �Damengranate" in die einsame Waldklamm und gellt ein Flintenschu� an die Felsen-w�nde und zur�ck, kann aber nicht mehr entrinnen und mu� in sich selbst sich verbohren und oergrollen, wie
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auch der Zorn der Welschen, die uns nichts anhaben k�nnen und ihren Unmut gegen die Eigenen kehren m�ssen.
Ein Herbstidyll in der Waldklamm! Wie man's nimmt. 3a, es ist alles leise und friedlich gestimmt, herbstlich und heimatselig, �ber dem herbstlichen Ge-wittersturz und dem ewigen Regen tropft und trieft aber auch alles, die Felsen, B�ume, H�tten, Menschen und Stimmungen. Da verzieht sich gerne einer in die Deckung und feuert heimlich sein Oeflein ein.
Ein �rarischer Schwarmofen ist eigentlich ein unscheinbares, kleinwinziges Gesch�pf, 40 Zentimeter lang, breit und hoch 20, zusammenklappbar wie eine gro�e Bonbonschachtel, nur da� er zum Unterschiede aus Eisenblech besteht und dazu noch eine R�hre besitzt, die zwar mehrteilig, jedoch kaum l�nger als ein Meter, fast rund und mit einem Tellerchen, d. h. einem Funkenf�nger, bedacht ist. Selbst vier zierliche F��chen, Zugl�cher und einen Stift zur Befestigung der R�hre findet man anf�nglich an dem Quadratst�ck, d. H. dem Schatzk�stlein der Schwarmh�tte, das nun die gr��te Anziehungskraft auf alle Inwohner aus�bt. Mit Emsigkeit schleppt jeder m�glichst viel d�rres Holz herbei (l��t wohl auch einmal hierbei ein sch�nes Brett und dergl. �links schwenken"), spaltet es und schnitzelt Rosen, sammelt and�chtig jedes Papier, h�uft sich wie ein Hamster seinen Reichtum im heimlichsten Winkel der Deckung auf und sch�tzt ihn gegebenenfalls selbst mit seinem Zeltblatt, das ihm doch sonst schon als Bettuch, Regenmantel usw. h�chst freundliche Dienste erweist. Mit Andacht wird bei Eintritt der Dunkelheit H�lzchen
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�auf H�lzchen in dem Eisenblechkistchen aufgespeichert, mit Hilfe des Papieres das noch immer gr�ne und feuchte Zeug angefeuert, obgleich die Augen schon tr�nen und alle K�nste den bei�enden Rauch noch nicht durch die R�hre zu treiben imstande sind. Endlich raschelt und prasselt ein Feuerchen, knistert das Holz, das Osent�rchen (gleichzeitig die ganze Vorderseite des Ofens) wird befriedigt zugeschnellt, feuchtes Holz um und nasse Kleider und W�sche ober dem Oefchen aufgespeichert und schon sitzt die ganze Bewohnerschaft der H�tte im Merkelkreise um das sich selbst erhitzende K�stchen in der Ecke, reibt sich die H�nde, holt sich ein Spr�chen, faucht seine Pfeife oder Zigarette an und raucht, schwatzt, sch�rt nach und f�hlt sich wie im siebenten Himmel. Das sind die sch�nsten Stunden des Waldd�rflers von M.............
Der Schwarmofen hat schon einige Hafnerk�nste gezeitigt. Der eine zementierte das Kleinod in einer �Stuben"-Ecke ein, der andere errichtete aus Stein und Ziegel einen Kachelofen, um die k�stliche W�rme m�glichst lange festzuhalten.
Durch die vier L�cherreihen am Lurchen leckt die Mut mit roten Zungen, lachen jeden die Fl�mm-chen an und ihr Widerschein glost und blinzelt durchs Dunkelgemach bis zu den wei�grauen St�mm-chen hin�ber, spiegelt sich selbst bis zu den Dachbalken hinauf und spielt so mit dem Heim und den Phantasien der Menschen bis tief in die Mitternacht, bis alles beseligt schl�ft und tr�umt, so sch�n, so ruhig, wie schon lange nicht mehr seit Kriegsbeginn, gl�ckselig in der n�chtlichen Stille und Sicherheit.
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Fast so wie daheim, inmitten im Frieden, inmitten der Eigenen. Ein bi�chen Meihnachtsstimmung und Wehmut erreg! wohl das warme Gl�cksgef�hl des Schwarmofens, teils schon dadurch, da� er alles trocknet und �ber den ewigen Regen tr�stet, teils, da� er Speise und Getr�nk siedet und erhitzt. Er kocht die erk�ltete Menage � Suppe mit Rindfleisch zu Mittag und Abends Gulasch und �Schwarzen" und als eigenen Rachtrag: ..Dachpappenkaffee", d. H. den mit Traufenwasser gekochten Sud, falls Brunnenwasser und reiner Schnee gerade fehlen � er schafft aus dem t�glichen Wein ein k�stlich Getr�nk � kurz und gut: Der Schwarmofen ist das Faktotum der H�tte zur Herbst- und Winterszeit. And so rostig und so ru�ig er auch aussieht, er ist aller Liebkind und wird von allen ausgenutzt, bis er versagt. Das f�llt ihm aber � ehrlich gestanden � nur selten, meist erst sp�t ein.
3a, wie klein sind die Freuden und wie gen�gsam die Leute geworden, die das Gr��te f�r das Vaterland leisten!
Der erste Schnee
M Oktober 1915.
Ein kalter, prachtvoller Sp�therbstmorgen schwingt sich �ber die Hochwaldklamm auf. Aber ihre S�dwand duscht das grelle Licht und leuchtet durch Busch und Baum, von Schroffen zu Schroffen, gleich als ob es immer neue Farbenerfolge erhaschen wollte. Neues Leben dringt in die Herbstbuntheit, die schon �ber die endlosen Regentage ins Faulbraune mit einem Stich ins Biolette steuerte. Nun erst dr�ngt sich das Saftgr�n und
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Goldgelb wieder kr�ftig vor und spielt in allen T�nen bis hinauf zum Dunkelrot. Und Fels und Blatt gl�nzt und glitzert und spielt mit dem Licht in jedem Hauch.
3e unruhiger da das Geschr�ff der Waldklammwand, desto leichter und loser liegt der Kristallschnee auf den Schichten des Gesteins gleichwie Zucker ausgestreut, als ob er all die Adern und Lagen des Gebirgs-baues offenbaren m��te. Solchen Anblick haben die Alpen nie gew�hrt. And welch harmonische Zusammenstellung der Farben: Das lichtgrelle Felsengr�n, der blendend wei�e Schnee und das Reinblau des Himmels. Und dann wieder eine wollige Molke, halb geblendet vom Licht, halb noch im Matten) und neben der Gebirgsmauer wildestes Steinzickzack, leicht err�tet.
Wie pl�tzlich r�ckt die Sonne in die Wolke selbst, eine kalte, st�hlerne Bl�ue eil! �ber die Felsen und ihren Schneeschmuck und die vielgestaltige N�ckwand der Waldklamm verschwimmt in runden, dunklen Massen. Nur f�r einen Augenblick, und greller denn je erstrahlt das Hochtal unter dem Sonnenrad. Die Schneestreifen auf den Schichtreihen des Gebirgsftockes flimmern gleich Silberpl�ttchen und in zahllosen Farbent�nen von granitenem Erzwei� bis zum verwittertsten Schwarz stuft sich das Gestein ab.
Das Dolomitengezack der Hochwaldklamm tr�gt stolz wie ein Diadem den Schneeschmuck im Glanze seiner Son-nenpracht. Und das Walddorf, die einfachen Leute in den Wigwams zwischen den schmal-und kurzastigenBerg- und Wasserbuchen - alles, alles freut sich und ist frohen Mutes und schafft auf den Bergkuppen erst recht. Nat�rlich! Bald werden Meter auf Meter von Schnee fich t�rmen
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und in feinen Wellenlinien die H�tten und Blockh�user verdecken, die Proviant, Munition und Material f�r Monate aufnehmen. And die rostigen Buchenbl�tter werden fallen und die Blicke der Gegner zwischen die nackten, silberh�utigen St�mme durchlassen m�ssen. Aber dann wird man nichts mehr sehen: Das Wald-dorf ist f�r sie verschwunden unter der Schneedecke.
Ob dann �berhaupt der Feind auch Wache halten wird auf den eisigen Firnen? Ob die Seinen nicht den Anbilden des Wetters weichen werden? Die Anseren halten jedenfalls treue Grenzwacht trotz Winter und Krieg, die treuen, stillen Feldj�ger.
Unsere Samt�tspatromlle
M November 1915.
Da unten singt und klingt es und jauchzt und ein Jodler steigt die Felsw�nde hinan. Das m�chtige Echo gellt in den Ohren der Welschen. Bollmondennacht gl�nzt �bers Hochtal. Wie M�nnerriesen stehen die entbl�tterten Steinbuchen im Schnee. Still ist's im Soldatendorf. Alles lauscht, was noch wach; es lauschen die Posten, die langsam vor den Hindernissen auf- und abgehen und es lauschen die gestrengen Inspektionen. So alt und armselig die Meise vom Bienenhausherzen und so ver�chtlich die Ziehharmonika zu Friedenszeiten gewesen, hier im Hochtal, wo nur das Blei singt und die Granate kracht, weckt das gemeine Instrument in all den beschwerten Herzen Freude und Lust und l��t den Alltag vergessen, den schon so lange der Kriegsgott regiert.
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Der Musikant versteht sich auf Stimmungszauber. Wenn tags�ber die B�chsen knattern und die Steil-seuergranaten im Gestein und Geh�lz des Walddorfes spritzen, da� es einem das Herz zum Halse hinauftreiben m�chte; wenn der Mondschein um die Silberh�ute der Steinbuchen schleicht und aus dem Neuschnee die Kristalle sucht, und wenn alles in den H�tten ruht, dann, ja dann entsteigt er seinem Unterst�nde und beginnt langsam und leise. And ein jeder in den dunklen Deckungen steckt sein festt�glichstes Licht auf.
Dem er�ffnet er das �Bienenhaus" und jenem haut er den ..Holzhackermarsch" herunter. And f�r fast alle �sterreichischen Nationen hat er eine Spezialnummer. Er selbst ist ja ein Slowene, er selbst lacht ja immer mit der ganzen Breite seines Mundes und hat als Sanit�tssoldat es erkannt, da� die Freude ein probates Heilmittel gegen allerlei Krankheiten ist. And so spielt der Sanit�tssoldat eigentlich von Amts wegen, wie er mir einmal erkl�rt hatte.
Der Sanit�tssoldat Ivan Langewalter von den Zwanziger Zagern hat �berhaupt �von Amts wegen" Anschauungen, die nicht immer von Amts wegen vorausgesehen werden. ..Herr Kadett!" radebrechte er mir einmal auf dem Wege nach, �Herr Kadett, das ist ein Skandal!" Aus voller, tiefer Kehle sang er seine ethische Entr�stung heraus, da� ich best�rzt umsah. �Das ist ein Skandaal!"
Anwillk�rlich kam mir der Gedanke: haben unsere Sanit�ter wieder eine Schlauheit begangen, so wie damals auf Doberdo, wo zwei Neulinge von ihnen unseren ersten Verwundeten, dessen Gesicht mit Steinen
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und Sprengst�cken bearbeitet worden war, auch Beinschienen anlegten, weil es ja so sein m�sse, d. H. sie es in der Schule gelernt h�tten? � Gottlob, weit gefehlt!
Was war's? Den St. Petrus wollte er beim Rapport sehen, weil es schon so lange vom Himmel go�. Ein Skandal ist es ihm, wenn die �Polentarji" alle ihre Damengranaten justament in unsere Felsen hinein-bohren. Gem�� seinem Willen m�hten schlechte Artilleristen einige Monate nach Bruck geschickt werden.
Der gr��te Skandal war in seinen Augen die eigene Deckung. Die war aber auch darnach. Baut sich unsere Sanit�tspatrouille nicht in einen vormaligen Schafstalt ein? Bormalig ist dazu noch so zu verstehen, da� von dem nunmehr ber�hmt werdenden Schafstall kaum zur H�lfte die vier W�nde aus groben Steinen und der Eingang stehen geblieben sind. Die Hirten dieses Grenzhochtales g�nnten n�mlich gegebenenfalls den �Katzelmachern" nicht einmal ihren Schafstall und brannten deshalb bei Kriegsbeginn alle drei Steingeb�ude, ihr Wohnhaus und zwei Stallungen, einfach nieder. Die patriotischen Senner h�tten es sich wohl nie tr�umen lassen, da� ihre Ruinen, statt jemals in welsche H�nde zu gelangen, in B�lde die Grundmauern zu den wichtigsten Baulichkeiten unserer eigenen Talsperre bilden w�rden. Da hausen nun au�er der Sanit�t die Pioniere, die Professio-nisten, der gestrenge Dienstf�hrende und die Waldm�use (letztere in unserem Berpslegsmagazin).
Die Sanit�tssoldaten hatten nat�rlich mit der Ausn�tzung der Ruinen den Anfang gemacht. Ob nun der Slowene Langewalter oder der Friauler Mario Tonini, oder der sprachenkundige Benedetic oder ihr vornehm-
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feierlicher tschechischer Kommandant Milos K. oder ein anderer von der dreizehnk�pfigen Patrouille den Gedanken angeregt hatte, wei� ich nicht mehr. Tatsache ist, da� sie alle viel gr��er sind (an Ge-ftalt nat�rlich!) als Schafe und also den Eingang nur ..kriechend" passieren konnten. Aber auch im Innern r�chte sich die Nichtber�cksichtigung der eigenen Gr��e, dieweil �ber dem Schafstalle noch ein Heuboden stand. Aber den erkl�rte der Baumeister einsachhin als ersten Stock des Sanit�ts-Hauses und verteilte danach die Schlafstellen. 3n der Mitte des Hauses aber wurde dessen ganze H�he ausgen�tzt, und hier konnte also auch Gro� und Klein ohne Gefahr aufrechtstehen. Das Licht brachte dem ersten Stock ein Fenster ein, das (was wei� ich von woher) mitgegangen war, f�rs Parterre war nun einmal nichts dergleichen aufzutreiben.
Die Ausstattung des Sanit�tspalasles entsprach dem Charakter der Bewohner, das Kunterbunt der letzten Vergangenheit. Tragbahren, Tornister (die erst im Felde wieder zu unserer Wertsch�tzung gelangten), Rucks�cke, Zieh- und Mundharmonika, Mundvorrat und vieles andere war im Halbdunkel zu entdecken. Selbst ein kleines franz�sisches Gebetbuch eines Sanit�tssoldaten, der im Zivil � Trappist ist, fand ich auf einem der Wand-bretter. H�chlich erstaunt aber blieb ich vor etlichen Pajonen, das hei�t, Strohs�cken stehen. ..Ich liege auf blo�em Stroh und die haben schon Strohs�cke", fuhr es mir durch den Kopf.
Langewalter l�chelte mehr als sonst. �Neuestes Modell, Primaqualit�t aus der Fabrik der J�ger des 20.
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Jahrhunderts" (er meinte wohl unsere Zwanziger J�ger) versicherte er mir und zog einen ans Licht. � So ein Spitzbube, hat er nicht aus zwei Zeltbl�ttern ein Doppelbett verfertigt, f�r sich und den stillen Trappisten! 3a, der Krieg macht erfinderisch!
Aber es n�tzte alles nichts, schlie�lich zogen es die �Sanit�ter" doch vor, aus dem ehemaligen Schafstall in die ehemalige Wohnung der Senner umzuziehen. Nat�rlich nahmen sie alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. And was ist f�r einen Soldaten fest genug? So finden wir jetzt im �Herrenhaus" so ziemlich alle fr�heren Einrichtungsgegenst�nde, nat�rlich auch das einzige Fenster und den einzigen Schwarmofen wieder. Ansonsten ist es wohnlicher geworden. And wenn so ein armer Verwundeter von den starken M�nnern von den Bergen herab in ihre Stube getragen wird, mag es ihm hier bei der ersten Labung recht anheimeln.
Die Sanit�tssoldaten aber mit dem oft strengen, ernsten Dienst haben ihren Humor und ihre Musik mit ins �Herrenhaus" her�bergebracht und sie singen und spielen allabendlich und vertreiben, mit ihrem �g�ttlichen" Langewalter an der Spitze, die Langeweile, die Quelle aller Stellungskrankheiten.
Es lebe unsere Sanit�tspatrouille!
XXXI (8)
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Der Feldpofizensor
M Dezember 1915.
� . Auf, steht auf, ihr jungen Leute,
Schreibet einen Brief noch heute An Vater und an M�tterlein Und ans traurige Schwesterleinl
Jungen vier zusammentraten.
Um ein Brieflein zu beraten An Vater und an M�tterlein Und auch ans Trauliebchen fein.
Vater stand wohl auf der Schwelle,
Als das Brieflein kam zur Stelle,
Wie den Brief der Vater liest,
's M�tter! Tr�nen still vergie�t . . .
Slowenisches Volkslied, �bersetzt von Dr. R. v. Andrejka.
Der Tagesdienst ist beendet. Recht aufger�umt klinkt der Zugskommandant das Holzt�rchen seiner Deckung auf und � ein Blick auf das Tischbrett gen�gt, um sich in Unwilligkeit auf die ungehobelte Bank zu setzen. �Herr Kommandant, melde gehorsamst, die Post vom Zug", bringt der Diener in ungewissem Tone heraus. �Seh' ich!" brummt sein Herr zur�ck, augensichtlich �ber die neue, unerwartete Arbeit verstimmt, und greift rasch nach dem Sto�e von roten und wei�en Briefschaften.
�Die Kerle schreiben wieder mal den ganzen Tag. weil sie nichts zu tun haben. Mu� es ihnen doch noch einmal austreiben. Keine Karten m�chte ich am liebsten mehr verteilen. Dann k�nnt' ihr schreiben."
Der Bursche hat an seine �Gospoditschna" (Fr�ulein) geschrieben, f�hlt sich deshalb mitbetroffen und wagt nun zaghaft die F�rsprache f�r alle: �Herr Kommandant, melde gehorsamst, die Post von z'Haus ist die
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gr��te Freude f�r jeden J�ger. Und wenn er nicht schreibt, schreibend von z'Haus auch nicht.� So eine Durchtriebenheit! Als wenn seine �draga mi Pepica� schon zum Hausstand geh�rte.
Hoffentlich ergeht es ihm nicht wie seinem Kameraden K. L. mit seiner russophilen Anna:
� Ich schreibe Dir ganz kurz und klein,
Du sollst meine Liebste niemals sein,
Du bist es bald einmal gewesen,
Jetzt habe ich Dich schon lange vergessen;
Denn vorbei ist die sch�nste Zeit,
Wo auch Du mich hast gefreut.
Und f�llt es Dir nun wieder ein,
So denk', es kann nicht anders sein,
Geboren bin ich nicht f�r Dich,
Drum bleib' bei Deinem Emmerich!
. . . Die Iungsch�tzen sind noch viel zu gut f�r Dich, aber die Russen passen f�r Dich .... Diele Gr��e an Deinen geliebten Emmerich! Mit Gru� Karl." Dem armen Teufel erging es fast nach der Melodie des slowenischen Volksliedes �Po polju pa rozce cvetejo*
(�bersetzt von Dr. A. v. Andrejka):
Auf den Feldern bl�hen die Blumen, die Burschen, die zieh'n in den Krieg.
Nachhaus kommt der Bursch aus dem Felde, sein Dirndl, das steht auf der Schwell':
�O M�dchen, wie schau ich Dich gerne, mein Leben, das g�b' ich f�r Dich!"
�Wie darfst Du noch gerne mich schauen,
hab' schon einen andern zum Mann."
I. v. Eichendorff sang vor hundert Jahren auch nicht
viel anders seinen �letzten �ruf}�:
. . . Sie hat einen andern genommen,
Ich war drau�en in Schlacht und Sieg,
Nun ist alles anders gekommen,
Ich wollt', 's w�r' wieder erst Krieg ... �
Eine der vielen Trag�dien des Krieges. Und wie wird das Satirspiel ausfallen?
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Der Kommandant mustert weiter die Karten und Briefe fl�chtig durch. Sie sind slowenisch, deutsch, italienisch, tschechisch, friaulisch, mit Bleistift geschrieben. Das alles soll einer verstehen! Und das Geschreibsel, die Grammatik und die Orthographie! Da� Gott erbarm! Schon will er den Pack beiseite schieben und sein Auhe-st�ndlein einhalten, als er noch einmal zu lesen beginnt: �3m Anfange meines Schreibens ich Dich herzlich gr��e und gebe bekannt, da� ich noch ziemlich gesund bin .. .*
Potz tausend! fast immer dieselbe Einleitung und das �ziemlich gesund", f�hrt es dem Zensor �rgerlich durch den Kopf. Als wenn ihnen etwas fehlen t�t.
�Georg", ruft er zur T�re hinaus, �Georg, holen Sie mir den Svemec." And es kommt der schuldige Mann, ein junger Bursche mit vollroten Wangen, als wenn er gerade ausgebacken worden w�re.
�Sie, J�ger", schnauzt der Kommandant den Salutierenden scheinbar an, �was fehlt denn Ihnen eigentlich?" Der sieh! seine Karte in des Vorgesetzten Hand und wittert was Angutes:
�Herr Kummandant, m�lde gehorsamst, halt soviel gern h�tt i wiedr amol Kn�del und a Krainer Wurst!"
