Ungarns immer höher. Von alledem hatte die Entente volle Kenntnis, besonders aber von den inneren Nöten des Donaureiches durch den in ihre Hand geratenen schwarzen Stimmungsbericht des öst.-ung. Außenministers Grafen Czernin vom April 1917. Desgleichen wußten die Ententemächte von den in Bulgarien sich abspielenden wilden, auch auf das bulgarische Heer übertragenen Parteikämpsen und ebenso von den schweren Mißständen im türkischen Heere, das Ende 1917 nach dem Verluste von Jerusalem in seine letzte haltbare syrische Stellung am Jordan zurückgewichen war. Die seit allem Anbeginne schwache politische Zügelfühvung der Mittelmächte war den großen Ausgaben nicht gewachsen; sie wurde um so unsicherer, je mehr die Feindmächte durch rücksichtslose Entfaltung der Staatsgewalt die Kriegsmüdigkeit in ihren Reichen nach einer der schwersten Krisen des ganzen Krieges zu bannen wußten. Die Diplomatie der Mittelmächte hatte sich bis zum März 1918 als völlig machtlos erwiesen, irgendeine der bis dahin zutage getretenen Friedensmöglich¬ keiten — weder Wilsons Vermittlungsprojekt vom Jänner, noch die russische Revolution vom März, noch die deutsche Friedensresolution vom Juli, noch den Papstschritt vom August des Jahres 1917 — zu einem irgendwie brauchbaren Ergebnis zu führen. Die Entente hatte die ihr von Lenins und Trotzkis Herrschaft drohende Gefahr erkannt. Zwei Persönlichkeiten, die den Willen der Nation verkörperten und von denen der weltbestimmende Einfluß der Gewalt ausging — der britische Premier¬ minister Lloyd George und Frankreichs neuer Diktator, der 76jährige tatkräftige Georges Clemenceau, der am 20. November 1917 die Tribüne der Kammer bestieg und erklärte, sein Regierungsprogramm laute: „Krieg, nichts als Krieg!" —, hatten sich mit Präsident Wilson sowie mit dem italienischen Ministerpräsidenten Orlando zu dem unerschütterlichen Entschlüsse verbunden, auch im Kriegsjahre 1918 bis zur Niederzwingung Deutschlands und seiner Verbündeten, bis zur Erreichung der Ententekriegsziele weiterzukämpfen. In Brest-Litowsk begann am 9. Jänner 1918 der wochenlang währende Rede- Kampf. Immer deutlicher zeigte es sich, daß Trotzki „zum Fenster hinaus" sprach und die Wirkung seiner Reden durch verhetzende Funksprüche „An alle" zu erhöhen trachtete. Inzwischen wurde am 9. Februar mit der Ukraine, der Korn¬ kammer Rußlands, ein Sonderfriede abgeschlossen. Zur größten Überraschung des Kongresses verkündete Trotzki am 10. Februar, daß er keinen Friedensvertrag unterschreibe. Aber für Sowjetrußland sei der Krieg zu Ende, die russischen Soldaten würden in ihre Werkstätten, auf ihre Felder zurückkehren. In dieser kritischen Lage entschied sich Kaiser Wilhelm für den Entschluß der DOHL. zur Fortsetzung der Feindseligkeiten. Am 18. Februar 1918 flammte an der Ostfront der Krieg neuerlich auf. Ausschlaggebend für den erneuten Vor¬ marsch war die Notwendigkeit, Rußland zum Frieden zu zwingen und die Aus¬ nutzung der Ukraine für die Mittelmächte für das Jahr 1918 sicherzustellen. In breiter Front unter ausgiebiger Benutzung der Eisenbahnen drangen die beiden Heeresgruppen Linsingen und Eichhorn rasch vorwärts. In wenigen Tagen waren Livland, Estland und ein großer Teil Wolhyniens ohne nennenswerten Widerstand besetzt. Schon am 20. Februar kündete ein Funkspruch an, daß die Russen zum Abschlüsse des Friedensvertrages bereit seien *. 1 o. Kühl, Weltkrieg 1914/18, II., 245. 318