Die Herbstoffensive 1917 gegen Italien Vom Isonzo zum Piave Der gewaltigen sechsten Symphonie des Isonzoschlachtengottes folgten noch im selben Jahre (1916) drei kleinere, stürmisch im Tempo, von schwerster Instrumentation, aber von knappsten Dimensionen und geringer Wirkung. Die sechste Schlacht im August des Jahres 1916 hatte endlich einen großen Erfolg gebracht: das heiß ersehnte Görz war von den Italienern nach hartem Kampfe erobert worden. Das Ziel der drei Herbstschlachten war naturgemäß der wettere Durchbruch nach Triest, ihr Leitgedanke die Massenwirkung auf engstem Raume. Gleich unökonomisch ist vielleicht seit unseren ersten Offensiven des Jahres 1914 das Menschen¬ material im Weltkriege nicht wieder aufs Spiel gesetzt worden; die Folge war, daß selbst Cadornas beste Truppen sturmscheu wurden. Nach der neunten Isonzoschlacht setzte eine halb¬ jährige Pause ein. Ihr folgten nun zum Abschlüsse die gigantischesten Riesenschlachten, die der Isonzo gesehen, gigantisch in ihrer Anlage, ihren Mitteln, ihrer Hartnäckigkeit und ihrer Dauer: die in jeder Hinsicht ins Maßlose gesteigerten Schlußsymphonien1. Zur zehnten Schlacht hatte sich der italienische Feldherr erst nach Beginn der großen Offensive der Engländer bei Arras und der Franzosen an der Aisne am 12. Mai aufgerafft, zu einer Zeit, zu der das Schicksal des englisch-französischen Frühjahrsfeldzuges bereits besiegelt war. Nach schwerstem Kampfe gelang es der italienischen Übermacht, den Gipfel des Kuk zu besetzen. Auf der südlichen Karsthochfläche trat die Hermada in ihre historische Rolle. Unser für den Feind ganz unerwartet am 3. Juni angesetzter Gegenangriff, der größte, der bisher am Isonzo geführt worden war, entriß hier dem Italiener alle Erfolge. Es wurde Mitte August, ehe die elfte Isonzoschlacht begann. Hermada und Mt. Gabriele standen im Brennpunkte wilder Kämpfe. Als der Italiener auf der Hochfläche zwischen Görz und Tolmein, dem Plateau von Bainsizza, angriff und von Norden her unsere Stellung auf¬ rollte, war die Schlachtkrise hereingebrochen. Einen Augenblick schien es, als müsse die Front hinter das Öepovantal zurückgenommen werden, was nahezu den Durchbruch bedeutet hätte. Dank der Zähigkeit der heldenmütigen Truppen vermochte aber der gebirgige Ostteil des Plateaus gehalten zu werden. Den südlichen Eckpfeiler dieser neuen Stellung, ihre Verbindung mit dem Görzer Abschnitte, bildete nun der Mt. Gabriele. In den ersten Septembertagen verebbte die Schlacht. Nur an einem Brennpunkte der Front fand das blutige Ringen noch Wochen hindurch seine schaudererregende Fortsetzung. Die Kämpfe auf dem kahlen Bergmassiv des Mt. Gabriele verschlangen Hekatomben von Opfern. Am 11. und 12. September führte das von der Tiroler Front eigens zu diesem Zwecke herangeführte oberösterreichische IR. Gro߬ herzog von Hessen Nr. 14, das Schwesterregiment der Belgier von anno 1864, mit drei kriegs¬ starken Bataillonen den Gegenangriff durch. Mehr als zwei Drittel lieh es irrt Blute liegen, aber der Gabriele war vom Feinde frei. Der in der Mitte der neuen Schlachtfront ragende, keine drei Kilometer umfassende Stützpunkt wankte fürderhin nicht mehr, wiewohl dort täglich im Durchschnitte ein ganzes Bataillon des Verteidigers der Vernichtung preis¬ gegeben war. Die elfte Schlacht war die kritischeste aller Isonzoschlachten gewesen. Der Aderlaß war auf beiden Seiten noch schwerer als in der zehnten. Durch den Besitz der Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist hatte Graf Cadorna einen zweiten Schauplatz für den Ermattungs¬ krieg gewonnen. Nach dem Geländeverlust des Verteidigers auf der Hochfläche von etwa 15 km Breite und bis zu 7 km Tiefe war nunmehr die kürzeste Linie erreicht. Nochmals war es mit äußerster Anstrengung gelungen, einen italienischen Durchbruch zu vereiteln. Aber schon nach der zehnten Isonzoschlacht hatte sich bis zum k. u. k. AOK. die Erkenntnis durchgerungen, daß die Isonzoarmee dem außerordentlich kräftezehrenden Kampfverfahren schließlich doch erliegen werde. Zu nahe lag das heiß ersehnte Angriffsziel des Feindes, Triest, um an ein elastisches Absetzen oder Ausweichen zu denken. Die Gefahr des Durchbruches der Isonzofront und damit des Schlagens einer entscheidenden Bresche in den Hauptwall der 1 Oberst Dr. h. c. Georg Beith, Die Isonzoverteidigung. 231