�Sonst nichts?" f�hrt es dem Zensor heraus und schnell berichtigt er sich: �Sonst fehlt Ihnen nichts?"
�Na, na, Herr Kummandant, Se fchaugen jo so of ins!"
�Weshalb schreibst's dann nicht um Speck oder W�rste nach Hause!"
�Herr Kummandant, m�lde gehorsamst, Herr Kummandant haben's verboten!"
�Was hab' ich verboten? Den Befehl hab' ich Euch
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vorgelesen und gesagt: Befehl ist Befehl! Das wi�t Ihr. Bon mir aus k�nnt Ihr jedoch ruhig um E�-waren nach Hause schreiben; um Schnaps nat�rlich nicht! Aber ob und wie sie ankommen, daf�r kann ich Euch nicht garantieren, weil die Feldpost nicht garantiert. Ich selbst bin froh, wenn ich von zu Hause einen Kuchen oder sonst etwas erhalte. Aber ob es auf der Reise nicht verdirbt und wenn, ob es wirklich ankommt."
Der Kommandant sprach das Letzte mehr zu sich und wollte sich offenbar nicht eingehender �u�ern, denn er steckte ostentativ seine Nase in die n�chste Feldpostkarte, sch�ttelte den Kopf und winkte dem Soldaten zum Abtreten: �Rufen Sie mir den Iuhart!"
Der Iuhart hatte im Felde stets �eine Mordshetz*, so schrieb er auf jeder Karte. �Jetzt gehen wir auch schon Gamselnjagen." So was schreibt der Kerl nach Hause, wo doch das Jagen verboten ist. Aber Iuhart l��t sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.
�Herr Kommandant haben ja selbst zugesehen, wie wir die Gams geschossen, den Bart und die Kritteln abgenommen haben, und haben selbst heimlich vorn Gamsbraten gekostet, den Sie uns kochen lie�en/
�Aber deshalb darfst Du doch so was nicht heimschreiben, verflixter Kerl!", half sich der gestrenge Zensor aus der Zwicklage und machte einen dicken Strich �ber die Stelle auf der Karte. Das hat man davon, wenn man den Kerlen etwas nachsieht!
Aber nun lie� er keinen der �S�nder" mehr zu sich kommen. Ruhig unb langsam las er Karte um Karte, und best�tigte mit seinem Namen unb Datum auf der Adresse-Seite: �Zensuriert", ob der J�ger nun vom
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Frieden schrieb, dessen baldiges Eintreffen er aus der Zeitung herausstudiert habe, und nun sinniert, wie das wohl werden wird nach diesem gro�en Krieg, ob sich seine Faust wieder zum Pflug f�ge, ob die Erd�pfel gleich teuer bleiben) �Ich wei� nicht, was ich vor Freude tu, wenn sie einmal ..Vergatterung" und ..Abgeblasen" hinaustrompeten. Am liebsten m�cht ich mein Landl umarmen und in die H�h springen wie beim ersten Schuhplattler mit der Resi." So schreibt nat�rlich nur ein Tiroler und dem Zensor lacht selbst das Herz im Leibe,' er streicht schon keine Zeile mehr, obgleich ein Steirer recht anz�glich ein srohes Zusammensein im Kreise der Familie zur Weihnachtszeit sich ausmalte, ob einer seinen Arlaub nicht mehr recht erwarten konnte oder das erbetene Pake! mit Tabak, Wei�brot, Kerzen und wei� Gott was alles, ob einer schlechte Verse aus dem Sch�tzengraben oder die nicht zu bezweifelnde Versicherung absandte, da� er vor den ..Katzeldruckern", d. H. Welschen schon gar keine Furcht habe.
Ein k�stliches Standesbewu�tsein entwickelt der neu ernannte Unterj�ger (Korporal) und sendet all den vielen Liebsten sein Bild: �Es ist zwar nicht gut gelungen und ich sehe recht bla� aus . . .* D du Schweren�ter! Der Offiziersdiener des jungen Leutnants f�hlj sich nun schon weit erhaben �ber den Rang eines F�hnrich-Putzers. Ordonnanz und Telephonist schreiben �feiner" und ausf�hrlicher als die �brige Mannschaft, aber auch gewichtiger und geheimnisvoller. Wissen ja alles weitum; denn wo er r�uspert und spuckt, haben sie ihrem Herrn gl�cklich abgeguckt. Der Offizierskoch berichtet von seinem neuesten Schlager in der Messe. Maschinist und Minenwerfer entscheiden vielleicht sogar den Krieg. Ohne sie � was erreichte die Kompagnie?! . . . (Doch, wir kommen zu weit. Schade, da� das B�chlein aus naheliegenden Gr�nden nicht illustriert wird. Sonst m��te dieser oder jener Typ unserer wackeren J�ger auch in den �u�eren Charakteristiken festgehalten werden: denn mit einer Spezialaufgabe w�chst der Mann, verbessert seinen Sinn, seine Montur, sein Gesicht, seine Frisur.)
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Noch einige Kostproben unfreiwilligen Humors.
Erster Held: Wir essen unsre Minage auf toten Welschenleichen. Zweiter Held: Unser Christbaum stand im Blute. Ich watete aber nicht hinein, weil ich Deine Schuh' anhatte, die ich von Dir hatte.
Dritter Held: . . . Nun eben rei�t mir eine Granate den Bler-stift aus der Hand. Nun, das macht nichts . . . usw.
Ein Gelangweilter: Mein Hund zu Hause hat mehr Unterhaltung als ich.
Letzter Wille: Und sollte mich in diesem grausamen Kriege der Tod �berfl�geln, so vermache ich alles, was ich habe, meinem lieben Bruder Franz. Und sollte aber dieser diesen �berfl�geln, so vermache ich alles meinem lieben Bruder Martin.
Erster Liebensw�rdiger (meldet den Tod seines Bruders): Max ist auch schon tot Sonst ist nichts Neues.
Zweiter Liebensw�rdiger (tr�stet seine Mutter, die Wittib geworden ist): Mach' Dir nix draus!
Deutscher Bruder: Was der eine nicht hat, hat auch der andere nicht. Und so helfen wir uns gegenseitig aus.
Sachse aus Siebenb�rgen: Mit gesunder Hand ergreif ich das Bleistift und Papier, um Euch mitzuteilen, da� ich noch
gesund bin. Weiters la� ich Euch sagen, liebes Weib....
Dein treuer und nie verge�licher Gatte.
Erster Realist: Wir sind auf 2136. Da ist es schon sehr kalt und friert uns alle kr�ftig in den A . . . .!
Zweiter Realist: Liebe Rest! An unserer Front ist Ruhe. Was ich auch von Dir hoffe. Dein Loisl.
Neben den �rtlichen Personal- und Kriegsereignissen kehrt gerne die Bemerkung von der eingetretenen K�lte in den Bergen wieder. Einem italienischen Dalmatiner, liest der Zensor l�chelnd, ist es schon jetzt molto freddo (sehr kalt), ma se passabile (aber noch auszuhalten), se non verr� di pi� (wenn's nicht noch �rger wird). Was werden da erst die Welschen oben auf den h�chsten Bergspitzen klagen!
Ganz andere Schmerzen scheint der mit einem Lausmittel Begl�ckte losgeworden zu sein: �Kann dir nicht genug danken, da� du mich von meinen Leiden erl�st hast, es hat schon das erstemal gro�e Wirkung
gemacht. Dieses Leiden war weit schlimmer als manch
mal der Krieg. Gott sei Dank, da� ich soweit erl�st bin." Bed�chtig schreibt sich der Zensor den Namen des Gl�cklichen aus; den mu� er doch nach diesem Radikalmittel fragen, dessen Erfolge er leider auch brauchen k�nnte. Und mit sehns�chtiger Freude entdeckt der Zensor in seinem Notizbuch die Bemerkung, da� ja in nach-ster Zeit er und sein Zug zum Entlausungsbad in N.... bestimmt sind.
Abgesehen von diesen Aftermietern, kann mancher J�ger feststellen, er sei noch gesund, denn er sei ja schon 5, 6, 10, 14 Monate im Felde. Auch das konnte der Zensor seinen Leuten nachf�hlen, wie der Krieg ihre Mannest�chtigkeit hob und st�hlte. Was halten die Kerle nicht alles aus! 3m Frieden litte wohl schon jeder unter �hnlichen Bedingungen an Gicht, im Magen oder an den Nerven. Hoffentlich machen sich nach dem Kriege die wohl unausbleiblichen R�ckschl�ge nicht allzuschwer geltend, w�nscht der �gestrenge Herr" seinen wackeren Soldaten. Aber geradezu Freude empfand er nun, als er aus den ungef�gen Zeilen so mancher hartherzigen Krieger das vielleicht ihnen selbst noch unbewu�te gel�uterte Zur�cksehnen nach Heimat und Hof, nach den 3hrigen und ihrem Friedensgl�ck von vordem herausempfand. Da taut Liebe und Wertsch�tzung auf, die der Rauhe verlernt oder nie gebannt hatte in seinen guten Tagen. Da spro�t Zufriedenheit und Selbstbescheidung auf, welcher der Hausherr und der kraftstolze Sohn sich bislang entziehen zu d�rfen geglaubt hatten. Wenn auch ein Teil unserer M�nner und Frauen sich in dieser allzu langen, harten
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Probezeit des Krieges in sittlicher, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Mitwirkung als schwach, niedrig und gemein erwiesen hat und wenn zugestandenerma�en der Krieg selbst auf Glauben und Sitten so manches K�mpfers nachteilhaft gewirkt hat, der Grundstock unserer V�lker ist und bleibt gesund und stark.
Mit R�hrung liest der Zensor das Brieflein und die dazu geh�rigen Bl�ttchen eines untersteirischen Bauernsohnes. Die Sorge um Haus und Hof, um Korn und Kuh, um Brunnen und Bauger�t will der Bursche dem alten M�tterlein erleichtern. Zum Schl�sse kommt er aus sich selbst zu sprechen .... �Liebe Mutter, Du hast jetzt mit mir wohl gro�e Scherereien und Zwidrigkeiten, da� Du f�r mich immer auf die Post mu�t gehen und f�r mich Sachen ausgeben; aber Du machst mir wohl gro�e Freude, wenn Du was schickest, im Feld ist wohl gut, wenn man was bekommt. Wenn ich wieder zu Haus komme, werde ich Dir auch wieder Freude machen, liebe Mutter, und wenn ich falle, wird Dich Gott einmal belohnen f�r das, was Du Dich jetzt um mich scherst und plagst .. .*
Das Ruhest�ndlern des Zugskommandanten war wieder einmal mit dem verflixten Zensurieren vor�bergegangen. Und trotzdem trat er ganz freudig nun den Nachtdienst an, �der gestrenge Herr Feldpostzensor."
Auf einer Festenburg
K Oktober 1915.
Die �Billa zur Martinswand" war soweit vollendet, da� der felsige Deckungskunstbau der Oeffentlich-
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keif �bergeben werden konnte. Da hie� es: �H�her hinauf."
Ehrlich gesagt, h�tte ich es auch unten ganz gerne ausgehalten, wenn auch die �Martinswand" gleichzeitig einigen M�usen Unterschlupf bot und dank der K�lte mehr f�r einen Borratskeller als f�r ein wohnlich Dasein des Menschen geeignet schien. Aber ..B�fehl ist B�-fehl", sagt unser Madjar-Bacst. And ich selbst hatte mich ja erb�fig gemacht, unsere vorgeschobenste Stellung, 3�400 Meter hoher und eine Stunde �stlicher als unsere Verteidigungslinie, f�r den Winter zu �bernehmen. Aber indes hafte mich unbemerkt eine kleine Influenza erfa�t. Der Fieberschwei� rinnt mir �ber R�cken und Brust und das Herz schmerzt wie eine offene Munde.
3ch �berlege, ich gehe hinab zu meinem Hauptmanne. Der aber liegt darnieder und wird heute ins Spital gefragen. Alle feine Anordnungen soll ich im letzten Augenblick umst�rzen? � Nein! ..Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst meinen Abgang auf K "
Zu kalter Vollmondstunde ging es talaufw�rts weiser durch die Hochgebirgsklamm �ber Schutthalden dahin. Ein langer Bosniak, einer unserer Tragfierf�hrer, ging voran, mein kleiner, st�mmiger Diener, ein Slowene, bildete die Queue des Feldzuges.
Bosniak und Bursche frugen, was der Offizier f�r sein leiblich und seelisch Heil oben auf dem Berge f�r n�tig hielt.
Langsam und sicher schob der Bosniak ein Bein vor das andere. Kein Triff war verfehlt in dem Ger�ll und Gestein. And wo er anhielt � und das tat der Bosniak
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gerne � war er sicherlich vor dem Feinde, der hoch oben auf den Spitzen hauste, durch einen Felsen gesch�tzt. Ich suchte ihm mit beiden Augen und dem Stock den Boden nach und schnaufte nur einige Male wie zur Erleichterung auf. Gesprochen wurde nicht; nur von Zeit zu Zeit �ber die weitere L�nge und G�te des Steiges gefragt. So zog sich der Marschaufstieg f�nfvierte! Stunden zwischen Bergriesen hinauf. Aus dem Buchenwald ins Latschenzeug der Steinwelk zu. Es ist nicht zu sagen, wie einsam, unweltlich es zwischen den Felsenw�nden aussieht. An die Gebirgsmauer zur Linken mit den kleinen und wagrechten Kalksteinschichten hielten wir uns, droben auf ihren H�hen sitzt schon der Feind. Die andere mit den massiven Kl�tzen ist in unserem Besitze. Trotzdem die Nachtstunden ziemlich erhellt waren, fiel noch kein Schu�.
Vor Morgengrauen standen wir drei pl�tzlich vor einem neuen Gebirge inmitten der Gebirgsklamm. Bon der s�dlichen Felsenmauer springen zahlreiche Spitzen und Schroffen fast bis zur anderen Mauer hin�ber, Nadeln und T�rmen vergleichbar. Und von dieser Dolo-mitenwelt aus zweigt ein ganzer Bergr�cken hinab ins Tal in einem Halbkreis von 300 Metern und teilt das Tal in zwei tiefgehende Schluchten. Wir Ank�mmlinge sahen zuerst nur, da� sich aus ihrer Gebirgsklamm grelle Steint�rme erheben, die letzten Aufs�tze des Zwischenbergr�ckens. Bald bekamen wir die gro�en zu Gesichte, zwischen und um welche sich kleinere Gr��en gruppieren. .Das ist der Bierverband", mu�te ich nun unwillk�rlich lachen, und hatte auch schon die Berteilung vorgenommen. Borne der Klotzige, der die Stirne
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fa 6: ^erlich und zerkl�ftete der Fran-
zos der krumme, hagere, auf die Seite stehende die Eng-
u Z u* abfcifi9c' sch�n abgestumpfte, der Welsche Letzterer ist ganz verlassen und links gelegen
Alle hat die Zeit ordentlich zugerichtet, der Stein wird
mxbm siete'e^"* "Ca�i6ncn iu S?�6cn bald c! *' � ^ Spitzen ganz verloren haben.
r-A, Lmle Don fcIbff bm ich beim Anblick der feind-llchen M�chtegruppe stehen geblieben und habe, gest�tzt
1,2 Bergstock, die Schnaufe und die Phantasie et-
Stuften S h"' ^roeiff ba5 ^ge westlicher und erschaut den Berbindungskamm von den Dierverbands-
machten zur r�ckw�rtigen Dolomitenwelt. Der Fu�
sto�t an Drahtverhaue, also ist das Ziel doch wohl nicht
mehr ferne.Ein Posten ruft den Bosniaken an, der ein-
btthf f/,rm"cL>Crroi�erf un� weiterstapft. Pl�tzlich bleibt er stehen. Man ist am Ziele.
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So stehe ich unversehens vor einer Mauer, erbau� aus Steinen und S�ckchen voll feinsten Sandes. Die Mauer ist unterbaut und mit Pfl�cken und Draht versichert. Emen guten Meter geht sie in die Dicke. Neu-�'?*9. �n� 3leIfroh eile ich durch den Eingang. Nun
Lrfrhi 6 fr f mx einer T�re, klappe den Holz.
ZI! * QU x frde in ^ne schmale H�tte, in der Z ' ^�?eraden, sowie zwei Telephonisten hausen. Mu�e dr�nge ich mich an die Bank und schnaufe aus.
Endlick hl 1 Qm 3ieJ-e meiner k�nftigen T�tigkeit, v m meme ^este besehen. Sie ist erst halb g, 6ie Ringmauer gegen das Tal und den Feind
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n�rdlich 700 Meter h�her vollendet. Aber schon die Aeberdachung des anschlie�enden Sch�tzengrabens sehlt. In gleicher H�he folgen neben der erw�hnten H�tte mit Intervallen das erst begonnene Magazin � leider viel zu klein � und die Deckung der Sanit�tsleute. Bon der Amtsh�tte f�hrt der Weg im Bogen hinauf in die erste .Etage" zu den Zwei Mannschaftsdeckungen und zur K�che, die jedoch r�ckw�rts gegen die dolomitenartigen Schroffen gerichtet ist. Neben ihr soll noch eine Holz-h�tte Platz finden und davor auch eine Sch�tzenmauer, soda� alle Baulichkeiten umschlossen sind und von jeder Stelle das Feuer eingesetzt werden kann, sobald der Feind einen Abstieg dies- oder jenseits der Steint�rme und -schroffen wagen wollte. � Die Deckungen der Mannschaft sind zu reinigen, mit Brettern auszulegen, Lagerst�tten zu errichten, Oefen einzubauen � vielleicht kann der Kommandant endlich auch einige Dekorationsst�cke und einen Grammophon f�r den langen Winter aufbringen. So hofft er.
Es wird jetzt vor allem geschafft, da� bald der ganze Baukomplex wie eine Feste umgeben und mit Brettern, Pappe und Sands�cken �berdacht ist. Die Fenster stehen hinter Schie�scharten. Die Schornsteine der Schwarm-vsen ragen unmerklich �ber das Dach hinaus. Infanterieblei prallt schadlos in den Sand und selbst kleine Granaten k�nnen diesem nicht beikommen.
Bon au�en sieht sich die Sandsack-Bergfeste wie ein gro�artiges Quaderwerk an, das sich stilgem�� an den Gebirgsabhang anschmiegt.
Die 20er Feldj�ger haben hier oben strenge Tage. Alln�chtlich wird gearbeitet und gerackert, da� die Bau-
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Jen noch vor den gro�en Schneef�llen fertig werden. Da wird gepflockt, gezimmert, Aasenziegel, Sand und Steine gesammelt. Sack f�r Sack mit Sand und Riefeln gestopft und ausgeschachtet. Alles ist t�tig und kann nicht flei�ig und genau genug sein. Der Boden ist morsch, es hei�t Vorsicht �ben, damit nicht leicht ein Bau einst�rzt oder der eine oben den anderen unterdr�ckt und verschiebt. Alles mu� verankert und mit Draht verbunden werden. And so wird f�r jede Mauer eine Untermauer aufgef�hrt. Der praktische Hausvorstand kommt da zu Ehren, nicht das Studium und nicht die Offiziersschule. Eines jeden J�gers Profession wird ausgen�tzt. Und so mancher wird im Felde ausgebildet.
Eine zeit- und kraftraubende und geradezu lebensgef�hrliche Arbeit ist mit der Holzgewinnung verbunden. Am Kamm und Lessen Abh�ngen stehen nur Alpenrosenstauden, ansonsten alles Schutt und Gestein. Dr�ben aber an der n�rblichen Bergwand gedeihen noch Zwergb�ume, Rotbuchen, Nabelholz, vereinzelt ba unb bort. Es bleibt nichts anberes �brig, wir m�ssen bie sch�nsten St�mme haben. Also werben vor ber K�che 'Pfl�cke in ben Boben eingerammt unb ein starkes Seil angebunben, an bem sich Solbaten in bie n�rbliche Bergschlucht hinabgleiten lassen. Sie kraxeln bie anbere Bergwanb hinauf, hauen B�ume um unb werfen sie in bie Schlucht. Mit Hilfe bes Seiles wirb bas Holz unter gr��ter Anstrengung bann zur Bergfeste hinaufgezogen, zerst�ckelt, in ber K�che getrocknet unb enblich verheizt.
Bislang mu�te aus ben alten �!assen ber Schnee-halben bas Trink- unb Kochwasser genommen werben.
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Nun hat der Neuschnee diese Sorge genommen. Eigene Schneefelder werden bestimmt und abgegrenzt.
Me Arbeiten geschehen bei Nacht und Nebel, sodatz der Italiener sie nicht st�ren kann. Nur die Abl�sung und Kontrolle der Posten au�erhalb der Feste vollzieht sich ohne R�cksicht auf das feindliche Feuer regelm��ig.
In Freistunden pr�gen Geschicktere Ringe, Armb�nder, Rahmen aus feindlichem Aluminium, Bronze mit Einlage von Kammst�cken statt Edelsteine, auch St�cke mit eingebogenem Ast als Handhabe und Grav�ren in Rinde und Holz.
