Der Iännermonat war vorübergegangen. Er stand im Zeichen des Kampfes mit den Elementen. Aber ein anderer Kampf hatte eingesetzt — wieder wühlte der Tod durch die Felsen. Der Minenkrieg Skizzen 18, 19 Der Col di Lana hatte seinem Bruder ein schauriges Erbteil hinterlassen. Auf immerdar war dem Berge, an dem Ströme von Blut vergossen wurden, ein fürchter¬ liches Wundmal eingegraben. Auch die 27er gewahrten tagtäglich dieses Mahn¬ zeichen. Griffnähe hob es sich aus dem schimmernden Weiß hervor. Sollte auch dem Brudergipfel, dem Mt. Sief, das gleiche Schicksal bestimmt sein? Sollten auch die Siesverteidiger sich mit dem Gedanken an eine „Himmelfahrt" vertraut machen? Alle Anzeichen schienen dafür zu sprechen. Denn gegenüber stand ein zäher Feind, wohl vertraut mit dem geheimnisvollen Handwerk des Krieges im Finstern. Sein rastloser Eifer, seine technische Rüstung für den Kampf im harten Fels waren erprobt. Reizte auch nicht die Lage zwischen den beiden brüderlichen Bergen zu solchem Beginnen? Der Italiener beherrschte feit dem 21. Mai des Vorjahres den Siefgrat. Dieser vom Col di Lana gegen den Mt. Sief ziehende Felsgrat, an manchen Stellen nur wenige Meter breit, ist etwa in seiner Mitte eingefattelt (Punkt 2387, Ziel 173 a), steigt sodann zum felsigen „Knotz" auf 2438 m an. Dem Knotz hatte der Italiener im Laufe der letzten Monate eine feste Wehr verliehen; er hatte ihn durch einen zugstarken, kavernierten Feldwachposten mit Maschinengewehren gegen den Siefhang geschirmt. Halbwegs zwischen feindlichem Gratstützpunkt und Siefspitze, von beiden etwa hundert Schritte entfernt, stand die Bedette unserer Gratwäche (Feldwache 4). Sie verfügte über eine Kaverne und ein Fuchsloch. Ein Maschinengewehr war in einem Felsstollen eingerichtet. Diese kleine Bastion drang gleich einem Stachel aus dem Siesgipfel in den Grat hinein. Dem Verteidiger bot ^dieser Siefspeer keine Angriffswehr. Für ihn bestand jedoch die ständige Gefahr, daß der gratbeherrschende Italiener ihm diese Waffe aus der Hand schlüge. Der mit allen Listen vertraute Feind hatte in dem Grate ein brauchbares, wenn auch schwankendes Sprungbrett zum nahen Sief hin. Nahe lag der Gedanke für den Verteidiger, es zu vernichten. So entstand der Plan, von der Siefspitzenkaverne aus einen Ofsensivstollen vorzutreiben, mit dem Ziele, den Knotz zu sprengen. Um die Mtte des Jänners war der Vortrieb so weit gediehen, daß der Stollenort in 12 in Tiefe halbwegs zwischen eigener und feindlicher Stellung lag. Vom Hauptstollen führten Quer¬ stollen nach aufwärts zur eigenen Feldwach- und Vedettenstellung. Man müßte jedoch keinen Italiener zum Feinde haben, wenn dieser nicht sofort mit gleicher Münze zahlte. War ihm doch das Wühlen im Stein eines seiner beliebtesten Kampfmittel. In der zweiten Iännerwoche hatte man großen Schutt¬ auswurf unterhalb der Kavernenlöcher am Siefgrat wahrgenommen, und es waren im eigenen Minenstollen Bohrarbeiten des Italieners deutlich hörbar. Sichere, um die Monatsmitte mehrere Tage hindurch vorgenommene Beobachtungen durch Sappeuroberleutnant Traube, vom Felsbande des Kleinen Lagazuoi aus, bestätigten 167