Das Commando fupremo beabsichtigte, unsere Front am Brechpunkte der Piave- und Gebirgsfront zu durchstoßen und hernach aufzurollen. Der seit Juli geplante und mit englischer und französischer Hilfe vorbereitete Großangriff war immer wieder verschoben worden, bis die erwünschte „günstige Wendung" Kam. Erst der Zusammenbruch der Balkanfront gab das Zeichen zur Offensive. Die ersten Befehle für die Bildung der Stoßgruppe ergingen am 25. September. In dem 50 Km breiten Raume von der Piaveklause bis zur Linie Treviso—Oderzo wurden bis zum 10. Oktober drei Armeen (die neu gebildete 12., die 8. und die neu formierte 10.) in der Stärke von 29 Divisionen mit 4000 Geschützen und 4Vü Millionen Schuß als Stoßstasfel zusammengeballt. Hier standen aus einem Fünftel der Gesamtfront nahezu die Hälfte der feindlichen Divisionen und etwas mehr als die Hälfte aller Geschütze (je Geschütz samt Minenwerser IOV2 m, aus 1 m 90 Schuß). Der von Franzosen und Engländern eingeschachtelte Hauptstoß der 8. italienischen Armee sollte über den Piave in der Richtung Dittorio—Belluno erfolgen. Die Offensive war bis zur Linie Brenner—Görz—Trieft einschließlich gedacht. Dem allgemeinen Angriffe, der in Staffeln in die Erscheinung trat, um sich aus der Hoch¬ fläche der Sieben Gemeinden, im Mt. Grappagebiete und in der Piaveniederung Bahn zu brechen, sollte ein Vorstoß der 4. Armee im Gebirge zwischen Brenta und Piave vorangehen, um das Becken von Feltre zu gewinnen und so die Verbindung zwischen Tirol und Venetien zu durchschneiden. Die am Unterlaufe des Piave stehende 3., sowie die 6. Armee zwischen Brenta und Astico auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden hatten zu demonstrieren. Am 15. Oktober stand man angriffs¬ bereit. Da öffnete der Himmel feine Schleusen. Die Flüsse führten Hochwasser. Der Angriff wurde um eine Woche verschoben, um jene ereignisvolle Woche, in die das kaiserliche Völkermanifest, Wilsons Antwort, Tifzas Kassandraruf und Karolyis Sieg in Ungarn gleich wuchtigen Keulenschlägen fallen. Seit 4 Uhr früh des 24. Oktober scholl dumpfer Geschützdonner von der Bergsront zwischen Brenta und Piave an die Assa herüber. Dort entbrannte ein vier Tage währendes erschütterndes Ringen, „an Heftigkeit den früheren großen Schlachten des Weltkrieges kaum nachstehend". Noch einmal standen dort Deutsche und Magyaren, Polen, Tschechen und Slowaken, Kroaten und Serben, Rumänen und Ruthenen in treuester Waffenbrüderschaft zusammen und behaupteten siegreich das Schlachtfeld. Noch einmal gewann Grillparzers Zuruf an Radetzky: „In deinem Lager ist Österreich!" Sinn und Kraft. Im Gegensatze zum deutschen Krieger kämpfte und blutete der öst.-ung. Soldat und duldete noch die Leiden einer unver¬ schuldeten Gefangenschaft für ein gemeinsames Vaterland, dessen Länderbündel bereits wie ein Kartenhaus auseinander gefallen war. Die öst.-ung. Front in den Sieben Gemeinden war von einem Großangriffe verschont geblieben, und es war bald klar geworden, daß der Feind hier nur ein Scheinmanöver vollführe. Aber auch dessen Abwehr durste als gutes Zeichen gewertet werden. Der für einige Stunden an die Franzosen verlorene Mt. Sisemol wurde ihnen am 25. früh wieder entrissen. Die an der West- und Südgrenze Tirols stehende 10. Armee war von den Geschehnissen bisher überhaupt unberührt geblieben. Trotzdem fehlte es im Wirkungsbereiche des HGK. in Bozen, das nach der Abreise des Erzherzogs Joseph von FM. Frh. v. Krobatin geführt wurde, nicht an bitteren Tagen. 372