Man ginge nun fehl, n�hme man an, die J�ger in der Bergfeste h�tten bei solch au�erordentlichen Anstrengungen den Humor verloren. Da wird gesungen, gespielt, getratscht, gelesen, weil der Kommandant von der Tiroler Stelle f�r Soldatenlekt�re (Innsbruck, Stift Wilten) durch die G�te des Priors Dominikus Dietrich ein Riefenpaket voll B�cher erhalten hat. Ja, es ist doch gut, da� sich der Kommandant fr�her um die B�cherei ein bi�chen verdient und bei P. B�ggle von der Zentralstelle der Soldatenlekt�re in Wien (9/4, Canisiusgasse 16) bekannt gemacht hatte. Bei dem Kommandanten aber haben die J�ger auch eine slowenische Grammatik entdeckt und haben sich nun selbst eine slowenisch-deutsche eingerichtet, um die ..Offizierssprache" zu lernen.
Unumschr�nkte Herrschergewalt ist dem Kommandanten �ber seine J�ger gegeben. Er h�lt Rapport ab, erl��t Befehle, kurze, kr�ftige, pflegt allabendlich eine Stunde Singschule anzubefehlen, die neuen Sprachfort-schritte zu kontrollieren und endlich aus seinen Zeitun-
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gen das Neueste vorzulesen und zu erkl�ren. Hiernach wird den Posten und der Bereitschaft zum ersten Male der hei�e Tee verabreicht, das zweite Mal nach Mitternacht.
Des Morgens hat sich alles mit Schnee zu waschen � einmal in der Woche den ganzen Leib mit warmen Wasser � und die Uniformen und die Festung zu reinigen. Der Dienstf�hrende erstattet Meldung und das Tagewerk kann beginnen, wenn das Wetter tr�b und die Arbeit im Freien ohne Gefahr m�glich ist. Aber f�r gew�hnlich, wie schon gesagt, vollzieht sich fast die ganze T�tigkeit in n�chtlicher Sicherung: denn so mancher der italienischen Posten wei� sich seine Dienstzeit nicht anders zu vertreiben, als mit seinen eingespannten Gewehren jeden der Anseren zu verfolgen, sobald einer sich nur ein wenig verr�t, sei es da� er eine T�r �ffnet oder Rauch aus den Kaminen steigt oder gar einer den Kopf ins Freie steckt. Leider haben schon manche K�che und Chargen ihren Diensteifer teuer bezahlt. Ansonsten stehen die Festungsj�ger mit den Nachbarn auf gutem Fu�e. Wenn einer der italienischen Posten herabschrei!, ob die Oesterreicher bald verhungerten, bieten ihm die J�ger ihre neuesten K�se an und senden ihm au�erdem �expre�" noch die Zuspeise. Schie�t er zur�ck, so gellt es hinauf: �Niente capisco!� (Kann nicht verstehen!) Und kra-walliert er, wie neulich, wo man seine Rufe h�ren konnte: �Evviva il socialismo! Evviva VAustria!" so bedeutet man ihm, er solle nur herunterkommen. Aber es wagt keiner den halsbrecherischen Abstieg.
Mit dem andern Nachbarn, den Kameraden auf der
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n�rdlichen Bergwand, wird ein regelm��iger, drahtloser Berkehr erhalten. Ihre Patrouillen rufen die unsrigen an, tauschen Gr��e an die beiden Kommandanten aus und erz�hlen sich, was es da und dort an Menage und an Neuigkeiten gibt.
Die Festenburg hat au�er Posten und Patrouillen jedoch auch noch eine Feldwache 300 Meter h�her zwischen zwei Felsent�rmen aufgestellt. Eine kleine Deckung geh�rt ihr zum Aufenthalt. Die Verpflegung wird von der Feste hinausgeschafft. Der gesch�tzte Weg hinauf ist freilich nur f�r Schwindelfreie und hat selbst dem Kommandanten schon so manchen Schwei�tropfen abgerungen. Auf den Eisfl�chen und bei der Schneewiese kriecht man auf allen Bieren. Oft ist nur f�r einen Schuh Platz im Felsen, manchmal selbst das nicht. Dann wieder �ber vereistes Gestein. Oben ist's aber, selbst angesichts des Feindes, gut sein. Das Gebirgspanorama geradezu �berw�ltigend. Ein junger Ehemann weichsten Gem�tes, Sundl-Schober aus Graz, f�hrt hier das Kommando. Seine Briefe werden auch schon bedenklich lange. Und wenn des Abends das heimkehrende Sonnenlicht seinen Feuerglanz wie einen Purpurteppich �ber Molken und Berge streift, tritt er aus seinem dunklen �Stuben"-Leben, steht er in Ergriffenheit vor der T�re der H�tte und singt, stolz wie ein Spanier, oder wenigstens wie ein Wiener Hofopern-Tenor, den Welschen sein �Sul mare lucica Vastro d�ar-gento� hinauf, an das der Kommandant einige derbe Spottstrophen anschlie�t. Die Welschen lassen sich dann wohl auch nicht lumpen und antworten mit entsprechendem Mettgesang vom Fr�hling, Frieden, ja Frieden! �
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Der erste Schnee hielt neulich an. Ueber Nacht war er gekommen, hatte den Himmel mit Nebel �berzogen, die Bergwelt verdunkelt und selbst die grelleuchtenden, kalkigen �Vierverbandsm�chte" in ein d�steres Grau geh�llt. Nur er selbst, der Schnee, will leuchten und flimmern. Aus den Festungss�cken liegt er, damit sich ja deutlich die Quadern abheben. Und in beiden Schluchten schie�en schon Staublawinen wie Wafser-s�lle. Wehe dem, der darunter kommt!
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Endlich ist aber auch in der Festenburg � wie sich's geh�rt � eine Herren st �be (ober wollt ihr sie nach ber Gr��e einen Taubenverschlag hei�en?) errichtet worben, unb wenn ber wackere Pfarrherr Ottokar Kernstock hiervon erf�hrt, soll er sich nur mit einer Spruchgabe einstellen. Stilgem�� ist bie Bube gehalten; denn erstens steht eine Wand im stumpfen Winkel zur anberen, zweitens ist bie Bube kopfgef�hrlich nieber, drittens besteht bie Vert�felung aus ungehobelten Brettern verschiedensten Ursprungs, viertens macht die Fenstergr��e einer Kapuzinerzelle alle Ehre. Der Bettschragen, dem selbst bas Stroh ober bie Holzwolle fehlt, nimmt ben halben Platz ber Herrenstube ein, ein Viertel ber breieckige Tisch beim Fenster unb das B�nklein, das letzte Viertel der augenbeizende Schwarmofen mit dem Holz beim Eingang. Nur ein Mann kann noch in der Stube stehen. Die stimmungsvolle Lampe entstammt einer Stadtk�che, die B�nder und Kegel der T�re dem Fenster. Zwei Wandbretter sind mit Flaschen, Zeitungen usw. �berf�llt, und alle Stubenecken mit Zierb ei�ffen
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geziert. Unter dem Bettfchragen gucken Konservenb�chsen und K�chenvorrat f�r den lachenden Erben heraus.
Die Herrenstube ist selbstverst�ndlich ein Erkerzimmer, und zwar im Stiegenhaus der Festenburg zwischen ebener Erde und erstem Stock. Es steht von drei Seiten in Wind und Wetter und das Fenster schaut gerade �ber den eigenen Posten hinweg auf den welschen Kopf der ..Bierverbandsm�chte" zur steten Mahnung an die Aufgabe.
Die Herrenstube ist aber auch der geistige Mittelpunkt der Festenburg, die Auskunftei, Meldestelle, Postablage und Abgabe der Fassungen. Allabendlich kommen hierher die Bosniaken mit den Menageerfordernissen f�r den n�chsten Tag f�r Offizier und Mannschaft, mit Zigaretten, Tabak, Bonbons, K�se, Marmelade, Fischkonserven, Speck und dergleichen (denn da� seine Leute bestens verpflegt werden, sorgt sich der Kommandant am meisten, selbst auf die Gefahr, von unten herauf unliebsame Worte zu h�ren), weiters kommen die stets hei� ersehnte Post, Bretter, St�mme, Dachpappe, N�gel, kurz alles, was auf der Festenburg ben�tigt wird und an Ort und Stelle nicht zu beschaffen ist. Das ist nat�rlich die wichtigste Tages- bezw. Nachtstunde auf der Festenburg.
Der Sorgen gibt es noch viele f�r den Kommandanten. Es ist eine eigene Sache, allein �ber so viele selbst�ndig gesetzt zu sein, f�r sie alles sein zu sollen und doch mit tausend Schwierigkeiten k�mpfen zu m�ssen.
Was Verantwortlichkeit f�r Menschenleben hei�t, wei� nur ein F�hrer im Felde. Das zehrt oft mehr an Gesundheit und Nerven als pers�nliche Gefahr. Mit
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Stolz konnte der Herr auf Festenburg von sich r�hmen, da� durch sein Verschulden noch kein Untergebener ums Leben gekommen ist. And das gilt ihm mehr als eine Auszeichnung. Das Selbst, das einst gute Gesellschaft, Verpflegung und Liegerstatt als selbstverst�ndlich ansah, geht freilich ganz unter um der anderen, der Aufgabe und also des Vaterlandes willen.
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Die Festenburg war nicht auf Stein gebaut, sondern auf Schutt, aus dem beim n�chsten Tauwetter mehr denn je Wasser emporquoll, w�hrend der schwere schmelzende Schnee auf die D�cher dr�ckte. So rutschte eines Morgens eine der gewaltigen Sackmauern, es neigte sich die Telephonistenstube bedenklich dem Zusammensturze zu. Schlie�lich mu�te, da der verantwortliche Kommandant angesichts der Gefahr l�rmte, doch ein Sachkundiger eine neue Feste auff�hren, die heute noch allen Feinden trotzt.
Der Arlaub des Slaatskr�ppels
Dezember 1915.
Das alte Widerspiel im Leben: vor mehr als drei Jahrf�nft ..Staatskr�ppel" gewesen und hatte alle J�nner unaufgefordert seinen Obolus auf dem (ihm freilich etwas unnotwendig erschienenen) Altar des Vaterlandes, d. H. auf den abgebrauchten Tisch der Gemeindekanzlei gelegt,' und hatte selbst noch lange nach Kriegsbeginn nicht e i n mal ernstlich daran gedacht, da� man auch ihn zu den Waffen aufrufen k�nne. Las mit be-
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haglicher Anteilnahme die Zeitungsberichte, schwatzte � wie ja doch alle � am Stammtisch beim frischen Bier und lie� sich �int �brigen" den Krieg nicht viel anfechten. Wenn er einmal einem Idealisten in die H�nde fiel, gel�stete es fast auch ihn, in des Kaisers Rock zu stecken und eine Tapferkeitsmedaille zu tragen. Aber schlie�lich sagte er immer wieder zu sich: wozu sein eigenes Geschick selbst bestimmen? Und blieb beim alten, oder vielmehr wie immer so auch diesmal auf halbem Wege stehen, weil seine Natur und Einbildungskraft alle seine Wahrnehmungen und Begriffe �bertrieb und ihn �ngstigten.
Da traf pl�tzlich das einfache Mu� ein. 3n Gestalt gro�m�chtiger wei�er Anschl�ge kam es ihm unter die Augen. Diese weiteten sich zuerst ins Ungew�hnliche, schlossen sich dann pl�tzlich, als wenn sie die schwarzen Buchstaben blendeten. Der Staatskr�ppel nahm sich jedoch in seiner Zerschlagenheit zusammen und lie� weiterhin Keine Aenderung an seinem Aeu�ern versp�ren.
Aber seit der ehrw�rdigen Stunde vor der Plakats�ule geriet sein Denken �ber den Krieg auf b�rgerliche Abwege: feine gleichzeitig mit dem Staatsrock der Ahnen vererbte allgemein-rhetorische Vaterlandsliebe erhielt eine subjektive F�rbung oder, wie man sagt: einen pers�nlichen Einschlag, wenn man von der Pers�nlichkeit eines k. k. Staatsbeamten so freihin sprechen darf, und seine altgewohnten Worte von der T�chtigkeit der Soldaten einen geradezu warmen, ernsten, ja fast schematischen Ton, soda� seine Tischgesellen es endlich nach einiger Bewunderung herausf�hlten: unser Staats-kr�ppel-Kollege beginnt die Tragweite des Kriegszu-
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standes wenigstens nach der f�r ihn zu gew�rtigenden Zukunft zu ahnen.
Nachdenklich las er nunmehr die offiziellen und offizi�sen Kriegsberichte, um sich �ber den Fortgang, vorab aber �ber die Aussicht und Absetzbarkeit eines Friedens zu orientieren, und �berschlug nach einiger Irref�hrung energisch alle sensationellen Nachrichten der Tagespresse. Das spie�b�rgerliche Aburteilen �ber blutige Ereignisse und das Verl�stern der Gegner �rgerte ihn nun geradezu. Und er traute sogar nicht einmal jeder Geschichte eines Heimgekehrten mehr.
Hart war die Rekrutenzeit f�r den wohlgepflegten Herrn und seinen schwerf�lligen Charakter. And gut f�r seine Zukunft! Er vereinfachte seinen Lebensunterhalt auf einheimische Produkte, seine Kleidungsbed�rfnisse auf �rarifche Ausr�stung und seinen �berschie�enden Idealismus zwar nicht auf den Standpunkt des ihn ausbildenden Oberj�gers, aber immerhin bis zu dem Grade, da� man ihn in seinen Milit�rkreisen nicht mehr f�r ganz �verr�ckt" hielt. Unter dem Drucke solcher Wirklichkeiten verga� er nun schon f�r Tage das Endziel seiner k. u. k. Besch�ftigung, w�hrend er vormalen schon in Gedanken daran ein W�rgen am Halse zu sp�ren glaubte. And lebte sich trotz seiner 36 Jahre noch ein bi�chen in die Jugend hinein, die ihn umstand, nicht viel R�cksichten auf ihn nahm und durch ihren vorherrschend forschen, leichten Sinn �ber seine vielen selbstge-schaffenen Schwierigkeiten und Augenblicksh�rte ihm leichter hinweghalf. And so trat er eigentlich unverhofft schnell in den Frontdienst ein, nicht ohne l�ngeren Schauens in die Zukunft und Suchend
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nach dem Ziele, das seiner neuen Laufbahn ge-steckt w�re. Sein ihm vertrauensw�rdigster Offizier aber schien f�r solche Subjektivismen keinerlei Verst�ndnis 3U haben, denn er z�hlte auch ihn nur wie die anderen und teilte ihn ohne viel zu denken schematisch ein.
Der erste Einblick in das Kriegsgetriebe machte ihn deshalb stutzig, weil er einsah, da� die selbst zusammen-phantasierten Kriegsbilder aber schon gar nicht mit der Wirklichkeit �bereinstimmen wollten. And kam bald zu dem radikalen Schl�sse, da� das meiste, was er vom Kriege gelesen und geh�rt hatte, nur einseitig gef�rbtes St�ckwerk sei und wohl alle Schilderungen St�ckwerk bleiben w�rden und m��ten, weil die Vorbereitungen und Umw�lzungen zu mannigfaltig und verwickelt, die Ereignisse zu ungeheuer und �berraschend seien, als da� so bald einer ihnen auf den Grund zu sehen und sie in Beziehung und Tragweite zu erfassen verm�chte. Ob das �berhaupt sobald einer imstande sein wird? Und ob dieser Krieg schon in der Folgezeit seine w�rdige Darstellung finden wird. Vielleicht in der Musik am schnellsten, vielleicht auch bei gro�z�gigen K�nstlern und Darstellern wie Albin Egger-Lienz und E. v. Han-del-Mazzetti! Ihre Meisterwerke haben auf den �Staatskr�ppel" gro�en Eindruck gemacht. 3n solchen Gedanken folgte er den �rtlichen Erscheinungen mit seinen Sinnen, w�hrend seinen Geist die ihm viel wichtiger scheinenden anderen Kriegsschaupl�tze besch�ftigten, ohne �ber Einzelf�lle hinaus mehr als Zusammenh�nge und Endergebnisse ahnen zu k�nnen. Mas aber von vornherein sein Sinnen und Sehnen beherrschte, die Aussicht auf den Ab-
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schlu� des ganzen Krieges, entr�ckte sich hier nur mehr seinen geistigen Augen, weil er erst hier auf die zahllosen zu �berwindenden Schwierigkeiten der Operationen stie� und sich ein kleines Bild von den noch notwendigen Leistungen machen konnte.
Das erste Bleisurren machte ihn �s�chtig", nicht feig! Er scho� wild in die Luft, als wenn schon seine Eile und Aufregung den Feind verjagen k�nnte. Nun waren die ersten vier Kartons, ehrlich gestanden, erfolglos oer-pufft, die Patronentaschen leer, der Feind aber nur n�her gekommen. Unruhig irrten seine Augen �ber die leeren Magazine, er griff jedoch allzugleich zur�ck nach seinem Rucksack, in dem seine �brige, ihm oft so schwer gewordene Munition steckte; denn der Gegner feuerte unerm�dlich weiter gegen die primitive Stellung. Endlich nestelte der Staatskr�ppel eine der Schnerfertaschen auf. Aber um einen Karton herausziehen zu k�nnen � soweit reichte nicht sein Arm zur�ck. Also den Nachbarn angegangen! Mitten im Feuer. Der aber warf ihm nur einen vorwurfsvollen Blick auf die Patronentaschen zu. �Aergerlich! Mu�t wegen des feuerfiebrigen Nekruten dich der Gefahr aussehen!" Schob ihm aber doch zwei Magazine aus der Tasche und lie� sie einfach auf den Boden fallen.
Da f�hlte der ,,Nekrut",was der andere sagen wollte. Und dr�ckte nunmehr den Hahn, vorsichtig zielend, ab, wenn ein Feind sich zeigte und sich aufs Korn nehmen lie�.
Und ward ein brauchbarer Feld- und Wiesenpl�nkler, der sechsunddrei�iger Staatskr�ppel. Sein Naturell von ehedem pa�t sich sichtlich in etwa dem Kriegsdienst
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an, wenn er es auch nie ganz verleugnen konnte. Ta-ten's die anderen. Nein! Ihr Charakter trat in erregtem Augenblick nur deutlicher zu Tage. Dummes Gerede, da� ein solcher Krieg einfachem allgemein veredelnd wirkt!
Das Ringen aber w�hrte weiter, viel l�nger als ein jeder von den Soldaten sich vorgerechnet hatte, und dauerte f�r den Staatskr�ppel schon ein Jahr, das blutig-wilde 1914/15, das mehr als sonst ein Jahrzehnt in seinem Leben bedeutete. Und so lugte er, wie alle, mehr denn nach dem Abschlu� des Krieges, so gerne er alle Feinde Oesterreichs ganz darniedergeschlagen gesehen h�tte; denn es litten auch bei ihm Geist und Leben, Beruf und Hauswesen empfindlich unter dem l�nglichen Intermezzo, das fast t�glich neue Opfer forderte, ohne gerade seine Langmut und Kr�fte aufzuzehren. Die Nerven zuckten und die Gedanken zerrten ihn heimw�rts, wenn nicht gerade ihn eine Lebensm�digkeit befiel (MurstigKeit hie� er sie), in der er nicht einmal gew�hlt h�tte und w�re er selbst zwischen dem h�chsten Gl�ck und dem gro�en Tode gelegen. Und dann schrie wieder etwas in ihm nach Leben, Frieden, Freiheit! Er wu�te es selbst nicht recht, was ihn gerade jetzt nach Hause, nach Nass und Ruhe dr�ngte. Seine alte Empfindlichkeit und Heftigkeit brachen nun oft st�rker hervor, so sehr er sich vor den andern zwang. Was half's? Der war nicht minder nerv�s und jener gar schon ins Spital abgegangen. Alle die �alten Diener", so schien es dem Staatskr�ppel, hatte ein leichtes Fieber, ein bi�chen Agonie oder Apathie erfa�t. Es dauerte der Krieg und das Jahr einmal zu lang.
Da ward der Urlaubserla� verlautbart worden. Der eine und andere ging sogleich, vom Gl�cke gl�nzend. Unser Staatskr�ppel mu�te sich noch etwas gedulden, da er doch erst sp�ter und keineswegs als der Aelteste ins Feld ger�ckt war. So z�hlte er nun die Wochen und Tage, besch�ftigte sich eingehend mit seiner Vergangenheit, seinem Hauswesen, seinen Freunde i und alten Gewohnheiten und malte sich lebhaft aus, wie er das und jenes, was er als Feldsoldat entbehren mu�te, mit Lust genie�en werde. Er schrieb ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten zahlreiche Feldpostkarten � er konnte doch nicht so unversehens seinem �sehr verehrten Herrn" Amtschef, den �lieben" Kollegen und Bekannten, von denen er gl�cklich schon manchen und manche vergessen hatte, unter die Augen treten. Alles, was er noch tat und erlebte, brachte er mit seinen Urlaubsfreuden in Beziehung und seine Kameraden fanden ihn nun oft wieder ungenie�bar und eigens�chtig wie zu Anfang. Und so wartete unser Staatskr�ppel noch h�rter und hei�er auf den Urlaub.
Aber auch seine Stunde kam noch rechtzeitig. Zuerst wollte er viel, schlie�lich nahm er nichts mit nach Hause, selbst nicht die erbeutete welsche Kokarde mit Horn und Nummer. Die im Hinterland verst�nden ja doch nicht den Wert des St�ckes, d�mmerte es ihm schon auf. Langsam, ja langsam � so schien es ihm wenigstens � und sich immer wieder seines bevorstehenden Gl�ckes besinnend, ging er talabw�rts; und je weiter er sich von seiner Stellung entfernte, desto freundlicher wurde er ihr gestimmt. Als wenn es sich von selbst verst�nde, fand er auf Post und Bahn An-
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schlich und sa� endlich nach einer blitzschnellen Halbtag. reise in seinem St�dtchen.
