Dieser zweifelsohne recht günstige Bericht über die voraussichtliche Widerstands¬ kraft und Angriffsfähigkeit der Armee im Frühjahre 1918 sollte durch die tatsächliche Entwicklung manche Berichtigung erfahren. GO. Baron Arz bekennt selbst in seinen Erinnerungen, daß damals „das Menschenreservoir erschöpft" gewesen sei. Zur Verfügung standen vom Früh¬ jahre 1918 ab nur noch der 1900er-Iahrgang, etwa 160.000 Achtzehnjährige, ferner der monatliche Zugang von Genesenen und vielleicht 200.000 bis 300.000 Mann, die den einundeinhalb Millionen in der Kriegsindustrie Beschäftigten für den Front¬ dienst entnommen werden konnten. Letztere gedachte man durch umfangreiche Heranziehung weiblicher Hilfskräfte zu ersetzen. Eine entscheidende Wendung in der Ersatzlage, die sich schon im Jahre 1917 bedenklich gestaltet hatte, brachten die Ostfriedensschlüsse wegen der Heimkehr von hunderttausenden Kriegsgefangenen. Österreich-Ungarn hatte in den drei Kriegs- jahren an die zwei Millionen Gefangene an Rußland verloren. Noch im Spätwinter setzte die Heimkehrbewegung an der Ostfront in einem solchen Ausmaße ein, daß man mangels nötiger Vorsorgen dem ersten Ansturm nahezu hilflos gegenüberstand. Aber ein erheblicher Teil der Zurückkehrenden war bolschewistisch verseucht; die wenigsten waren geneigt, sich aufs neue in die Front einreihen zu lassen. Aus ihnen rekrutierte sich die große Zahl der Drückeberger uNd Fahnenflüchtigen. Ausschrei¬ tungen und Meutereien bei den Ersatzkörpern aller Nationalitäten, ausgenommen der Deutschösterreicher, im Frühjahre 1918 waren bedenkliche Zeichen der Zer¬ setzung. So wandelte sich die mit so großen Hoffnungen begrüßte Heimkehr- bewegung nur zu bald zu einem schwerwiegenden sozialen und militärpolitischen Problem. Der nach dem Ausklang der Offensive in Venetien eingetretene Operations¬ stillstand wurde zu einer Reorganisation der Wehrmacht nach den modernen Ge¬ sichtspunkten der Kriegführung ausgenützt. Noch hatte die Kriegsindustrie es ver¬ mocht, trotz schwieriger Beschaffung des Rohmaterials die Erzeugung von Kriegs¬ maschinen auf achtenswerter Höhe zu halten. Allein immer mehr lastete der sich verschärfende Mangel an Rohstoffen auf der industriellen Erzeugung. Der Ersatz der Pferde durch mechanischen Zug gelang keineswegs in dem vom Chef des Generalstabes angenommenen Maße, so daß infolge des dauernd zurückgleitenden Pferdestandes gegen Sommer bereits die Armee unbeweglich zu werden drohte. Die Kohlenversorgung ging andauernd zurück. Das Eisenbahnwesen stand im Winter 1917/18 im Zeichen einer schweren Krise. Die Zahl der Lastkraftwagen war unzureichend, der Zuschub an Schießbedarf und an technischen Kampfmitteln wurde unzulänglich, im Gegensatze zum Überflüsse auf feindlicher Seite. Vor allem die Fliegerwasfe litt unter der Unterlegenheit an Zahl und Brauchbarkeit der Apparate. All diese Einflüsse mußten die Operationsfähigkeit der Armee nach und nach bedenklich berühren. Mithin fielen aus das zur Jahreswende noch günstige Gesamt¬ bild mehr und mehr Schatten. Es zeugte aber von der Zuversicht der Heeresleitung, noch in den ersten Monaten des Jahres 1918 die geisamte k. u. k. Wehrmacht gleichsam von Grund aus umzu¬ bauen. Die Kampftruppen sollten in 70 gleichgestaltete Infanterie- und 12 Kaval¬ leriedivisionen zusammengefaßt werden. 60 der ersteren sollten dauernd erhalten bleiben, 10 Divisionen waren durch bewährte Landsturmtruppen gebildete reine 21 321