Heute nacht ist es auch anscheinend wieder zu Zusammenstößen mit der Arbeiterbevölkerung ge¬ kommen. Etwas Bestimmtes darüber zu erfahren, ist schwierig, da keine Nachrichten über diese Vor¬ gänge mehr veröffentlicht werden dürfen. Es war aber deutlich zu hören, daß in einem vom Zentrum der Stadt entfernten Viertel längere Zeit hindurch geschossen wurde. F. Pourtales Nr. 340 Der Reichskanzler an den Staatssekretär des Auswärtigen1 Berlin, den 29. Juli 1914 Ist nicht doch noch ein Telegramm nach Wien notwendig, in dem wir scharf erklären, daß wir die Art, wie Wien die Kompen¬ sationsfrage mit Rom behandelt, für absolut ungenügend ansehen und die Verantwortung, welche sich daraus für die Haltung Italiens in einem etwaigen Kriege ergibt, voll Wien zuschieben? Wenn an dem Vorabend einer möglichen europäischen Konflagration Wien in dieser Weise den Dreibund zu sprengen droht, gerät das gesamte Bündnis ins Wanken. Die Erklärung Wiens, daß es sich im Falle dauernder Besetzung serbischer Gebietsteile mit Italien benehmen werde, steht überdies im Gegensatz zu seiner [-en] in Petersburg bezüglich seines territorialen Desinteressements abgegebenen Ver¬ sicherungen. Die in Rom abgegebenen Erklärungen werden mit Sicherheit in Petersburg bekannt. Eine Politik mit doppeltem Boden können wir als Bundesgenossen nicht unterstützen. Ich halte das für notwendig. Sonst können wir in Petersburg nicht weiter vermitteln und geraten gänzlich ins Schlepptau Wiens. Das will ich nicht, auch nicht auf die Gefahr, des Flaumachens be¬ schuldigt zu werden. Falls keine Bedenken Ihrerseits, bitte ich um schleunige Vor¬ legung eines entsprechenden Telegramms1 2. v. Bethmann Holl weg 1 Bei den Akten befindliche Aufzeichnung von der Hand des Reichskanzlers. 2 Siehe Nr. 361.