Allm�hlich empfand der Urlauber die ihn jetzt umgebende Auhe, und sie st�rte ihn fast etwas, weil sie ihn an seine letzten Lebensmonate, an den Krieg erinnerte, in �en er ja wieder in 14 Tagen zu ziehen hatte. Eigentlich waren noch die Freude auf den Urlaub und dessen erste Stunde am sch�nsten gewesen.
Und seine Freude zitterte.
Bei Muttern!
Erla�t mir die Schilderung des ersten Wiedersehens! � Wie versch�mt der Urlauber vor die in stolzer Bewegung auf ihn Schauende hintrat. And wie sie ihrem �alten Knaben" alles sch�n und nett hergerichtet hatte, gerade so, wie er es immer haben wollte. Und seine Leibgerichte. Die Verwandten. Die Besuche � kurz den ersten, gro�en Wirbel.
Pl�tzlich entschlo� er sich, den einj�hrigen Vollbart zu opfern � allen Bors�hen zum Trotz, weil er schon auf dem Wege �ber den Bahnhof traurig bemerkt hatte, da� sich hier alles trotz Krieg und Not schmuck und schneidig wie in einer noblen Friedensgarnison zeige. Und gleich war das n�chste, die im Felde fabrizierten Kriegsringe abzulegen, von der Kappe die vielen Feldzeichen zu nehmen und feine Extra-Uniform sich anzulegen; denn die vom Felde konnte er jboch hier nicht tragen, nachdem er Keine andere Dekoration darauf als den Feldschmutz bemerkte. Es war ihm ja nicht entgangen, da� ihn ein paar Vorbeiziehende auf dem Wege ohne Hochsch�tzung betrachtet hatten. Nun sorgte er sich schon auf die Frage h�mischer Freunde: �Nichtig, wie
lange warst du an der Front? Zw�lf Monate? Und noch keine � du bist doch nicht immer an der Front gewesen?"
Ob solche Hinterl�ndler wirklich ihm die Urlaubs-sreude verderben wollten? Fast scheint es so; denn schon geht ihn einer an, den er fr�her stets f�r seinen guten Bekannten gehalten hatte: ..Wo warst du zuletzt? � �Am Isonzo." � ..Da hat ja jetzt die vierte Schlacht begonnen!" konstatiert der Bekannte. �3a, ja, die drei fr�heren hab' ich selbst mitgemacht", wagt der Staatskr�ppel einzuwerfen. Des Bekannten Erstaunen steigt aber anderswohin: ..Und da lassen sie dich jetzt ins Hinterland, auf Urlaub?" � �Warum nicht, den Urlaub hab' ich doch hart verdient!", verteidigt sich der Staatskr�ppel verzweifelt. Aber der Blick des Bekannten auf die linke Brustseite der Montur sagt ihm alles.
Da ahnt allm�hlich der Staatskr�ppel die Kluft, die zwischen dem Denken und F�hlen der K�mpfer im Felde und einzelner Kriegsgewinner im Hinterland sich aufgetan hat. Die da im Frieden klagen, weil sie sparen und darben sollen, reden davon, da� die Armee nicht mit einem Schlage den sch�nsten Endsieg herbeif�hrt, haben ein herablassend beif�lliges L�cheln f�r die Leiden und Taten der Frontsoldaten. Da� sie der Schlag treffe! So d�rfen Enthobene und Befreite denken und tun?
Der Staatskr�ppel will den Aerger mit gutem Bier hinabsp�len. �Beimure, wir bekommen nur so wenig, da� wir kaum unsere Stammg�ste bedienen k�nnen!" Also ein Biertel Rotwein. Nun, der ist ordentlich schon im Preise gestiegen, im Felde fassen sie doch fast t�glich
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eine Halbe . . . . Frische W�rstchen gibt es auch keine? Was, fleischloser Tag? Brotkarte?? a, da� Euch der Teixel hol! Das ist magere Freude im Arlaube. Fast m�chte er wieder der Alte vor dem Kriege werden und �sterreichisch � raunzen.
Wie der Staatskr�ppel wieder ins Feld kommt, fr�gt er die �lteren Urlauber nach ihren Eindr�cken, lind sie kommen �ber eins: Eigentlich denkt man und lebt sich es jetzt am besten hier im Sch�tzengraben, wenngleich wir � wie hart! � Heimat und Familie entbehren m�ssen. Und da wollen wir auch aushalten, bis der Herr Gegner heimgehen mu�. Dann aber machen wir daheim Ordnung, wie es sich f�r eine gro�e Familie geh�rt, die erst nach l�ngerer Zeit wieder in ihr Haus einzieht.
Auf Berbinduugspatrouille
F f, 16. Dezember 1915.
. .. Von einer j�ngsten Patrouille mu� ich dir noch erz�hlen. Meine zwei Z�ge (der in der Reserve hat seinen Kommandanten verloren und ist deshalb mir auch unterstellt worden) liegen am waldigen Abhang, der schlie�lich senkrecht 300 Meter tief ins S tal abf�llt. Die Schroffenwand soll nun einer der Alpini einmal heraufgeklettert fein. Und so wollte ich nat�rlich auch diese Wegsamkeit kennen lernen und beschlo�, mit einem Unteroffizier und vier Mann bis zu unserer Talsperre hinabzusteigen.
Mein Bursche Lilensek und mein Telephonist Ant-loga, beide zwanziger J�hrlinge, sind die l�ngsten
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und kr�ftigsten J�ger in der Kompagnie. Die wollten nat�rlich �dabei" sein und nahmen auch gleich dem ihnen n�chst Ebenb�rtigen, Gomilfek, das Wort ab, da� auch er mittue. Das ist �berhaupt bezeichnend f�r unsere Soldaten, da� ihnen Patrouilleng�nge besonderen Spa� machen und sich bei einer Anfrage sogleich ganze Reihen melden, darunter oft Leute, die man keineswegs als so unternehmungslustig eingesch�tzt hatte, w�hrend von den Italienern selten Kundschafter zu bemerken sind.
Zu dem obigen slowenischen Trio gesellte sich noch ein kleiner, verschmitzter �Zigeuner" Cernetz, mit der gro�en �Silbernen", dessen Vater unser Bundesgenosse, d. H. ein T�rke ist, der keckste Patrouillenf�hrer Schillag (f Mai 16) (Novak und Ehrhardt sind gerade nicht hier), 2 lange Seile, Steigeisen, Schneem�ntel, Brot, Wein und pro Kopf eine Leberwurst-Konserve. Und die Gesellschaft war fr�h morgens marschbereit.
Gleich vor unseren Hindernissen stellten sich Schwierigkeiten ein, und bald kam es heraus, da� wir oberhalb der schroffsten Bergverschneidung standen und nicht so schnellen Fu�es den Abstieg werden bewerkstelligen k�nnen. Kreuz und quer ging es durch Wald und Achtung, still und schleichend, bis wir endlich uns entschlossen, einfach an der steilsten Stelle uns abzuseilen. Da gab's nun freilich so manche Rutschpartie und einer hopste �ber den andern, soda� wir fast des Feindes und des Minenfeldes verga�en, das da irgendwo von unseren Borg�ngern angelegt worden fein soll. Infolge des g�nstigeren Gel�ndes bevorzugten wir n�mlich die Richtung gegen den Feind und freuten uns auch, endlich
einmal wieder die welsche Grenze �berschritten zu haben. Du kannst dir denken, wie wir den italienischen Grenzstein begr��ten. M�hrend die J�ger noch Scha-bernak spielten � sie h�tten schon damals am liebsten die S�ule ausgegraben, in unsere Stellung hinaufge-schleppt und vor meinem H�tten-Neubau ..Ritas Ruhe" als Wahrzeichen aufgestellt, was sie sp�ter bewerkstellig-ten �, waren wir auf dem letzten Abfallsr�cken des Gebirgsstockes angelangt und stie�en tats�chlich in dem fu�hohen Neuschnee auf die verh�ngnisvollen Dr�hte, waren aber auch schon wie die Windhunde auseinandergestoben. Langsam und vorsichtig hob ich einen nach dem andern, band sie los und untersuchte die Minen. Regen, K�lte und Schnee hatten schon die meisten schadlos gemacht.
Da sie aber �ber einen Fahrweg gestreut waren und Brennholz diesem entlang zusammengeworfen war, sahen wir uns doch noch genauer die Gegend an; denn hatten bislang uns die Welschen nicht bemerkt, so mu�ten unsere Schneem�ntel und Hauben wirklich gleich Tarnkappen Wunder gewirkt haben, mu�ten also weiter helfen. Schlie�lich fanden wir auch, was uns am meisten interessierte: welsche Stellungen, die sogar bis knapp hinauf zu den unseren reichten und uns ganz verborgen geblieben waren. Die Cazollari und Polentarji hatten sie wohlweislich schon vor einiger Zeit aufgelassen und sich weit �ber ihre Grenze zur�ck bis vor ihren befestigten Artillerieplah verzogen. Eigentlich waren es nur aufgeschichtete Steinhaufen vor einem sch�bigen Graben, kein Dach, keine Bequemlichkeit, nur einige strohumflochtene Fiaschi (primitive, bauchige Zweiliter-
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flaschen), Blechk�bel, zerfetztes Schuhwerk, einige Post-K�rtchen mit elegischen Gr��en und viel, viel Schmutz war zu finden. Echt italienische Wirtschaft! Wo der deutsche Bauherr fehlt, gedeiht bei ihnen nichts Sau-beres, trotz ihrer Anlagen, Technik und Praxis. Born Stacheldraht nahm ich mir ein St�ck zur Erinnerung mit; denn er fl��te mir noch am ehesten etwas Respekt ein.
Der Oberleutnant, den ich in meiner jetzigen Stellung von seiner M�useh�tte abgel�st habe, hat mir so vom H�rensagen von diesen Flaschen erz�hlt, ja so-gar auch noch von einem vollen Weinfasse, das Tiroler Landst�rmer aufgefunden haben sollen. Ihr Durst sei infolge des angestrengten Kundschafterdienstes gut gewesen; aber dem welschen Weine h�tten sie doch nicht gekraut. �Du, d�r ischt vergisst", habe der erste nachdenklich entschieden und Beifall bei den �brigen gefunden. Dieweilen sie aber einen weiten Weg bis zur�ck zu ihrer Stellung hatten und einen guten Trunk nicht leicht entbehren wollten, habe sich doch noch einer entschlossen: �Wi�t's �s, i riskier's, i opfer mi fir enk, i trink vom Wslin; und w�nn i net hin w�r nach f�chs Stunden, so ward koaner hin und ischt d�r Wain net vergisst!�
Gesagt, getan! Trank sich genug des roten Saftes, legte sich in den Graben und schlief; und schlief volle sechs Stunden, indes die anderen, herumhockend, ihn ruhig beobachteten. Und wie nach ihrer Uhr die Zeit voll war und sie ihn aufweckten und noch in bester Gesundheit und frohester Stimmung sahen, machten sich alle �ber das Fa� her, tranken und tranken noch �fters
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eins auf das Wohl ihres Kaisers und Landes und zum Spotte der Eigent�mer.
Ob nun der steirer Oberleutnant mir nur ein tiro-lisches Schildb�rgerst�cklein zum Besten geben wollte, weil er in mir einen �Schpruggar" (Innsbrucker) erkannte, oder ob ein gut St�ck Wahrheit in der Geschichte steckt � gleichviel. Der Italiener sagt: Se non e vero, ben trovato. (Ist's nicht wahr, so ist's doch gut erfunden). And nachdem ich einmal als mutfroher Student e herausstudiert habe, da� ja auch der Heidelberger Perkeo zu meinen Landsleuten zu z�hlen ist, kann ich f�r den Fall, da� du die Anekdote weitergibst, nimmer anders als zur Entschuldigung meiner lieben Tiroler annehmen, da� obige Landst�rmer aus der Verwandtschaft Perkeos stammen.
Sicher ist nur das Eine, da� ich selbst von dem welschen Fasse nichts mehr zu sehen bekommen habe, und so bin ich mit einigem Durste und in elegischen Gedanken an meine eigene Florentiner Chianti- und Hochschulzeit durch die starken welschen Hindernisse zu den Unsrigen gekrochen und nach einigen Auseinandersetzungen mit unseren vorsichtigen Wachposten beim Abschnittskommandanten vorgelassen worden, wo nun ein gem�tlicher Wiener Hauptmann uns zur gl�cklichen Strauchritterei begl�ckw�nschte. �Schau grad ober dir kraxeln die Welschen gen Eure Stellungen herab und bauen ihren Hochgebirgsweg. Kannst dich auf lebhafte Weihnachtsgr��e gefa�t machen."
�Auch recht! Werden die Antwort nicht schuldig bleiben!" Der Wald hat nun endlich doch fein Winterkleid �bergeworfen. Gerade noch das Feuerwerk fehlt
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Zu dem Christfest. Warum soll's nicht der Welsche be-zahlen? . ..
(Noch mehrere Male habe ich denselben Patrouillen-gang unternommen. Einmal f�hrte er uns in der Suche nach Vermi�ten, auf allen Vieren kriechend �ber die endlosen, harstigen Schneefl�chen, sogar weit ins welsche Land. Aber nie hat uns der Gegner gestellt, der Katzelmacher!)
Aus �Ritas Ruhe": Weihnachten und Neujahr (Nach Briefen an E. v. Handel-Mazzetti)
I.
Fischkopf, 1. J�nner 1915.
Verehrte Frau Baronin!
Die Post stockt jetzt im Winter einmal, wei� Gott, wo! Was verschl�ge es, selbst ein, zwei Wochen zu warten; um so gr��er ist dann die Freude beim Empfang. Mich nimmt es sowieso wunder, da� zu Weihnachten noch rechtzeitig ein so gro�er Teil der staatlichen und privaten Liebesgaben eintraf und schon mit der Seilbahn bis zu unserer Bergrippe geliefert wurde. � Genau eine Woche sp�ter, heute nacht, kam eine weitere Sendung: bei mir hatte sich (zum 2. Male) der allzu aufmerksame �Reichspost'-Herausgeber Dr. Funder und meine liebe Innsbrucker Verbindung �Austria" durch ihren honorigen Philistersenior Dr. Carl Knoflach eingestellt.
Das sinnigste Geschenk aber machte jedem von uns unser hoher S�dwestfront - Kommandant mit einem festen Ring aus feindlichem Metall und mit seinem
Bildnis und handschriftlichem Gru�. Der Ring will versinnbilden, da� wir, des Erzherzogs Soldaten, durch des welschen Feindes llberfall zum Bollwerk unseres vielsprachigen Vaterlandes geeint, mit eiserner Faust diesen zur�ckschlagen sollen.
Zu Weihnachten sollte mein neuer hiesiger ..Palast" fertig werden. Emsig arbeiteten meine J�ger daran; aber sie brachten den Bau nur so weit, da� wir darin zusammen die Weihnachtsfeier abhalten konnten. Es war ein ergreifendes Fest. Schon tags zuvor hatte ich mit meinem braven Zugsf�hrer Kenda und dem mal-kundigen Unterj�ger Smaretfchnig die Blockh�tte austapeziert, einen m�chtigen Tannenbaum aufgestellt, mit Kerzen, Flitter, Baummoos, bunten Papierchen und am Gipfel mit einer Weihnachtsansichtskarte verziert. Zigaretten mit goldigem Mundst�ck, Schokoladerippen, Backwerk � kurz alles, was ich weitum auftreiben konnte, kam auf den Baum,- selbst ein rotstoffener Krampus aus einer Nikolo-Kiste mu�te daran glauben.
Und nun wurden die Meihnachtsgaben herbeigeschafft, die Kisten vom Kriegsministerium und die Pakete aus Laibach und von den Wiener Schulkindern, endlich die slowenischen B�cher, der Wein und die Zigaretten, welche ich meinen J�gern geben konnte. Bon Ihrer reichhaltigen Sendung fiel manche sch�ne Gabe an meine Chargen ab.
In zwei Gruppen ward zur Feier ..angetreten", damit die Leute Platz hakten und die Stellung nicht verlassen bliebe. In feierlicher Spannung kamen die Braven in den verdunkelten Raum, in dem nun die Kerzen brannten und der Ofen heizte. Bon selbst nahm Jung
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und Alt die Kappen ab, bestaunte den slitterreichen Baum und betrachtete strahlend die vielen, sch�nen Gaben. And stimmte das slowenische ..Stille Nacht, heilige Nacht!" an. Nun nahm ich das Wort, sprach vom Friedensk�nig, der heute geboren wurde und heute soviel Unfrieden und Elend sehe. Au�en und Innen. Und von dem guten, alten Kaiser in Wien, der stets den Frieden seinen B�lkern erhalten wollte, aber schlie�lich nicht mehr imstande war, weil von au�en in sein Neich und in seine B�lher der Unfriede getragen wurde. Da rief er uns, und wir wollen ihm und uns wieder den Frieden schaffen. �Gott erhalte, Gott besch�tze . . .�
Ich war selbst weich geworden im Anblick meiner Soldaten. Sie hatten mich ersucht, einen Rosenkranz beten zu d�rfen, und knieten nun um den Christbaum herum. Die M�nner von Kampf und Blut, die Kinder des Glaubens.
Ja, glauben Sie mir, verehrteste Frau Baronin, unsere Leute Hungern und dursten nach dem geistlichen Beistand und Trost. Am liebsten s�hen sie ihren Priester gleich dem Zugskommandanten neben sich in der Schwarmlinie liegen. 3n ihren Lebensanschauungen aufgeschreckt unb beirrt, in ihrem Elend und ihren Wunden wie zu einer Masse zertreten, schreien sie auf zu Gott und wissen oft nicht Rat in der Religion. Noch heute verm�chte unsere Geistlichkeit Gro�es bei diesem
frommen Bolfee zu erreichen!-----------
F�r jeden Einzelnen hatte ich ein Paket hergerichtet, dem pa�te eine sch�ne Pfeife mit reichlich Tabak, W�sche und warme Handschuhe, dem Zucker- und Back-
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werk, Mundharmonika, Rasiermesser, Notizb�cher. Schreib- und N�hzeug. Und jeder dankte �ber-gl�cklich. Schon war ich mit dem Verkeilen fertig, als einer zur�ckkam. Warum ich ihm nicht auch so ein sch�nes slowenisches Gebetb�chlein in Ledereinband geschenkt h�tte wie den anderen? Der Arme war untr�stlich, ich sah's ihm an.
Ein St�ck war zu wenig von den B�chlein eingetroffen, und so mu�t' ich ihm versprechen, das eine sogleich nachzubestellen. Da� ich's gerne tat, m�gen Frau Baronin mir glauben. And auch, da� ich meine J�ger nun oft in ihrer Stilleinsamkeit in dem B�chlein bl�ttern sah. Sie reden nicht viel, meine Slowenen, und danken noch weniger wortreich, aber vielleicht durch nichts anderes habe ich sie mir mehr verbunden, als durch diese kleine Gabe, wie sich einige Tage sp�ter bei einem kritischen Patrouillengang herausstellte. �
Indes ist statt des Tirolers und seines ukrainischen Kollegen M. ein schwarzhaariger Madjare v. B. in die Meihnachtsh�tte eingezogen, hat sie Billa K�tinka getauft � habent sua fata d o m u s � und so bin ich wieder am bauen (zum wievielten Male schon im Kriege?) und habe meinen Spa� daran. Meine Stellung zieht sich am steilabfallenden R�cken und Kamm eines Waldber-ges fast bis in eine Schlucht hinab. Die Mehrzahl unserer Stellungen repr�sentieren sich als gedeckte hohle Gassen. Und durch eine dieser hohlen Gassen mu� man kommen, will man zur neuen Deckung des Kommandanten gelangen. Letztere befindet sich nat�rlich hinter der Gasse, etwas unter der Kammh�he, und wird durch einen Tunnel verbunden. Mit f�nf Schritten kann ich
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hinauf in die Gasse und Stellung eilen. Das neue �Ae-gierungsgeb�ude" wird aus zwei Gem�chern bestehen: dem Amts-, Arbeits-, Schlaf-, Mohn-, Speise-, Be-suchs- und Bibliothekszimmer und dem Heim meiner Telephonisten und meines Dieners, das als Telephonzelle besondere Bedeutung im Kampfe und � zur Verbreitung der neuesten Neuigkeiten gewinnt; denn so ein Telephon ersetzt Zeitung und Besuche, selbst manchmal Grammophon und Schauspielhaus, erregte freilich auch dunkle Ger�chte und liebe Hoffnungen, die sie nie erf�llen .... Das Palais wird aus rohen St�mmen gezimmert, mit zwei Fenstern von der Gr��e V5 m2, zwei Schwarm�fen, einigen Bettschragen, ungehobelten B�nken und Tischen ausgestattet und mit den erlangbaren Papieren und Bildern austapeziert und ..Ritas-Ruhe" benamset werden.
