Monte Sief Kämpfe um den Col di Lana und den Mt. Sief 1915/16 Skizzen 15, 17 Am 1. Juni 1915 erstiegen bedächtig im Cordevoletal gegen Nord vorrückende Alpini den Mt. Migogn, einen über zwei Kilometer von der Reichsgrenze entfernten, auf italienischem Boden liegenden Gipfel und hielten Ausblick nach dem Feinde. Im Westen die aufragende, firngekrönte Marmolata, die Königin der Dolomiten, im Norden ein grasbewachsener Berg, inmitten des Wunderreiches bizarrer Dolomitgipfel, schier harmlos, schlicht: der Col di Lana mit seinem Satelliten, dem Mt. Sief. Wer von denen, die dazumal hinüberblickten auf den Zweispitzkegel, zu dessen Fützen sich das weiße Band der Dolomitenstraße hinanzieht, hätte geahnt, daß dieser Berg bestimmt war, für Tausende zum Fluch und Grauen, zum Schicksal zu werden? Col di Sangue, Blutberg, Schädelstätte unermeßlicher Blutopfer, mit heißer Inbrunst ersehntes Ziel, mit heroischer Erbitterung verteidigter Gipfel! Für den Soldaten war dieser Berg des Unheils nicht der nichtige, abseits stolzer Fels¬ burgen stehende Kegel, der bastionsartig gegen Süden vorbricht, die Dolomitenstraße zwischen Pordoijoch und Falzaregopaß beherrscht, die ins Abtei- und Grödnertal führenden Übergänge sperrt, der für den Feind ungebetene Wegelagerer südlich des „Herzstückes" der gesamten Tiroler Verteidigung. Der Col di Lana (2462 m) bildete zusammen mit dem Mt. Sief (2426 m) ein Bergmassiv, das gegen Süd drei sanft geneigte Rückfallskuppen aussendet. Der Col-di-Lana-Abschnitt schloß auch den Mt. Sief, die beiden größeren Stützpunkte am Südhange des Col di Lana, die sogenannte „Infanteriestellung" und die „Felsenfeldwache", weiters die Stellung am Südwest¬ hange des Col di Lana, die sogenannte „Hangstellung" — später „Bergsappe" und „Rot¬ schanze" —, schließlich die Stellung im Sattel nördlich des Mt. Sief in sich. Am Nordende der „Siefsattelstellung" türmt sich die mächtige Felsenburg des Settsaß. Weiter östlich schiebt sich das Bollwerk des Sasso di Stria als drohender Keil gegen die Serpentinen der Dolomiten¬ straße heran. Schon im Sommer 1915 stand der Col di Lana im Brennpunkte der Kämpfe an der Dolomitenfront. Schwerer Blutverlust veranlaßte die Italiener zu einer neuen Kampfpause. Der zähe Verteidiger nutzte sie zur Neuanlage einer halbkreisförmigen, dicht unter dem Berggipfel am feindwärtigen Hang gelegenen „Spitzstellung". Im Falle des Verlustes der beiden Stützpunkte „Infanteriestellung" und „Felsenfeldwache" plante der Verteidiger den Rückzug in diese Gipselstellung. Die räumliche Ausdehnung dieser Spitzenstellung war sehr gering, so daß der Feind nur auf einem schmalen Streifen angreifen konnte. Andererseits bedurfte es nur schwacher Kräfte, um die Spitzenstellung gegen vielfache Übermacht zu halten. Um dies zu erleichtern, wurde auch eine Drahtseilbahn zwischen dem Mt. Sief und dem Lanagipsel erbaut und aus der Nordseite des Col di Lana über die Wand eine große Kaverne ausgesprengt. Um die Oktobermitte des Jahres 1915 fegte ein Feuersturm über die beiden Stützpunkte „Infanteriestellung" und „Felsenfeldwache". Sieben Tage und Nächte rollte das Fegefeuer, bis Oberst Garibaldi in dichten Knäueln seine Stürmer persönlich am 21. Oktober heranführte. Haufenweise fielen die Angreifer. Unerbittlich waren die Kaiserjäger. Damit war die Zahl der feindlichen Vorstöße im Col-di-Lana-Gebiete nahe an hundert gestiegen. Aber der Kampf tobte weiter, durch neue Massen italienischer Infanterie genährt. Immer wieder war es den tapferen Kaiserjägern vom 3. Regimente unter ihrem heldenmütigen Führer, Hptm. Artur Eymuth, gelungen, die zertrümmerten Gräben gegen Übermacht zu halten. Hunderte der Anstürmer waren dem rasenden Wüten zum Opfer gefallen. Am 26. Oktober ging nach mörderischem Nahkampfe die „Felsenfeldwache" verloren; am 29. Oktober erfüllte sich auch das Schicksal der „Infanteriestellung", dieses mit so viel Heldentum verteidigten Stützpunktes am Südhang des Blutberges. An einen Gegenstoß ver¬ mochte der durch den zehntägigen fürchterlichen Kampf aufs äußerste erschöpfte Verteidiger nicht zu denken. Alle Kraft wurde nun auf den Ausbau der Spitzenstellung gelegt, die, etwa dreißig Schritte vom West- und Ostgipfel entfernt, auf dem Südhange verlief und im Nordost sich an eine unersteigliche Felswand lehnte. Dem Italiener waren nunmehr die Südhänge des vielbegehrten Berges in die Hand gefallen. Der Verteidiger faß in der Spitzenstellung. Der Steilabfall gegen West fand Schutz durch die „Hangstellung", hinter der ein Laufgraben aus die Col-di-Lana-Spitze führte. 160