Ihre liebe Nifa1) w�re sicherlich zufrieden. Die
*) Rita K�rschner, das Engelskind, ist die �Heldin" in dem Erstlingsroman �Br�derlein und Schwesterlein" von Enrica von Sjan-del-Mazetti (Verlag, K�sel, Kempten, 1914, 13. Tausend). Die Meistererz�hlerin hatte im Herbst 1915 �Ritas Briefe" (Hausen, Saarlouis) mir in den Aush�ngebogen zugehen lassen und ihre zarte Verwandtschaft des Edwin und der Stephano Schweriner am n�chsten geniest. Damals � ich fa� auf K in meiner kampfwilden
Stilleinfamkeit des Hochgebirges � ist sie mir zur lieben Vertrauten geworden: Das Klosterkind im Weltkampf. Jeder Ernstgestnnte von uns im Felde hat fein Ideal. Mein Abschnittsnachbar z. B., Robert Hohlbaum, beugt sich vor seiner Gesch�tzpatronin:
Du warst bei uns in Taumel und Tanz, im m�delverf�hrenden Waffenglanz; da warst du ein Spiel f�r m��ige Stunden, heut haben zu dir wir heimgefunden.
Heut sind wir von allen M�deln verlassen, heut klirren wir nicht mehr auf Pl�tzen und Gassen, tiefeinfamer Wald und das Himmelsblau, heut sei uns Mutter, Schwester und Frau:
Sancta Barbara!
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- � r' ------------
Aussicht aufs Hochgebirge ist romantisch genug, und Frau Sonne schickt derzeit gerade �ber die H�tte hinauf zu den Zacken und Schneefeldern ihr sch�nstes Licht. Die welschen Kugeln pfeifen gleichfalls �ber die Deckung. Die zwei Oefchen heizen anst�ndig und kochen flei�ig Tee (von wem?). Die Gesellschaft ist auch recht lustig und wohlauf: Tiroler, Steirer, B�hmen, Wiener, Ungarn,
Ukrainer..........
So wird es mir die Stillvergn�gte nicht ver�beln, wenn ich als Bannerherr (d. h. auf milit�risch-deutsch: F�hnrich) der Bergstellung ihr Andenken wahre. And
Wir gr��en dich heute mit Gl�serklang, und morgen vielleicht mit Granatengesang.
Heut kommandierte der Herrgott: Ruht! und morgen vielleicht wieder Bangen und Blut; wie gestern eben der feindliche Blitz, f�nf Meter rechts vom dritten Gesch�tz.
Da� keiner von uns mit schwarzem Panier zum Himmel geflogen, das danken wir dir:
Sancta Barbara!
Oft dr�ngt sich in uns so weich, so weich, die Sehnsucht nach einem helleren Reich, nach bunten Stra�en im Sonnenschein, nach z�rtlichen Lippen und Lachen und Wein.
Und rei�t 's uns zu hei� in das lockende Land, dann rufen wir dich, deine s�nftende Hand, dann netz' uns die Stirne mit stillendem Tau, du Einzige, Mutter, Schwester und Frau:
Sancta Barbara! �
Ich schrieb am 20. Oktober 1915 an die hochverehrte Verfasserin: �Ich lese mit behaglicher Erinnerung an meine eigene Z�glingszeit in der Stella matutina zu Feldkirch ihre ersten Rita-Briefe. Ich habe mich doch ja auch des �fteren um eine zweite Schale Milchkakao umgeschaut, noch lieber aber um �Pantoffel" (Butterteigkrapfen) dazu. Vielleicht gestehe ich Ihnen einmal meine Gymnasialschandtaten als Gegenst�cke zu Ritas �Institutlerischen" . . . Mu� schlie�en! Heute Nacht sollen die Italiener angreifen wollen!" (Vergl. K�lnische Volkszeitung Nr. 922 vom 10. Nov. 1915 und D�sseldorfer Tageblatt Nr. 535 vom 1. Februar 1916).
sollte es mir endlich gelingen, meinen Erholungsurlaub antreten zu k�nnen, so werde ich schon meinen Amts-Nachfolger in das Geheimnis einweihen. Ob aber nach Kriegsschlu� Ritas Mutter (nat�rlich nicht Frau K�rschner) einmal nach der Kriegs- und Junggesellen-bude sehen wird? ...
II.
F �.. f, 12. J�nner 1915.
Heute habe ich mein Waldh�uschen �Ritas-Ruhe" bezogen. Nach dem Schilde, den einer meiner Unter-j�ger (ein h�bscher, aber auch recht verliebter Kerl) malte, ist es gleichzeitig mein ..Kriegsidyll". Am Ein-gang stehen die Reime:
�Erbaut bin ich zu Schutz und Wehr F�r Oestreichs Freiheit, Macht und Ehr.
Durch dessen Willen ich erstand,
Durch deren H�nde ich gemacht,
Bewohnten mich nur eine Nacht �
Dann ging es weiter in Kriegesland."
Und nun ist das Heim mit Sang und Klang bei Wein, Tee und Zigaretten bezogen. Unsere Sanit�tssoldaten n�mlich konzertierten mif Mundharmonika, Fl�te, Blechkessel und einer langen Flasche, in deren Halse zwei Blechl�ffel steckten. Am k�stlichsten freilich mit ihren Mienen und ihrem unverw�stlichen Humor. Sie haben keinen Begriff, wie erfrischend solche ..Musik" auf uns wirkt. Das feindliche Gegen�ber hat die Nachtunterhaltung nicht gest�rt � h�tte es auch gar nicht vermocht. Wenn es aber gewu�t h�tte, wie ich sie schon mit diesem Neubau genarrt habe � sie h�tten
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�liii m ii nr im I i in ii Mi .....
krotzdem mit allen Teufeln auf die H�lle gespien. 3n der Silvesternacht n�mlich r�chte ich mich, da� die ..Katzel-drucker" uns die Weihnacht gest�rt hatten, und sprengte schlag 12 Uhr mit vielem L�rm die Felsen aus, zwischen denen nun ..Ritas-Ruhe" in nat�rlicher Sicherheit herauslugt. Die Herren Gegner, offenbar einen Angriff bef�rchtend, er�ffneten ein Salvenfeuer, indes meine J�ger ihr feierliches ..Nasa vojska iz vikaria Prisla se bresz slave ni." (Fromm und bieder, wahr und offen la�t f�r Recht und Pflicht uns stehen) zur Weihe des neuen Jahres hinaussangen und ihre Generaldecharge abfeuerten. 3ch selbst f�hlte mich so sicher, da� ich hierauf, �hnlich wie in der Weihnacht, meine Kameraden aufsuchte und bei Wein und Punsch, Gesang und Gitarre feierte, bis mich die Pflicht in meine alle M�useh�tte zur�ckrief, die an zwei gro�-m�chtigen Fichten mit Draht gebunden ist und bei Wind klagend und krachend sich hin- und herbewegt wie das alte 3ahr am Sylvester.
Da w�re mein neues Heim wirklich behaglich, wenn wir nicht eben wieder wandern m��ten. Aus ..Hochlands" Monatsheften holle ich mir die Dekorationen, u. a. auch die Abbildung einer M�dchenstatue, die mich lebhaft an Rita erinnert: so einfach, edel und zart!
And nun kommt 3hr liebes B�chel (Ritas Briese I) und Anklin's pr�chtiger Ausweis mit 3hren Aufkl�rungen. Gerade noch recht und � meinen Gedanken entsprechender gesagt � endlich, nach vielen, langen Wochen wieder eine anregende Erinnerung von 3hnen. . . Das B�chel verbleibt in �Ritas-Ruhe�; mit dem Katalog m�chte ich noch rechten. Anklin kennt wohl den Aus-
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..�...
3ug von der tirolischen Literaturgeschichte in der Dritt-auflage meines �Domanig" nicht, die bei K�sel heraus-kam. (Diese Bemerkungen beziehen sich auf eine Weih-nachls-B�cherausstellung in Basel, die der dortige Frauenbund veranstaltete, und zu der Margaretha Anklin den Katalog und die literarischen Erl�uterungen schrieb, die in der K�rze nicht all den vielen Tirolern gerecht wurden). Das beeintr�chtigt wohl kaum die Tat, vor der ich in aller Hochachtung den Hut abnehme, d. h. gehorsamst salutiere. And der Katalog selbst hat sicher allseits Freude gemacht. -------------
3ch lebe in der s��en Hoffnung, Mitte dieses Mo-nats endlich auf Urlaub gehen zu k�nnen. 3n der Sehnsucht nach meinem lieben M�tterlein, die alle ihre Buben und ihren Schwiegersohn im Heere hat, nach Heimat und Haus brauche ich mich vor der Verfasserin des Blu-menteufels" wohl nicht zu sch�men.
Wie anders werde ich meine Vaterstadt wiederfinden als damals, wo ich in �ppigem �Austrier"-Stolz das Iselberg-Lied sang: ....
Wo sind sie, die mit mir schw�rmten,
Wie s ein froher Bursche tut,
Die in Innsbrucks Stra�en l�rmten Recht im Jugend�bermut?
Weit verstreut in alle Winde Traf sie rauh des Lebens Not:
M�de, die ich wiederfinde,
Mancher, mancher ist schon tot.
Nur der Inn rauscht noch wie immer Durch das Tal in weitem Schwung,
Innsbruck liegt im Sonnenschimmer,
Und die Berge, ewig jung,
T�rmen stolz sich auf gen Norden:
Alles, alles noch wie einst:
Aber ich bin grau geworden �
Alter Bursch, ich glaub, du weinst! . , .
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Unser Brigadier
T S�nnet 1916.
Die volkst�mlichste Erscheinung in unseren Stellungen ist bislang fraglos unser letzter Brigadier, General-mojor von Henneberg, gewesen. Den deutlichsten Beweis haben wir erst heute wieder erfahren. Unser Bataillon ist zur Retablierung hierhergekommen und hat die alles �berragende, gro�m�chtige Kaiser Franz Josefs-Kaserne bezogen, welche die Italiener sich schon so oft zum Zielpunkt ihrer Batterien ausersehen, aber noch nie getroffen haben. Der ..gestrenge" Herr Oberstleutnant geht inspizieren. Da und dort ist etwas auszusetzen. Mir hoben ja zum Gro�teil �berhaupt nie im Frieden gedient und also auch nicht dos Kasernenleben kennen gelernt. Die meisten wollen hierzu weniger Lust und Veranlagung haben. �3m Felde, da ist der Mann noch was wert. . .!" T�re f�r T�re �ffnet der diensthabende Offiziersaspirant und kommandiert: �Hobt acht!"
Schlie�lich gelangt man zum Professionistenzimmer. Mieder gellt das ..Hobt acht!" an die vier wei�en, kohlen Monde, und ein 3�ger, der einzige 3nwohner, springt �berrascht von seiner Bank aus. �Marum melden Sie sich nicht?� forscht der Inspizierende den Verlassenen aus. Melden? Er sich melden?! Das geht dem Armen nicht recht in den Kopf. Schlie�lich rafft er sich doch auf, schaut dem Herrn Oberstleutnant auf die Distinktion und sch�chtern kommt es heraus: ..Herr Generalmajor, ich m�lde gehorsamst, ich bin ja nur der Schuster!" Der diensthabende Osfiziersafpirant bei�t sich auf die Lippen und der Herr Oberstleutnant schaut den armseligen Schuhmacher verwundert an. Der psychologische Fall
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war aber bald klar. Der bescheidene J�ger hat beim An-blick der gro�en Erscheinung und der breiten Goldborten auf dem Umlegkragen des Herrn Oberstleutnants sich offenbar gedacht, das ist wohl ein hoher Offizier; und den h�chsten, den er kannte, war ..sein" Generalmajor, also mu�te der Bataillonskommandant, der einen ande-ren Abschnitt kommandiert und deshalb den Professio-nisten noch nicht zu Gesichte bekommen hatte, auch Ge-neralmajor sein.
3a, der Herr Generalmajor! Das war der Offizier nach dem Herzen unserer Soldaten. Fast w�chentlich hatte die sehnige Gestalt uns an der Front �berrascht, lagen wir auch noch so hoch oben im Gebirge oder am steilen Abhang oder tief im Schnee vergraben. Und jedesmal tauchte er an einer anderen Stelle auf, immer dort, wo die Kommandanten ihn am wenigsten erwarteten, damit ja niemand vorbereitet war. So sah und �bersah er alles, so lernte ihn bald jeder J�ger kennen und verlor die Scheu vor dem hohen Herrn, bis schlie�lich ihn alle verehrten und an ihm gleich einem Baker hingen: Nicht da� der hohe Offizier viel mit der Mannschaft verkehrt h�tte � seine Inspektionen kamen Blitz -Visiten gleich. Aber da� er bei jedem Besuche, statt sich bei Kommandanten und St�ben aufzuhalten, sofort in b�e vordersten Sch�tzengr�ben, zu den vorgeschobensten Stellungen und selbst auf die entlegensten Feldwachen eilte, wo fast nur Kadetten, F�hnriche und junge Leutnants der Reserve und des Landsturms mehr heimisch sind, und jovial bald mit dem, bald mit jenem Soldaten ohne R�cksicht auf Rang und Stand ein Mort wechselte, das seine ehrlichste Teilnahme und
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sein aufrichtigstes Bestreben nach Verbesserung der Lage verriet: das sicherte ihm aller Anh�nglichkeit. Und er kam stets allein, in einfachem Anzuge, recht feld-m��ig, und sprach zu den J�gern wie ein �lterer Kamerad zu den j�ngeren und wu�te ihre W�nsche mit ein, zwei Fragen zu erfahren und befahl stets die sofortige Erledigung an, die auch wunderschnell eintraf, soda� man sah, da� der General ebenso rasch und zielsicher in der Kanzlei arbeitete. And das alles geschah ohne Vorsichtsma�regeln f�r seine Person und ohne jedes Aufsehen-machen, als wenn es sich von selbst verst�nde und immer allerorts gesch�he ....
Kommt der Generalmajor nicht einmal und redet einen Posten, der sein Halstuch �ber den Kragen gezogen hatte, als Infanteristen an. Der nicht faul und betont antwortend, er sei ja ein J�ger, ein Zwanziger Feldj�ger. (3st doch jeder der llnsrigen stolz auf sein �eisernes� Bataillon!) Der General bleibt die Erwiderung ihm nicht schuldig: ..Hast recht! Bin auch einmal J�ger gewesen.� Generalmajor von Henneberg, m��t ihr n�mlich wissen, hat von der Picke auf gedient. Da� fein Mort von Mund zu Mund ging, brauche ich wohl nicht zu betonen.
Ein anbermal � ich erz�hle ba ben Berfeibigetn ber K�rntnerfront nichts Neues � verabschiedet der General, wie es schon seine Sitte ist, einen J�ger mit einem strammen Salut und einem liebensw�rdigen: �Servus!" �Servus!� antwortet nun auch ihm der J�ger, ebenso freundlich, freilich ohne zu wissen, was das bei den Offizieren schon so oft vernommene Mort bedeutet. Dem General aber machte bie Antwort viel Spa�.
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An �hnlichen Anekdoten ist unsere Erinnerung an unseren lieben Vorgesetzten reich. Und wenn wir jetzt an der langen Tafel unserer Offiziersmesse unsere liebsten Fronterlebnisse gegenseitig vorerz�hlen und einer von dem oder jenem Rendez-vous oder Rencontre mit General von Henneberg beginnt, so wollen die Erz�hler nimmer enden,- denn jeder wei� ein k�stliches Erlebnis zum Besten zu geben und dadurch die frohe Laune zu steigern, ohne ..A�ubersgeschichten" ausdichten zu m�ssen. Und wenn einmal unser Gespr�ch gar nicht auf den Damm kommt � beim Namen v. Henneberg f�llt alles freudig ein.
Da hat sich nun einmal ereignet, da� Generalmajor von Henneberg sogar als Beweis f�r die T�chtigkeit der �Aeserve-Onkels" aufgetischt wurde. Heutzutage pfeift zwar schon jeder Spatz vom Dache, was diese gem�tlichen Herren in dem etwas ungem�tlich langen Kriege geleistet haben und leisten � eine Statistik von der Front gen�gte �, aber hier und da fliegt trotzdem noch ein W�rtchen auf, als h�tten so manche Einj�hrig-Freiwilligen in der Eile der Ausbildung nicht den gen�genden milit�rischen Geist aufgesogen oder das n�tige fachm�nnische Wissen zu sich genommen. Ohne nun hier als Partei, also als Unberufener, zur Frage Stellung zu nehmen, ob wirklich unser Reserve-Ossizierssystem in allen Punkten sich einwandfrei erwiesen habe, � hat man doch fast �berall umlernen und umwerten m�ssen!
, m�chte ich nur zwei F�lle erz�hlen, wie Generalmajor von Henneberg sich �ber die Feldt�chtigkeit der Reserve-Herren �berzeugt. Fr�gt er da ganz einf�ltig einen Reservekadetten, wozu so eine Leuchtrakete da
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sei und wie sie loszufeuern sei, als wenn er selbst dergleichen Dinge da zum ersten Male s�he. Der Kadett nun praktiziert ihm das Instrument in nicht minder einfachen Morten vor, als h�tte er einen Rekruten abzurichten, und beschlie�t seine Aufkl�rungen mit dem Bemerken, da� er hier die meisten Raketen selbst abgelassen habe.
Mit diesem Reservisten war nichts anzufangen; denn schon wollte er dem General auch das neueste Granatenmodell klarlegen: der kannte sich in jenen Sachen aus, die man im Felde braucht, das sah der Brigadier ein. Inspiziert also ein andermal den linken Fl�gel der Stellung, die sich durch ein Ger�ll zog und deshalb seltener besucht wurde. Der Zugskommandant unterh�lt sich gerade mit seinen J�gern �ber alles m�gliche Praktische, l��t sich ausfragen und fr�gt wieder selbst und denkt an alles eher, als beobachtet zu werden. Da erscheint pl�tzlich eine rotstreifige, graue Hose vor der Deckung. Der Kadett steigt eilfertig aus der unterirdischen Mannschaftsliste, meldet sich, macht fofort auf die Gef�hrlichkeit des Platzes aufmerksam und zieht den General in den Unterstand. Der Brigadier sieht sich um: alles soweit in Ordnung, als man es in so einem Mauseloch verlangen kann. Aber der General ist noch nicht zufrieden und befiehlt dem n�chstbesten J�ger, sich zu setzen, seine zwei Paar Bergschuhe und Fu�lappen zu zeigen und ihm zu berichten, was er t�glich �fasse", d. h. zu essen, trinken, rauchen usw. erhalte. Der J�ger plaudert ganz vergn�gt, wie gut er es hier habe, da� er vom Herrn Kadetten erfahren habe, wie Herr General selbst die Ausbesserung der Menage anbefohlen habe ....
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K�rzlich war der Erzherzog-Lhronfolger Karl Franz 3ofef zum Besuche in T leider konnten die Zwanziger Feldj�ger ihm nicht vorgef�hrt werden, weil sie im Gebirge sich in Stellung befanden. Aber sicherlich, so haben wir schon oft gesagt, h�tten unsere J�ger auch ihn mit ..Herr Generalmajor" angesprochen; denn ..der Generalmajor" ist ihnen doch der liebste Herr im Heer und so mu� auch ihr lieber, junger Thronfolger bei ihnen Generalmajor bleiben. Was h�her hinaus geht, kann bei ihnen nur Generaloberst und Erzherzog Eugen, Feldmarschall und Erzherzog Friedrich und zum guten Schlu� ihr guter, alter, ehrw�rdiger Kaiser sein.
Nachtrag. Als ich meine wenigen fl�chtigen Eindr�cke von unserem fr�heren Brigadier niederschrieb, konnte ich nicht ahnen, da� sie schlie�lich gleichsam als Nachruf zu seinem Tode erscheinen werden: am 7. M�rz 1917 begrub eine Lawine den Generalmajor I o -sef Freiherr von Henneberg auf einem seiner t�glichen Stellungsbesuche.
Durch seinen Hingang hat v. Henneberg seinem rastlosen und hingebungsvollen Schaffen und Wirken als F�hrer und Vater seiner Gebirgsbrigade die Weihe und den Ewigkeitswert verliehen, da� sein Andenken gleich denen unserer gefallenen Helden, verkl�rt durch den Tod treuester Pflichterf�llung und Selbstaufopferung, uns als gl�nzendes Vorbild begleiten wird.
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In die S o!
(Nach Briefen an E. v. Handel-Mazzetti)
I.
Am N � s, Februar 1916.
Hochverehrte Frau Baronin!
Am 13. dieses Monats bin ich (nach der R�ckkehr vom Urlaub) in unsere neue Stellung, statt wie sonst mit dem fichtengr�nen Panzerzug, auf einer landes�blichen Fuhre mit mehreren Kameraden abgefahren. Die Stimmung war frisch, ja fast �berm�tig; das Wetter maiwarm; das Tal uns neu und alle unsere Erwartungen f�r die Zukunft hochgespannt; denn dem neuen Standort ging der Ruf voraus, er sei einer der best ausgebauten inmitten seltener Hochgebirgsherrlich-steif, �ber welche ins ..gelobte Land" endlich hinabzusteigen unser aller Wunsch w�re.
Da� in dem Dorf S. der Kartellbruder, Baron Sp.. � von dem Wiener �Aargau" regiere, wu�te ich damals noch nicht, sonst h�tte ich eine Zusammenkunft angestrebt. Ich bin nun einmal so ein Tiroler, der am liebsten bei seinen Landsleuten und sonstigen Freunden, die mir durch lange pers�nliche Bekanntschaft teuer geworden sind, weilen m�chte und deshalb ihren Berkehr im Felde schwer entbehrt. And im C. B. f�hle ich mich oft selbst bei bisher ganz unbekannten Karfcllbr�-dern wie zu Hause, wie in einer Familie. Aber noch nie in den acht Monaten meines Frontdienstes habe ich das Gl�ck gehabt, einen Kartellbruder anzutreffen.
Auch wegen eines anderen Umstandes ist mir das k�rntnerische Gebirgsdors in Erinnerung geblieben: am
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Platze, den noch keine welsche Granate verunstaltet hat, stand ein Schneemann, eine derbe Spottfigur, die vornehmer und volksk�nstlerischer als die �blichen Witze des Hinterlandes die feindliche Beschie�ung friedlicher Ortschaften w�rdigte. �
Entsetzt rief ich gleich meinen Kameraden dem feldgrauen �Kutscher" zu, als dieser westw�rts geradeaus, in der Richtung nach P...... I weiterfuhr, er bringe
uns ja in eine ganz falsche Gegend. Aber �berlegen wie ein historisch-herrschaftlicher Rosselenker, schmunzelte nur fein glattes Gesicht vor uns Offizieren und seine kr�ftigen Arme trieben peitschend die triefenden Acker-
fl�ule weiter, um diese pl�tzlich doch in das S -Tal
abbiegen zu lassen. Mir verstanden aber auch schon den Zweck des Umweges, da linker Hand das ungl�ckselige
M ch auftauchte, das mehr den Ruinen von
Pompei als einem Alpendorfe gleicht. And das ber�hmte
Maria L das Mallfahrtskirchlein hoch oben am
Berge, war gleichfalls mitsamt den meisten Anrainern zu Schutt geschossen.
Das anmutige Tal, bekannt als Sommerfrische, weist bald die schroffen Gegens�tze der harnisch-j�tischen Alpen auf: eine tannendurchzogene, wellige Ebene und steile, nur vom Schnee bekleidete Gebirgsmassen. Am Fu�e eines n�chst linksseitigen Berges, auf dessen einem s�dlichen Abfallsr�cken das Ihrer Rita geweihte Blockh�uschen steht, zieht sich meine Stellung Hin.
So habe ich nun in acht Monaten unsere ganze Ber-teidigungslinie von der Soca bis hierher, �int Dienste" kennen gelernt, zwar ein kleines Gebiet im Bergleich zu der Gesamtausdehnung der �sterreichischen Fronten,
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das aber doch mich so ziemlich mit dem ganzen Abwehr-Krieg wider die Welschen vertraut machen konnte. Vielleicht darf ich Ihnen einmal von den Hochgebirgsleitungen unserer Soldaten erz�hlen. F�r diesmal m�ssen Frau Baronin sich mit einem H�ttenbesuch zufrieden stellen. �
In der sorgf�ltig ausgebauten Reserve-Stellung des Abschnittes wartete uns ein lustiger Hauptmann beim Mittagessen mit seinem Kriegslatein auf, und es w�re undankbar, nicht anzuerkennen, da� er Suppe, Kuh-fleisch und �Schwarzen" uns schmackhaft zu w�rzen verstand und der �Etappens�ure� uns zuzusprechen half. In dieser mit braunem Pappendeckel austapezierten Offiziersmesse war augensichtlich sein Geist zum Durchbruch gelangt � oder war letzterer schon von fr�her her hier heimisch, denn an fidelen Versen und Wegweisern fehlt es nicht. Selbst f�r den breiten Pfad �zum Kriegsschauplatz" war eine w�rdige Tafel gestiftet worden, die an dem angedeuteten weiteren Plane der hiesigen Soldaten an Gro�z�gigkeit des Gedankens nichts zu w�nschen �brig l��t. Fraglos w�rde Cadorna nach der Lekt�re der Inschrift in Aaserei geraten, weshalb ich in R�cksicht auf unseren ehemaligen Bundesgenossen leider verzichten mu�, die Aufschrift schon jetzt zu verraten. Die Verfasser sind brave K�rntner Haustruppen, die lange Zeit hier wacker geschafft und geschanzt und ihren urw�chsigen Mutterwitz gepflegt haben.
Nun, unsere neuangekommenen Kroaten freuen sich auch, an den welschen Feind heranzukommen, den doch ihre Volksgenossen unter Radetzky schon derart bearbeitet hatten, da� noch heute die Namen Radetzky und
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Kroat zu den gr��ten Schreckmitteln der eroberungslustigen Nation auf der Apennlnen-Halbinsel geh�ren. Es wurden also unsere J�ger trotz aller Marschm�hsale bei der Uebernahme der Stellungen etwas lebhafter und lauter, als gerade am Platze gewesen w�re. Und das mag der Anla� gewesen sein, da� die Welschen in der Nacht durch zwei volle Stunden ein blindw�tiges Feuer auf uns richteten, ohne einen Schaden anrichten zu k�nnen. Der Spa� war f�r uns gro�. Durch das Abfeuern von Raketen und Leuchtpatronen, was uns bei ihnen fast neu war, sorgten sie f�r eine entsprechende venezianische Festbeleuchtung, der Mondnacht wie zum Trotz. And ich hoffe zuversichtlich, da� der Poet Cadorna den Ullt ausn�tzen und aller Welt berichten wird: er h�tte einen gro�en Angriff gl�nzend abgeschlagen. Se non e vero, ben trovato!
Seither blieb zwar die famose feindliche Infanterie still, und ihre Artillerie muckst nur selten auf, aber wir sind auch nicht faul und haben uns gr�ndlich um- und vorgesehen.
3ch z. B. liege mit meinem Zuge am Fu�e eines Gebirgsstockes, w�hrend der Feind mit seinen vorgeschobensten Stellungen sich unterhalb des M. und K. in die Felsen verbohrt hat. Meine kiosk-�hnlichen, aus Baumst�mmen gezimmerten und mit Teerpappe �berzogenen Schie�st�nde beherrschen das Vorgel�nde nach allen Richtungen. Die Zwischenstrecken will ich noch befestigen, durch Laufgr�ben einen sicheren Ver-kehr herstellen und neue Verteidigungspositionen und Postenpl�tze schassen lassen. Und meine beiden Be-obachtungsst�nde auf einem Felskolo� und einem
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hohen Baume gew�hren werlvolle Weitblicke. Selbst Hause ich zwischen dem 3. und 4. Schie�stand in einem kleinen Anbau zur 3. Schwarmdeckung in einem drei Meter langen und 2 Meter breiten und hohen St�bchen, dessen Holzw�nde mit den verschiedensten neuen, hellen Tapetenmustern geschmackvoll verkleidet wurden. Ein gro�es, f�r den Feind maskiertes Doppelfenster gestattet den Ausguck auf die gigantische Gebirgswelt des Gegners und l��t nun auch schon des Nachmittags die Sonne hereinstrahlen, die langsam hinter einen Felseneinschnitt her absinkt, um dann all die toten Stein- und Schneemassen ergl�hen zu lassen. 3n meinem �Vorzimmer", bas um bie H�lfte kleiner unb um bie Tapeten �rmer als meine eigene Wohnung ist, haust jeweilig mein kleiner, blasser Telephonist Zwat, ein ganz geschickter Schustergesell (wenn er auch verteufelt schlecht schreibt), unb mein umso gr��erer Diener, ber lange Martin Ci-lensek, ein wohlhabender slowenischer Bauernsohn, ben bie tlberkraft unb ber �bermut in allen Knochen juckt, unb bas bis an bie beiben abstehenben Ohren reichenbe Lachen wohl ben ganzen Krieg begleitet. Da� bie zwei sich nedtenben Gegengr��en mir mehr Spa� bereiten, als sie wissen, ist gut in ber engen Antikamera. Still ist es bort nur, wenn bie beiben Zimmerherren gemeinsam bie lleberbleibfel meiner �berreichlichen Menage vertilgen ober meinen ..Kommis" in ihren ..Schwarzen" fchnei-ben unb meine Rauchfassung vernebeln. Daf�r teilen sie sich aber auch getreulich in meiner Bebienung, soba� ich eigentlich wie ein Gro�-Pascha leben k�nnte, wenn mein Oefchen das Rauchen verg��e. So aber vergi�t
auch meine hochwerte Dienerschaft das Sehen oernc ba� ich manchesmal wie Trikan mit einem dreizackigen Donnerwork dreinfahren mu�. 3 9 n
JD�inK habe ich Ihnen aber auch schon die Nachteile meiner neuen herrlichen Behausung verraten, die ein-
Sl'en fZft6 3U 6" ?ud�"d der bisherigen Keinen Xamen tragt, denn einmal habe ich nicht eine so zahl-
reiche Iung-DarnenbeKannkschafk, da� deren s��e Kose-
ncr^r" rnrC?fe' lroeifcn6 w�rden sich die meisten mei-ner Fr�uleins von Innsbruck und beim Anblick der
mlt schwarzer Dachpappe �berzogenen H�tte wohl be-
'hren z�rtlichsten Anruf in klotzigen Buchstaben
aus der Klausnerture zu lesen, und drittens � die
Hauptsache � hatte ich den Bau nicht selbst ausgef�hrt.
Und das geh�rt doch zu den einfachsten Kriegssitten der
6eldiager, da� man sich nicht mit fremden ..Federn"
schm�ckt. Das h�tten wir auch gar nicht n�tig, wenn
ZI X T 9003 9cmcinc und Wiesenpl�nkler sind und den vornehmeren Waffengattungen f�r den
X- o . Uniformierung ausleihen durften. Wo sind die Zeiten, in denen allein die I�ger den buschigen Hut, das graue Tuch, die gr�nen Lampas trugen? �
Doch treten wir lieber nochmals in meine Bude"
i2nmA Vio ?Everzierter Empire-Himmelboden zwischen 6 und 12 Uhr abends und 5�7 Ahr fr�h mit Hilfe m'f ^�neni gnoulkorb umgebenen elektrischen Lampe erstrahlt. Zwischen den Fenstern liegt mancher Mund-v�rra ?azu ein bi�chen Wein und Bier und einige Blechb�chsen Hartspiritus. Am Kopfende der Strohmatten ist ein breites, einfaches Kreuz angenagelt, wel-ches ein Borg�nger aus Tannenrinde verfertigt hat.
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Den Ofen mit seiner abgebogenen Kaminr�hre umsteht ein Gestell zum W�schetrocknen, wie man es bei den Kachel�fen unserer Bauern oft sieht. Zwischen dem wag-rechten Heberboden und dem schiefen Hausdache, also im Zwischenbeck, finbe ich gestiftete Freipl�tze f�r M�use; in ber Nacht huscht unb raschelt es oft bedenklich �ber mir.
Zur Schwarmbeckung verh�lt sich mein Heim wie bas Ausgeding eines alten Bauern zum Geh�ft. Bott der Telephonzelle aus kann man durch ein Wandloch mit den zw�lf Bewohnern des Hauptgeb�udes verkehren. Beibe Geb�ube stehen hinter einem Felskolo�, der uns vor einem rechtsseitigen Flankenangriff ber feinblichen Artillerie sch�tzt unb auch bett granatsicheren Unterstand bieten wird. Der H�gel hei�t sich �Walk�renfelsen" und sein Wegweiser mahnt allzu neugierige Inspektoren: �Nur f�r Schwindelfreie!" Oben aber h�lt ein Posten treue Wacht. Neben dem Posten ist ein Scheinwerfer und ein Gewehrgranatenstand eingebaut. 3m Falle einer feindlichen Ann�herung wird hier wie bei jedem der Posten meiner mit Maschinengewehren und Minenwerfern verst�rkten Stellung die Alarmglocke, eine anst�ndige Kuhschelle, gezogen. Der Feind k�nnte sich hierorts nur blutige K�pfe holen.
Die glatten W�nde unserer Postenh�uschen geben einige Geheimnisse unserer J�ger preis. Da grub einer den (ihm wohl sowieso unverge�lichen) Namen seiner Angebeteten ein, dort klebt sogar ein ganz h�bsches photographisches M�dchenbild. Ansichtskarten, manchmal nicht ohne Geschmack eingeschnitten, sind schon �fters vertreten. Eine der Inschriften darf ich wohl hersetzen?
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Wer nie im Buchenwalds Deckung grub Und drinnen lag, noch beide F��e na�,
Die H�nde m�h, das R�ckgrat steif
Und pl�tzlich h�rt: hinaus, hinaus auf Wacht �
Trotz Kugelregen, Sturm und Wind:
Der wei� noch lange nicht.
Was bitt're Stunden in der Stellung sind.
Aber auch die Zeichner und Schnitzer bet�tigen sich hier und machen Schule. Die B�ume in der N�he der Posten sind mit ihren ..Grav�ren" geschm�ckt: Tiere, Werkzeuge, Spottfiguren. 3n einer Unterkunft sah ich eine regelrechte Diensttafel mit beweglichem Zeiger aus Holz, Bilderrahmen aus Rinde und Brettchen von Lie-besgabenkistchen u. dgl. mehr.
Die J�ger hausen hier wirklich nett. Gro�e R�ume, Schlafstellen in zwei Etagen, Strohmatten, Fu�b�den, Tische, B�nke, Fenster, elektrische Beleuchtung � also doch einmal das Barackenbeleuchtungs-Elend los1) und alle H�tten in gesicherter Lage, gut maskiert und gegen Anwetter mit Dachpappe verkleidet, ja selbst da und dort mit Wellblech gesch�tzt, dazu Granatdeckungen in Felsen. 3m Sommer m��te es hier tats�chlich ein vergn�glicher Aufenthalt fein. Aber bis dchin find wir wohl wieder �ber alle Berge. �
Soeben erfahre ich von 3hrer neuen Gabensendung. 36) danke 3hnen vielmals daf�r, mu� aber Frau Baro-
�...*) Not macht erfinderisch. Die J�ger sammelten in solchen Fallen Fett oder Del in Konservenb�chsen, steckten ein Band als v>�'ne'n Ed schufen sich ein freilich etwas unruhiges und kleines Licht, das aber immer wieder auftauchte, sobald die Schwarm-lampchen oder das Elektrische versagte oder keine Kerzen nachgeschoben wurden.
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nin bissen, endlich Einhalt zu tun. Wenn ich an die oie-len armseligen Kameraden denke, die in Elend ungleich heldenhafteres zu leisten verm�gen als wir, die ja pr�chtiger denn je verpflegt werden, in unserem einfachen Stellungskriege, dann kommt mir erst so recht zum Bewu�tsein, wie wenig ich die vielen Zuwendungen verdiene. Ich wei� �berhaupt nicht, weshalb Frau Baronin gerade uns Tiroler beschenken und auszeichnen � so jetzt wieder in Ihrer einzigartigen �Kriegs-Erz�hlung" vom Blumenteufel in der �Aeichspost." Die Geschichte hat eine unerwartete Wendung genommen. Ich hatte mich schon gefreut, die Tiroler B�uerin am Bette ihres braven Sohnes von Ihnen dargestellt zu sehen. Frau Baronin verpflichten uns durch diese literarische Verherrlichung unseres Landvolkes. Tragen Sie nur nicht allzu lichte Farben auf, wir Tiroler vertragen nicht zuvieV Lob und wissen, da� im �heiligen Landl" nicht jeder und
jedes lauter ist Anderseits hat der Tiroler Patriot
(�hnlich der slowenischen und kroatischen Grenzbev�lKe-rung) wieder einmal in diesem Kriege eine schwerere Pr�fung durchgemacht als jeder andere �sterreicher. Wir m��ten stolz sein, wollten Frau Baronin mit Ihrer au�erordentlichen Darstellungskraft das Tirol von heute verewigen. � Dieses ist freilich nicht so verschieden von dem des Jahres 1809, als uns manche wei�machen wollten. Wenn das �Landl" nur nicht sich in Kriegsopfern ersch�pft!
Schon bei Beginn des Krieges bevorzugte �)aiidel-Mazzetti die Tircler im Feld mit ihren Liebesgaben und schickte mir wiederholt prachtvolle B�cher f�r meine verwundeten Landsleute: .... �Mit Ihrer liebensw�rdigen Karte haben Sie mich wirklich besch�mt! Ich bitt ja gl�ckli ch, Ihren verwundeten Tiroler Helden eine kleine Ueberraschung bereitet zu haben mit der bescheidenen
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�eestW
��<|erauslefe, ber bald eine fl s��ere folgen soll. Das n�chstemal m-SAHnl� @l0r l^�'1e Tirolensia schicken, unter anderen Ihren fq ar � tr \ kI Domamg und die tirolische Literatur seit 1800" f�h h9e)' a Sremplar Ihres Werkes reist jetzt nach Helgoland zu den Herrn von der Kaiser!. Deutschen Marine. Ein 06er� mH hIr N � Reserve, 3. Komp^ schrieb mir einen reizenden Brief mit der Bitte um interessante B�cher. Man schickte ihnen ja alter' es wertloses Ausfchu�zeug. Ich tat nun mehrere 1/ |d)t' B�nde zusammen, darunter mar Ihr �Domantq" Sie
sw [ernenn 4�* �orltetten' "i-ein angehender Spee oder M�l-Me Darlegungen �ber den Tiroler Freiheitskampf mit gl�hender Begeisterung lieft. Freut Sie das? Und was machen
^ittsbru(fCniAtr�-e Fr�$es gef�llt ihnen am besten? Wenn EliL� ^ H�lbtagsfahrt von Linz w�re, h�tte ich oen * i ifm � V ' B�cher am liebsten selber gebracht und noch allerhand E�-, Trink- und Rauchbares dazu! Ich habe es Ihnen ja
�*' t Zustr�men unserer V�lkerschaften, das dieser ungeheure Volkerkampf mit sich bringt, hat mir tiefe Blicke in die fnlft einzelnen �sterreichischen St�mme tun lassen; und die am fflfnn, n���j Augen aufstiegen, in eine Heldensph�re, deren
f Seiten anzugeh�ren scheint, waren die Tiro-
LVn," a lble Ungarn stellen heldenhafte Streiter ins Feld, aber der Ungar ist vornehmlich gro� als Krieger; der Tiroler aber als Mensch und als Krieger. Verehrter .Herr, ich trage Eule� nach Athen, wenn ich Ihnen das sage. Sie kennen diese wunderbaren aWanner mel besser als ich, die Rotkreuzschwester, die nicht einmal Ken klm� (mein Schmerz!!) aber ich mu� es Ihnen doch �^n Auf meinem literarischen Bergpfad, den ich mit den sch�nsten mei-NE Geist entrichten Rosen bestreute, habe ich nur wenige Fanden erlebt; wieviel wurde ich nicht verstanden, wieviel auch �e-
�u^r Absicht oft, aber wie weh tut es mir! � Alle diese
firieosinhr^' 1014 1-'"/ ^nitten ~ die Verwundeten des ?/'egsjahres 1914�Io haben sie an mir gutgemacht! Und beson-
LftL �r! n �^er! Diese M�nner waren von einem sinder-rl ^utrauenzu mir, von einer Delikatesse des Wortes, da� man besinnen mu�te, Bauern vor sich zu haben! Und welche Dankbarkeit f�r das Wenige, was man ihnen bot, nachdem y.eJul�unf ihr Blut hingegeben haben! Oft sah ich einem dieser V,i! ? beiligen Landes Tirol ins Auge, das so rein und klar und ungetr�bt war wie die Wasser ihrer Berge. Diese Augen sag-hil'for'r- ^/"el;fiesagten mir, da� aus der unentweihten Unschuld dieser Seelen die Heldenkraft sprosse, die die Russen vor den SBlu-menteufen" zittern lie�! Und dann der K�nigsglaube diei �" H e t d e n! Das Wort ist bis zur Unkenntlichkeit verballhornt worden, eine Type des gro�en Krieges ist es zu Ehren gekommen-aber die sch�nste, r�hrendste Bedeutung scheint es mir doch immer
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in der Empfindung Ihrer tapfern Landsleute zu sein! � Ich stand am Bette eines verwundeten Tirolers und bot ihm Ansichtskarten an und lie� ihn ausw�hlen. �Ich wei� schon, was ich nehme", sagte er in seinem h�bschen und wohlklingenden Deutsch, das ein wenig Schweizerklang hatte, �die nehme ich mir." Dabei nahm er ein Bild des Kaisers, �den hab' ich gern!" Seine linke Hand war halb weg � als er bei uns ankam, war er drei Tage zwischen Tod und Leben. Er hatte es f�r den Kaiser gelitten � sein Blut war ihm nicht leid geworden � er liebte seinen Kaiser, das war die echteste, tiefste Liebe, die es gibt: Eine gr��ere Liebe hat niemand, als wer sein Leben gibt f�r seine Freunde. � In diesem Augenblick, verehrter Herr, h�tte ich gerne einen Zauberspiegel besessen. Ich h�tte das Gesicht dieses �Blumenteufels", das die Hoheit bewahrter Unschuld zeigte, und die Hand, die das Bild des Kaisers hielt, und auch die andere, verst�mmelte Hand, in diesem Spiegel aufgefangen und h�tte das Bild vor unserem teuren alten Kaiser in Sch�nbrunn aufleuchten lassen, und ich wei�, ein Gef�hl s��en Gl�ckes von der Liebe feiner Landeskinder, s o geliebt zu sein, h�tte sich in sein tierz gesenkt!------
Sie schrieben mir so sch�ne Worte von Bruder Willram, danken Sie ihm in meinem Namen, da� er in diesen st�rmischen Zeiten sich die Mu�e nahm, mein Buch (Stephana Schweriner") zu lesen! Heute wollte ich noch einen Brief schreiben, aber es ist schon 11 Uhr und das ganze Haus in Ruhe ..... Wenn Sie ins Feld ziehen, so will ich einen besonders lieben kleinen Tiroler Schutzengel mit Ihnen schicken, da� er seine Fl�gel immer um Sie breite, wissen Sie, einen solch lieben kleinen, wie diese waren, die in Reimmichl's reizendem Weihnachtsgeschichtchen in die Himmelst�r schl�pften, um zu sehen, wie es darin ausschaut. Glauben Sie mir, Die Erz�hlungen von Reimmichl und Schrott-Fiechtl und v i e -i e s von Domanig ist mir erst jetzt lebendig geworden, wo mir das echte, kernhafte, gl�ubige Tirolertum in den �Blumenteufeln" lebendig und �berzeugend entgegentrat.
Leben Sie herzlich wohl! Gott mit Ihnen! Gr��en Sie alle liebelt Freunde, die es freuen kann und die sich meiner erinnern.
In treuer Ergebenheit Ihre
Enrica Handel-Mazzetti.
Linz, 12. April 1915.
II.
Am R ,2. M�rz 1916.
Schon so lange ist mir ungewohnterweise aus Linz keine Briefschaft mehr zugekommen, da� ich f�rchten mu�, die eine oder andere sei verloren gegangen . . . .
Dieweilen Hut bei uns nach einiger K�lte der Schnee eingesetzt, Tauwetter wechselt mit dem Frieren. Schon poltern Lawinen drohend nieder bis zu meiner Stellung.
Wei�er Tod, bsutigrot,
Ringst in Lawinen:
M�nnerbrust, Lebenslust Pochst noch da drinnen �
f�hrt es statt des �Almenrausch, Edelwei�" durch den Kopf und mit mir denkt schon fast jeder der Meinigen mehr an die kommenden Gefahren des Winters als an die allt�glichen des Krieges. Wir haben bislang noch Gl�ck gehabt, wenn auch viel Arbeit. Vorab unser lieber �Loisig" und Fotografier �Klotz".
Wenn ich durch die aufget�rmten Schneemauern und Tunnele zur�ckkehre, heimelt mich meine Stellung und Behausung wohliger denn je an. Vor der T�re saust jetzt ein kleines Windrad, zum Ab-streifen der Schuhe (in meiner Heimat w�rden die Bauern sie ruhig ..Knospen" nennen) steht ein meerg�ttlicher Dreizack, eine stillose Heugabel n�mlich von martialischer Gr��e, dienstbereit, der Telephonist schnitzelt aus frischem Holz federnreiche Hl. Geiste, eine Kunst, die er bei den gefangenen Moskali gelernt hat, mein getreuer Martin h�lt mir schon die hohen Filz-stiefel bereit und auf dem Schwarmofen brodelt gleich der Schnee zu Teewasser. Und wie im Liede, singen die D�glein im Walde. Des Nachts ulkt freilich ein unerm�dlicher Kauz � zwar nicht gerade mit: .,3n der Hei-Mat, da gibts ein Wiedersehn", sondern mein Lied lau-tet etwa: �3n der Heimat, da gibt es ein Doktorieren."
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Es hat mich ehrlich gefreut, da� meine �uralte" Dissertation, der noch jeder Schliff und Glanz fehlt � die Kriegsdienstleistung und die Bersetzung von den Einser Kaiserj�gern zu den Zwanziger Feldj�gern hatten mir, wie Sie wissen, den Abschlu� des Doktorates seinerzeit unm�glich gemacht � approbiert und mit besonderem Lobe des Flei�es eines an der Front stehenden Promoventen gedacht wurde. Nun fehlte nur noch, da� man mich endlich doch rigorofieren lie�.
Aber ein anst�ndig volles Gl�ck trifft auch ein Pfingstsonntagskind selten, wie ich es als n�chtlicher Philosoph herausgekriegt habe. Wenn ich n�mlich so auf meiner Pritsche in dem um die H�rnlein eines Aehb�ckls bereicherten Empirstublein liege und mich schon mit der Tatsache abgefunden habe, da� es dank meines Schwarmofens entweder zu kalt oder zu warm ist und endlich in meinen Traumbezirk �bersiedeln m�chte, regt, raschelt und springt etwas wild-wirbelnd hin und her auf einem Dachboden. And ich mu�te neulich einem Freunde in der staatserhaltenden Partei die Ueberzeugung mitteilen, da� sich meine M�use fast so schnell wie galizische Heereslieferanten zu vermehren und zu bereichern verstehen.
Ob da nicht sogar Ihre seelengute Rita, die ich mir gonz gut in mein Empire-St�blein hineindenken k�nnte, die Tugend der �State� verloren h�tte? ....
Ihrer Blumenteufeleien1) wegen w�re ich bald mit
1) Meine Bitte, ihre zuerst in den Sonntagsnurnrnern der Wiener �Reichspost" bis 5. M�rz 1916 erschienenen Tiroler �Bilder aus dem Linzer Reservespital Stabsgymnasium" zu Gunsten des Roten Kreuzes als Brosch�re herausgegeben, beantwortete sie am 7. M�rz 1916 in einem langen Briefe: .... �Ja, das w�re ein
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Einern schriftstellernden Landsmann ..zusammengewach-sen , und zwar deshalb, weil Sie dort Ihre Pers�nlich, keit, sogar Ihren Pelz (welches Verfangen!) anf�hrten oder, richtiger gesagt, Ihre Hingabe und Ihr Erbarmen verrieten und den Tirolern einzig und allein ..soviel sch�n und gut" gemacht haben. Die ..blutfrohe" Dichterin des .Meinrad" und �Iesse" schmunzelt wohl jetzt �ber den Vorwurf der Sentimentalit�t? Schade, da� Frau Ba-ronin durch Ihr, meinerseits nun gar nicht verdientes Lob mich zum Schweigen verurteilt haben.
Ich empfehle mich Ihnen mit ergebensten Gr��en
A. D.
Zur�ck von der Front
/.
S 6. M�rz 1916.
Heute nehme ich Abschied von meiner Stellung und von der Front. Mit Steigeisen beschlagen und bewaffnet mit einem Verben Stocke stapfe ich �ber Schnee und Eis in steiniger Nacht H�gelauf, h�gelab. Hinaus durch das arg belastete Get�nn zu den kerzengeraden Hindernissen. Jedem Posten sag' ich gleichsam ein Lebewohl
IreuA �r'hwfri-e' eine Sammlung dieser Skizzen f. d. R. e i n N �rf> h ~ � *3len nur eben Baumaterial f�r
rsL�Stryr s� v1-
Sftt�fr 2t6er torieb ich Anen schon da�^ tzt
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f�r sein Art, stell' mich neben ihn und plaudere, wie ich's so oft getan, in wildem Kauderwelsch, wie lange er schon stehe, ob der Tee ihm schmeckte (den er zweimal des Nachts erh�lt), was die Mutter mache und das Weiberl, die kleine Spala schreibe, ob seine Marja wieder gesund sei ... .
Und mitten im Gespr�che weise ich, als h�tte ich weiterhin hier noch zu walten, mit dtr Hand zur welschen
Feldwache aus dem G rufe den Avisoposten
und alarmiere mit einmaligem Gescheite den ganzen Zug. �
Unruhig, mit vielen Unterbrechungen, schlummere ich auf meiner schmalen Strohmatte ein, endlich das nachbarliche Telephongepfiffe �berh�rend. Wie schwer ich mich in Wechsel finde! Wie ungern ich von der Front zum ErfatzK�rper zur�ckkehre, um dort mit Kameraden die Ausbildung unserer neuen kroatischen Rekruten zu �bernehmen! Wie heftig Herz und Phantasie arbeiten. Pl�tzlich wieder erwachend, ertappe ich mich in der Sorge, um wie viel schwerer mir erst die R�ckkehr ins Feld fallen wird.
Des Morgens fr�h halte ich zum letzten Male mit meinen Chargen den gewohnten Rapport ab. Nicht so s�st milit�risch als kameradschaftlich ger�t mir die Ansprache und wider jedes Reglement sch�ttle ich zum Schl�sse jedem der Biederen die Hand. Sie haben lange und wacker mit mir an der Front ausgehalten. Ihnen verdanke ich nach meinen braven J�gern am meisten den guten Ruf meines Zuges. �
Es schneit und schneit, als w�ren wir im Dezember. Ein Ast �rgert sich �ber die flockige Beschwernis und
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. L
spritzt mir den nassen Staub ins Gesicht. Mein Nachsol-ger, ein Egerl�nder Leutnant und F�rster im Frieden, der schon seit Kriegsbeginn dient, rutscht und saust den steilen Fu�steig hinab. 3ch mutz unwillk�rlich lachen, ich f�hle mich fest auf den F��en. Steigeisen und Stock und die Haltung fehlen ihm noch, die ich mir in den langen Kriegswintermonaten schon ..beigebogen" habe.
Ein Schwarm meiner J�ger singt gerade, wie ich vorbeigehen will, zum Abschied slowenische und deutsche Lieder und variiert:
�Der F�hnrich, der uns kommandiert.
Der uns zum Kampf und Siege f�hrt
3a, jetzt ift�5 aus mit meinem Kampf und Sieg, jetzt werde ich einer jener ..Hinterw�ldler", deren wir an der Front oft mit Spott gedenken. Hab' mich schon glatt rasiert und auch sonst des geldm��igsten nach Kr�ften entledigt. Aber f�r eine achtbare Kaderfigur fehlt mir wohl noch vieles. Ob ich �berhaupt jemals in eine solche mich verwandeln kann?
Dr�ben �ber dem W... berg steht �Ritas Ruhe." Nun verla�' ich auch das goldbrokatene St�bchen unterm ..Malk�renfelsen", davor das ..Drachenloch", mein granatsicherer Unterschlupf ausgesprengt ist. Gerade gehen einige meiner 3�ger hinaus auf die Feldwache. 3rt ihren luftig-bauschigen Schneem�nteln und Schnee-Hauben erinnern sie an Theatergestalten. Aber ihr Kriegsspiel ist ernst � soll dem Kaiser und Reich wiederum den Frieden bringen ....
Die letzten Feldgr��e in alter Ergebenheit
A. D.
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irmmsra ----
ii.
Obersteier, 10. M�rz 1916.
Sie kennen wohl das von alten Schutzmauern und t>on neuen Villen umz�unte, vom Starhemberger Schlosse Forchtenstein gekr�nte N. an der Kronprinz Rudolf-Bahn (835 m hoch). Auf feinen talweiten Wiesen und sanften Waldh�gelgel�nden haben sich ja die Zimbernschlacht von Noreja und die Abwehrk�mpfe gegen die T�rken abgespielt. Und vielleicht ist Ihnen auch der aufstrebende Luftkur- und Sommerfrischort als solcher bekannt geworden. Derzeit ist es freilich noch viel zu kalt und kotig hier, um in der Mittel-gebirgslandschast umherschw�rmen zu k�nnen. Habe auch nicht Zeit dazu. Mehr als zw�tshundert S�ger hausen n�mlich hier, verteilt auf zwei Schl�sser au�erhalb des Marktes und einige H�user in der Hauptstra�e. Die meisten Rekruten stammen aus Banjaluka, sind stramme Kroaten voll Temperament, das sich auch in ihrer buntscheckigen Kleidung ausspricht, baneben aber auch scheinbar alte, abgerackerte Leute. Fr�gst du sie, in deiner Teilnahme nach ihrem Alfer, so erh�ltst du nur sehr ungenaue Antworten und erf�hrst balb, da� fast keiner lesen unb schreiben kann. An Arbeit fehlt es ihnen offenbar in ihrer Heimat nicht, wohl aber eher an entsprechen!� gro�er Arbeitslust unb guter Nahrung; sie k�nnen sich, vorab an Brot, nicht satt essen, sch�tzen bie Fleisch-kost kaum geb�hrend und bitten nur um �viel". Sinb arme Teufel dabei: einer hat acht Kinber daheim und eine kranke Frau. Me soll er sich mit
ihr verst�ndigen, wo beide keinen Buchstaben schreiben k�nnen, und wie bei seinen Sorgen mit der n�tigen Aufmerksamkeit den Uebungen nachkommen? Ein anderer ist so schwach und unterern�hrt, da� er schon nach ein, zwei Stunden des Exerzierens zusammenbricht.
So gehen tagt�glich wieder einige von den �Alten" ab. Sie stehen im schroffen Gegensatze zu den Zungen. Man sieht es hier mit eigenen Augen, wie wohltuend die �sterreichische Verwaltung in den Annexionsl�ndern schon gewirkt hat, und freut sich, da� diese der Monarchie in ihrem schwersten Kriege mit reichen Kr�ften beistehen k�nnen. Neulich, bei der Vereidigung der Rekruten, hielt der Feldkurat, eine markige Erscheinung mit weltgewandtem Auftreten, eine Ansprache an unsere BosniaKen, da� sie s�hnen sollten, was ihre Landsleute dem Herrscherhause angetan. Alle Kroaten verstanden ihn sofort und stimmten mit lauter Begeisterung bei.
Laut sind unsere Kroaten �berhaupt, ganz im Gegensatz zu den Slowenen. Fr�gst du einen etwas, fo antwortet er vorschnell und mit dem ganzen K�rper und du hast harte M�he, ihm das �Habt acht!" beizubringen. 3n der Einteilung will immer wieder einer zu schw�tzen anfangen. � Du mu�t schulmeistern wie bei Kindern. Und Kinder sind die Kroaten auch in ihrer naiven Anh�nglichkeit und Lebensanschauung.
Bekannt und seit Bestand unserer Milit�rgrenze ber�hmt ist ihre Kampflust und Kampft�chtigkeil. Um sie in den Begriff und die Borteile der Schwarmlinie einzuf�hren, reizte ich sie vor allem zu einer Schneeball-fchlacht auf. Und die Jungen hatten die Gefchichte sogleich los. Sie begn�gen sich in der Schwarmlinie, da
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sie noch keine Gewehre erhalten, nicht damit, das Schie�en nachzuahmen, sie klatschen auch noch dazu und rufen ihr singendes ..Bum, Buum", was uns bei der Abrichtung zum Befehle ..Feuer einstellen!" zu gute kommt. Am Schie�en haben sie gro�e Freude, obgleich es von Haus aus keiner kann. Und sie treffen bald ins Schwarze.
Schlie�lich sind sie sehr gen�gsam: ihre L�hnung geht beim Zuckerb�cker und beim Kantineur f�r Kracherln, Zuckerln, Milch, Brot und feste Speisen auf. Bier oder Wein trinken sie nur ganz ausnahmsweise. Tabak, guten Zigarettentabak, bringen und erhalten sie von ihrer Heimat. Sehr gerne wird gespielt und da Kn�pft ein Verschmitzter leicht dem anderen seine Kreuzer ab, bis sie ihm dritte wieder abnehmen. Aufs Gesch�ft versteht sich bald einer.
3n ihrer freien Zeit singen, ringen, liegen oder sitzen sie � nach Mohamedanerart k�nnen sie stundenlang aus den F��en ausruhen und Zigaretten drehen und rauchen. Ihr Gesang, besonders der ihnen liebe Kolo, bewegt sich in einem Kreis schwerm�tig-langgezogener Melodien. Gehst du vorbei, so lachen sie dich mit ihren Z�hnen an und du freust dich an den rotbraunen Kerlen, denen du die meiste Zeit des Tages zu widmen hast.
Die �brige Zeit sitzt du in der Offiziersmesse beim �Hotel Hinker', allwo das gro�e schwarze Landkind Pepi mit seiner schwingenden 18j�hrigen F�lle und dessen Gegenteil, die ungarfreundliche, fchnippige, blonde Anni mit dem Himmelsahrtsn�schen unter dem Kommando der gestrengen Frau Mutter Maier gesch�ftig walten. Dort finden sich alle Offiziere und Aspiranten der Garnison
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zweimal t�glich zum gemeinsamen Essen ein. H�chstens da� einmal des Abends eine Gruppe slawischer Br�der zu einer Billard- oder Karkenpartie und zu einem starken galizischen Kognak ins Kaffeehaus des �Steirer Hofes" abzweigen oder die zwei, drei Tiroler und Ritter der Gem�tlichkeit sich zu einem Mehlspeisen-Schmaus aus der trefflichen Gasthos-K�che der Frau Kosten-berger einfinden, oder gar einer zum Flegelwirt des Nachbardorfes St. M. sich verirrt, oder bei den anmutigen T�chterlein des Mandl-Gasthofes aufflattert-denn die Liebe ist alles eher als ausgestorben, und bei allen Errungenschaften des Frauengeschlechtes im Kriege wird nach wie vor Hausfrau und Mutter der vorz�glichste Beruf der holden Weiblichkeit bleiben m�ssen. 3a, wie mir d�nkt, hat gerade der Krieg so manchen Hagestolz und wilden Ehemann zu Kreuz kriechen lassen und selbst bei Zungen die Sehnsucht nach h�uslicher Behaglichkeit, nach Frieden und Gl�ck erweckt und verst�rkt �
. . . W�r' es in Worte gebunden Kl�ng es gar arm und gering,
Was in hohen und dunkeln Stunden Mir durch die Seele ging . .
(A. v. Wallpach).
Ei, sieh'! Das braune Aoserl mit den fragend-bitten-den, verliebten Guckerchen, den zierlich, jugendlich schlanken Schultern, der feinen Taille � den halboffenen, sehns�chtigen Lippen, zwischen denen kleine Z�hne wei� hervorschimmern und dar�ber zwei wundervolle blaue Augen .... Unser gutes ..Dickerl" wird etwas
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WKmm^r ----------��
rot... �In der Heimat, ja in der Heimat, da gibt's ein Wiedersehen!" �
Auch der Knorrige Magazinverwalter, der urw�chsige Major Kr. k�nnte von der Liebe reden, wie einst
im Mai , aber er hat unZ leider verlassen wie die
meisten Herren. Nur der freundliche Stationskommandant Hauptmann Ant. A. und sein unerm�dlicher Ad-judant Dr. W. finden wir wieder, der beste Beweis, da� die beiden Herren ihre Posten auszuf�llen wissen. Die �brigen, alles �junges Volk", kommen und gehen wiederum an die Fronte sie sollen nur anderen im Felde zeitweise Platz machen und den Rekruten ihre Kriegs� ersahrungen bei der Ausbildung zugute kommen lassen.
Aber auch von einem anderen Standpunkte aus ist ein zeitweiser Aufenthalt hinter der Front f�r Offizier und Mann vom Vorteils denn erst hier sieht er einige Kehrseiten des Krieges: die Freiheits- und Genu�beschr�nkungen f�r die Daheimgebliebenen, sowie die Teuerung und Verarmung bei den unteren Schichten, er lernt so recht die Stimmungen im Volke, die Biertisch-Strategie und -Zukunftsmusik kennen. Freilich, mit den siechen Opfern des Krieges und den wahren Helden des Hinterlandes,welche um dieGatten und S�hne im Felde bangen, selbst darben m�ssen und trotzdem zur Linderung des Kriegselends das Menschenm�glichste beitragen, kommt kaum einer zusammen. Ich k�nnte mir keinen gr��eren Ansporn denken, um an der Front meine Pflicht zu erf�llen, als den Anblick unseres leidenden und doch immer noch aufrechten Volkes. Dieses Elend baldigst zu beenden und nie mehr m�glich werden zu lassen, ist aller Patrioten Pflicht.
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Gleichzeitig versp�rt der Zur�ckgekehrte etwas von der allgemeinen Notlage an sich selber. Hat er im Felde selbst nie recht gedarbt und f�r sein leiblich Wohl zu sorgen gehabt, so mu� er hier mit einem Male f�r alle seine Bed�rfnisse und W�nsche selbst aufkommen. Wie kostspielig wird nun dem jungen Offizier Verpflegung und Kleidung: Er mu� auf seine Feldersparnisse greifen, will er den Standesanschauungen entsprechend leben. Die alten, vom Felde her harkersehnten H�uslichkeiten und Gem�tlichkeiten kommen ihm teuer zu stehen. An Stelle seines strammen Burschen mu� er sich hier mit einem �Staatskr�ppel"
begn�gen. Anstatt des ewig brennenden Schwarmofens im Felde steht in seinem gro�en Zimmer
ein kalter Kachelofen. Kohlen aber find nicht blo�
kostspielig, sondern nicht einmal jederzeit zu haben. Jeder Wirf verlangt Brot- und Zuckerkarten, obgleich sein Brot ungleich schw�rzer und schlechter ist als der �Kommis", und er nur einmal im Tage Mehlspeisen verabreicht, als w�re seine Karte so reichhaltig an anderen Speisen! And tausend andere Einschr�nkungen mu� sich der Frontoffizier auf einmal gefallen lassen, an die er im Felde nif gedacht h�tte. Und er rechnete doch darauf, nun endlich wieder einmal als Mensch aufatmen und freier und froher denn je leben zu d�rfen, nachdem er solange in der vordersten Linie dem Vaterlands gedient und so vieles entbehrt hatte.
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III.
9t., 4. April 1916.
Heute ist von hier wieder eine Marschkompagnie abgegangen. Ein aktiver Oberleutnant St. aus Kroatien, der nur Kaiser und Reich, Rache und Sieg kennt, s�hrt sie. Und sein Geist, seine Strammheit und Schneid ist aus alle seine ihm unterstellten Volksgenossen �bergegangen. Kr�ftige junge Bosniaken, neu gekleidet und mit neuen Waffen ausger�stet, ein Vergn�gen, sie anzusehen. Alle strahlen in freudiger Erregung, alle schm�k-ken sich mit dem kroatischen Dreifarb und dem ersten Gr�n von Wiese und Wald. Und in ihnen wohnt jene Begeisterung, die uns alle zu Beginn des Krieges weit �ber das Alte erhob.
Ein Triestiner F�hnrich nimmt zum letzten Male die Offiziere und Mannschaften ant Marktplatz auf. Das Stra�enbild wird lebhaft, die Kompagnie stellt sich in Reih und Glied, Fahnen wehen, Ges�nge ert�nen, Juchzer hildern durch die Luft. Die Z�ge erstatten Rapport, die Kompagnie pr�sentiert sich dem Garnisonskommandanten, und dieser ergreift mit bewegter Stimme das Wort. Er dankt dem pr�chtigen Kompagniechef, er w�nscht ihm und seinen Soldaten Gl�ck, umarmt und k��t ihn � da tr�nt einer Offiziersbraut das Auge, da stehen sie alle in Ergriffenheit und Erschauern, die doch so oft schon das Bild ansahen und so lange vor dem Feinde gestanden.
Die Truppe marschiert in lauter Begeisterung zum Bahnhof. Sie hat es ja nun aus dem berufensten Munde vernommen, welche Hochachtung und Erwartungen sie
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begleiten. Zeder der Elitesoldaken ist stolz auf die gl�n-zend gelungene Parade, stolz in den Kampf ziehen zu Surfen. And das gemeinsame Gef�hl hebt sie �ber jede weichliche Abschiedsstimmung.
3hr Gehaben verfolgt ein junger, h�bscher Tiroler -eutnant E. A., den gleich zu Beginn des Krieges eine feindliche Kugel schwer getroffen hat. Wohl ist seine Gesichtsfarbe wieder wie von Milch und Kirschen, aber die kleine geschmeidige Gestalt ist noch widerstandsschwach. Den jungen Puster-taler hat der Anblick der abfahrenden Kompag-nie sichtlich ergriffen. Soll er, ein Tiroler, nichts mehr an der Front f�r Gott, F�rst und Ba-terland zu leisten verm�gen? Sich besch�men lassen von einfachen bosnischen Bauern und von seinen �ltesten Landsleuten? 3a, er hat zwar einen greisen Bater, eine liebe Braut daheim, die um ihn bangen,- sein Haus be^ drohen die Welschen, die schon ein Gutteil seines Be-sihtums vernichtet haben.
Der junge Tiroler Leutnant, der mich lebhaft an meinen lieben Freund Hans Hochegger, den stillen, jungen Forscher tirolifcher Volks- und Landeskunde mahnt, meldet sich ebenso sreiwillig wie energisch zur n�chsten Marschkompagnie. Nach Hause schreibt er frei-lich anders, so schwer ihm auch die Unaufrichtigkeit wird. �
Der Krieg hat viele Seelen und Sitten verdorben, zahlloses Gl�ck und bl�henden Fortschritt zertreten, Millionen von Menschen get�tet und weite L�nder verheert, soda� es langer, unerm�dlicher Arbeit wird bed�rfen, um Zahllosen erst ein Heim und ein Fortkom-
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men wieder zu schaffen. Er hak aber auch alle Ideale in lichterem Glanze und neue, gr��ere Helden und Heldentaten erstehen lassen, als bislang unsere Geschichte Kannte. Was immer uns der Friede erbringen mag, der Krieg selbst, der Vielvernichter, hak uns so viel an Edelsinn und Heldenmut, seelischer L�uterung und Erhebung �ber alles Gemeine gebracht, da� fortan alle fr�heren Befreiungskriege in den Hintergrund der Geschichte treten werden. Statt an die Verw�stungen und Verirrungen der Gegenwart, wollen wir uns halten an diese Wiedererwerbungen unserer V�lker, gilt es, eine neue, frohe Friedenszukunft aufzubauen. Das walte Gott!
.... Viel Hoffnungen sind unter Felsen im Tode f�r immer versiegt . . .
Doch eben, mein M�dchen, soeben der Feind, der grimme, erliegt.
Und morgen, ja morgen zur Stunde da schweigt schon des Kampfes Gebraus; ja morgen, da kehren die Jungen mit fr�hlichern Sange nachhaus.
Drum schm�ck' ich die gr�nende Heimat den Siegern mit blutrotem Gold und will auch ins Antlitz, ins bleiche, neu pflanzen die Rosen dir hold.
Und wenn dann das Volk seine Helden mit bunten Gewinden begr��t, dein Junge die Rose der Liebe vom gl�henden Antlitz dir k��t.
Rudolf Maister-Voj�nov: Die blutrote Sonne an das M�dchen, �bersetzt von Dr. R. v. Andrejka.
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IV.
Neumarkt, April 1916.
Drau�en, hark an der K�rntner Grenze, ..in der Ein�d", hat unser Schie�schulmeister, ein fast 50j�hriger Landsturmkadetk, den einfachen, brauchbaren Schie�, stand f�r unsere Rekruten errichtet. Wenn wieder ein Zug in der Schie�vorschule alle Bedingungen erf�llt hat, also das Anschlagen, Zielen, Abdr�cken und Kapselschie�en kennen gelernt hat, wandert er fr�hmorgens mit den Instruktoren von den Schl�ssern Lind und Pichel-Hofen aus, den idyllischen Kasernen unserer Rekruten, durch die romantische Klamm des Olsabaches in die einsamste Ecke des Hochgebirgs-Sattels. Hart hinter dem hohen Bahndammdurchla� breitet sich eine von H�geln ums�umte Hochwiese aus. Wir sind am Schie�stand.
Bald kracht der erste Schu� und echot in die Klamm zur�ck. Und schlie�lich knallen Salven, als betrieben hier Iungsch�tzen ihr Sonntagsvergn�gen, und die frische Luft durchw�lkt der scharfe Pulvergeruch. Aber gleich Hermann von Gilms Sch�tze vom Pragser See freut sich nur ein jeder der bosnischen Rekruten auf seine Wafsentat in der m�nnerernsten Schlacht.
Zu Mittag schieben wir eine Aast ein. Mich selbst gel�stet es, das nahe Bad aufzusuchen, von dem schon ein Poete, Rudolf von Lichteneck, Abbas und Herrn zu St. Lambrecht (1387�1419), dem nahen Benediktinerstifte, sagte: �Inde fjuunt calido sanantes sulfure thermae; his exit samus sapiens aeger aequis.� Schon von weitem erblickst du am Fu�e des Grabenberges einen stattlichen H�userkomplex moderner Art, Garten-
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anlagen, Wirtschaftsgeb�ude, Stallungen, Remisen, Saalbauken, den allen Gast'' f, eine niedliche Kapelle, liberall wird flei�ig gearbci \ und gebaut: Soldaten schaffen und schanzen, Ingenieure und �rzte in Uniform befehlen.
W�hrend des Essens dreht sich bald das Gespr�ch um die Absicht des Grazer Milit�rkommandanten, Exzellenz v. M c, aus dem Bad Ein�d eine Heimat
f�r kranke Offiziere und nach dem Kriege f�r Kriegs-witwen und -waifen des Grazer Korps zu schaffen. M. ist ja bekannt als unerm�dlicher G�nner seiner lieben Soldaten und es stimmt zu der im Felde tausendf�ltig bew�hrten OpferfreudigKeit unserer Krieger, die auf jede Kriegsanleihe zeichneten (und dadurch auch das Aentenwefen vervolkst�mlichen) und stets f�r wohlt�tige Zwecke sich gebefreudig zeigen, fei es nun das �sterreichische oder Bulgarische Rote Kreuz oder unser Flottenverein, Kriegsf�rsorgeamt oder der Witwen- und Waisenfond des Bataillons, da� ihr Milit�rkommandant in seinem idealsten Kriegssozialismus eine besondere F�rsorge f�r die Aermsten und Hinterbliebenen seiner wackeren Soldaten zu entfalten wei�.
Wir alle w�nschen, da� das gesundheitspendende Mineralbad Ein�d bald eine gl�ckliche Heimst�tte des dritten Korps werde und das k�hne Unternehmen durch gesteigerten Fremdenverkehr reiche Fr�chte zu seinem wohlt�tigen Zwecke abwerfe.
V.
91., Karsamstag, 1916.
Seufe Nachmittag fand die hier �bliche Osterpro-Zession stakt. Ich habe eine solche Feierlichkeit noch an keinem anderen katholischen Orte gesehen, lind wenn sie auch nicht jenen tiefreligi�sen Eindruck zu machen vermochte, wie etwa eine Fronleichnamsprozession in einem abgelegenen Bauerndorfe Tirols, so liegt trotz der fehlenden allgemeinen Glaubensinnigkeit doch noch viel Ergreifendes in der altehrw�rdigen, wenn auch ver�u�erlichten Ortssitte.
Bei Eindruck der D�mmerung waren alle Fenster der H�user geschlossen und in die Fensterst�cke religi�se Bilder, Kerzen und Blumen gestellt worden. Mehre-renorts hingen alte bemalte und bestickte Teppiche gleich Transparenten dazwischen, auf denen der christlichen Osterfreude in einem biblischen Spruche Ausdruck verliehen war. Diese Aolleaux waren wohl die urspr�ngliche Dekoration, werden aber von Jahr zu Jahr seltener geworden und durch Wandbilder ersetzt worden sein.
Die breite, einzige Marktstra�e mit ihren Garten-anlogen war s�uberlich gereinigt, die stattliche Mariens�ule, in deren Mitte (errichtet zur Erinnerung an das Erl�schen der Pest 1715) von bunten Gl�hlichtern umgeben und am Ende der Stra�e an einer Hauswand ein gro�es Dreikreuz aus elektrischen Birnen, angebracht worden.
Feierlich t�nte der Glockenklang von dem modernen Pfarrturme �ber N. dahin. Aus dem gotischen Torbogen der restaurierten Kirche str�mte die gl�ubige
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Gemeinde und formte sich zum altherk�mmlichen Ostergang. Fast nur Kinder und Weiber, diese mit hochbeb�nderten Filzh�ten und schwarzen Sch�rzen nach K�rntner Sitte angetan. Die wenigen M�nner tragen Ausseer H�te und ihr Steirer �Gewandt", die Sonrt-lagskracht.
Zu beiden Seiten des Traghimmels marschieren auserlesene J�ger. Fahnen wehen, Gebete summen in die silberne Abendmilde, Lichter erstrahlen in den Fenstern und auf den Stra�en. Die schwer ernsten Kreuze leuchten in stundender Farbenf�lle auf und um die liebliche Madonnengestalt, die schirmend und sch�tzend ihr Haupt �ber die Gemeinde beugt, gl�ht rosige Heile. Um ihr neugewaschenes Steingewand huscht ein vielfarbiges Leuchten und spielt sich an das kalte Kinn und zu den wei�en Wangen hinauf und l�chelt verhei�ungsvoll von Mund und Auge: zu ihren F��en klingen silberhell der Ministranten Gl�cklein.
Das zuschauende Volk sinkt vor der segnenden Monstranz in die Knie, B�rger unb Soldat! Hier liegt vor seiner Majest�t.... �Christus ist erstanden!", strahlt es von diesem Hause und von jenem: �Friede sei mit Euch!" Mit welcher Inbrunst die friedlichen B�rger und die rauhen Kriegsleute beten, auf da� ihnen endlich Friede und Befreiung von Tod und Berderben, von all dem namenlosen Elend und Ungl�ck werde, das der Krieg gebracht und heraufbeschworen hat. Das Himmelreich leidet Gewalt!
Und Ewigkeiten lasten bleiern Auf Wunden und auf Wehen;
Doch leise, sanfte L�ste leiern Das Lied vom Auferstehen!
(A. v. Wallpach).
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VI.
A., 1. Mai 1910.
. . . Vorgestern ist uns pl�tzlich ein bosnischer Ae-krut, ein abgerackerter Bauer in den vierziger Jahren, mit gelber Haut und vorstehenden Knochen umgefallen und gestorben. 3m Hofe der Ubikation, dem Lindschlotz, das den St. Lambrechter Herren geh�rt, w�hrend des Vormittag war es. Der Arzt konnte nur mehr konstatieren: Herzschlag.
Heute mittag wurde er auf dem Friedhofe der benachbarten Gemeinde St. M. begraben. Das kleine, abseits gelegene Dorf hat wohl noch nie eine so zahlreich besuchte Beerdigung gesehen, lieber Erlaubnis des Sta-tionskommandanten der Garnison A. hatte sich die ge-samte Mannschaft eingestellt; desgleichen waren er selbst und alle Ofiziere gekommen, dazu And�chtige und Neu-gierige aus Dorf und Markt, um dem armen Soldaten die letzte Ehre zu erweisen. 3m engen Totenk�mmerlein am Beinhaus, einem romanischen Turme neben der schwerm�tigen altgotischen Kirche, lag der tote Krieger in einem einfach geschm�ckten Sarge, verdeckt von einem Trauerschleier und von den Kr�nzen, die ihm feine Kameraden und Vorgesetzten gewidmet hatten. Einige Kerzenlichter flackerten unruhig hin und her. Neumontierte Chargensch�ler, stramme Burschen aus Bosnien, schlossen nun den Sarg und hoben ihn heraus auf den Friedhof und stellten ihn inmitten der Trauerg�ste vor dem griechisch-orthodoxen Popen, einem Rum�nen, hin, der �ber seiner lichtblauen Uniform einen schwarzen Aauchmantel trug. Eine gedrungene Gestalt mit fcharf geschnittenem, gelblichem Gesicht und schwarzen Schnurr-
und Knebelbart, ernst, fast kalt-feierlich im Ausdrucke. Sein Diener und Sakristan dagegen ein struppiger Alter voll Unruhe.
Bald singend, bald rezitierend memorierten sie die Totengebete in der altslawischen Kirchensprache halblaut �ber den Sarg hin, oftmals ihr dreifaches Kreuzzeichen wiederholend. Ihre klagenden Melodien haben viel Verwandtes in der vokalreichen, aber endlos monotonen Vortragsweise mi! den schwerm�tigen Volksges�ngen der Bosniaken und wirken gleich diesen in der L�nge ergreifend und ersch�tternd.
In kurzer Prozession wurde zum Grabe gepilgert. Kameraden des Toten trugen die Kreuze und Kr�nze. Am nahen Grabe wurde neuerdings halt gemacht und zwischen Pope und K�ster singend und sprechend korrespondiert. Bei den kroatisch-serbischen Gebeten knieten unsere frommen Bosniaken auf die Erde nieder. Zum Schl�sse go� der Geistliche ein Fl�schchen Weihwasser �ber den Sarg aus, stach an allen vier Seiten des offenen Grabes die Schaufel in die frische Erde und warf endlich eine Schaufel voll auf den Sarg.
W�hrend des Rituals leisteten das milit�rische Kondukt auf das Hornsignal die Ehrenbezeugung. So mancher Rekrut sah dem toten Kameraden nochmals ins Grab nach. Dieser hat alles irdische Elend �berstanden, ohne den grausamen Krieg geschaut zu haben. Wei� Gott, ob uns drau�en im Felde nicht etwas Gr��licheres als ein Grab zuteil wird?!
Freiheit, die ich meine, die mein Herz erf�llt.
Komm mit deinem Scheine, s��es Engelsbild!
Magst du nie dich zeigen der bedr�ngten Welt?
F�hrest deinen Reigen nur am Sternenzelt?
M. v. Schenkendorf 1810.
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Des Kaisers Befehl.
Ein Ehrentag der Zwanziger J�ger.
Kaiser Karl I. erlie� am 5. Dezember 1916 in Erinnerung an �ie zum 3. Male bis auf den letzten Mann bew�hrte Selbstaufopferung des k. u. k. Feldj�ger-bataillons Nr. 20 bei Zaleszcyki-Zezava folgendes Be-fehlsschreiben:
3 cf) spreche dem Feldj�gerbataillon Nr. 20 in W�rdigung seines hervorragend tapferen und todesmutigen Verhaltens, dann hingebungsvollen, opferwilligen und beispielgebenden Vorgehens in den K�mpfen vom 11. bis 13. Juni 1915 Meine vollste Anerkennung aus. �
3ch sende dem braven Bataillon Meinen Dank und Gru�. �
Wien, am 5. Dezember 1916.
Karl m. p.
Seine Exzellenz, Feldmarschall S der Herr Armee-
lommandant, welcher vor dem Kriege der Brigadier des Bataillons den Drahtgru�*- Me*em $U ber ehrenvollsten Auszeichnung folgen-
Schon in den Friedenslagen von Tolmein und Cor-mons, als Ihr welscher Unversch�mtheit entgegengestellt wurdet, stolz auf meine 20er J�ger, begl�ckw�nsche ich Euch, die Ihr Euch auch in der . . . Armee jederzeit so hervorragend bew�hrt, zu dem sch�nen und seltenen Lobe unseres Obersten Kriegsherrn von ganzem Herzen."
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Der Bataillonskommandant verLautbarte die kaiserliche Ehrung mit folgendem Befehl und Treugel�bnis:
Zwanziger Feldj�ger!
Unser Allerh�chster Kriegsherr, Seine tu u. h. Apostolische Majest�t Karl I. haben unser Bataillon in einer in der Heeresgeschichte bis heute noch nie dagewesenen Meise durch H�chstseinen Befehl ausgezeichnet.
Mit Stolz blicken nunmehr die gesamte bewaffnete Macht und alle V�lker �sterreich-Ungarns auf unsere Helden, die im Juni v. 3. in antiker Gr��e dem Feinde und Tode entgegengest�rmt sind.
Wir aber, die jetzigen 20er 3�ger ernten ihren Ruhm. Ans schm�ckt vor aller Welt der kaiserliche Lorbeer � l�nger und leuchtender, als es die silbernen und goldenen Ehrenzeichen verm�gen, die nun in Balde unsere Tapfersten schm�cken werden.
Und der Geist der gefallenen Sieger erfa�t uns und ihr Todesschwur bebt auf unseren Lippen:
F�r Dich, Du Heldenkaiser, der Du im Kriege uns ein gl�nzendes Borbild soldatischer Pflichttreue geworden bist, f�r Dich und unser Baterland st�rmen und siegen wir � das eiserne Feldj�gerbataillon von damals, von heute, f�r immerdar!
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Inhaltsverzeichnis
Geleitwort von Johannes Mumbauer.................... 3
1. Ins Feld, ins Feld ..........................................7
2. In der kleinen Garnison des �Eisernen Feldj�gerbataiLons" .11
3. Zum Jsonzo (Zur Soca)....................................24
4. Wir Unterirdischen.................................... . 30
5. Der verlassene Markt.....................................35
6. Nur Artilleriefeuer......................................40
7. In meiner Angerzell .......... 45
8. Der k. u. k. Zugsbarbier.................................49
9. Die 2. Decke des Herrn Kriegs-Griesgrams .... 52
10. Herbst an der Soca......................................57
11. F _______ in Flammen..................................... 61
12. Abenteurer und Gefangene ..................................63
13. Zugsf�hrer Unrecht......................................73
14. Kaffeehaus................................................77
15. Die Gl�cksstunde........................................85
16. Abschied von F...................................... . .88
17. Ich komme, toter Kaiserj�gerkamerad (Gedicht) . . . 94
18. Der Unterstand �Zur Martinswand"........................98
19. In der Waldklamm beim Schwarmofen.......................103
20. Der erste Schnee . .................... . . . 107
21. Unsere Sanit�tspatrouille...............................109
22. Der Feldpostzensor......................................114
23. Auf einer Festenburg....................................121
24. Der Urlaub des Staatskr�ppels.......................132
25. Auf Verbindungspatrouille . 141
26. Auf �Ritas Ruhe": Weihnachten und Neujahr. (Nach zwei Briefen an E. v. Handel-Mazzetti)..........................148
27. Unser Brigadier (Generalmajor v. Henneberg f) . . ? 155
28. In der Seisera. (Nach 2 Briefen an E. v. Handel-Mazzetti) 161
29. Zur�ck von der Front (6 Briefe) . . . . . . 174
30. Des Kaisers Befehl. (Ein Ehrentag der 20er J�ger) . . 192
B�cher von Dr. Anton D�rret:
Andreas Hofer auf der B�hne, ein Betrag zur Dichtung der deutschen Befreiungskriege. 2. Aufl. 8�. 100 S., Tyrolia, Innsbruck 1911; Mk. 1.40.
Das Erler Passionsbuch. 4. Aufl. 8�, CI it. 170 S., 4 Beilagen und 150 Abbildungen, Passionsspielverlag Erl bei Kufstein 1912;
Mk. i.2o. T?;x
Karl Domaurg und die tyrolische Literatur feit 1800. 3, Aufl. 8�. 248 S. Bild, Stammtafel, Schriftprobe, u. Musikbeilage, Jos. K�sel'scher Verlag, Kempten u. M�nchen 1914; Mk. �.80.
In Vorbereitung:
Bergkrieg, Feldbriefe und Skizzen. Xv' ,//
Alttiroler Ale'rstergeMchten. x ^
D�rrer, Dom Isonzo zur Seffera ? /