Schwierigkeiten in der Abwehr waren natürliche Auswirkungen. Von allem Anbe¬ ginne war die große Lebensader Tirols, das griffnahe Pustertal, erfehntes Ziel des Feindes. Der Heimat Schicksal lag in den Händen der Landsleute. In den ersten langen Kriegswochen waren Standschützen und Landsturmmänner mit der natur¬ gegebenen Überlegenheit ihrer Bergkenntnis, mit der Sorge um die geliebte Land¬ schaft die wahren Führer, denn die Besten ruhten in der schwarzen Erde der galizischen Schlachtfelder. Erst nach und nach konnten einzelne Truppenkörper des XIV, Korps an die Alpenfront gebracht werden. Wenig geschulte Truppen mußten gerade der Elite des italienischen Heeres, Alpini und Bersaglieri, gegenübertreten. Die Hilfe des Bundesgenossen, das divisionsstarke Deutsche Alpenkorps unter GLt. Krafft von Dellmenfingen, war ein Lichtblick in der Düsterheit der ersten Kriegszeit an der Bergfront, wenn auch seiner Verwendung Schranken gesetzt waren, da sich Deutschland mit Italien noch nicht im Kriegszustände befand. Von Süden her schoben sich die Bataillone der Armee des Generals Nava heran, dieser italienischen 4. Armee, deren Ziel es war, Südtirol durch einen Vorstoß ins Pustertal schnell und sicher abzuschnüren. Aber das Zögern der Italiener, das die 27er des X. MaBaons. in den Mai- und Iunitagen 1915 am Karnischen Kamm erlebten, wurde auch an der Dolomitenfront für die Verteidiger zum großen, rettenden Wunder im Bergkriege. Kostbarste Zeit war gewonnen und genutzt: der Karnische Kamm war eudgültig zur Widerstandslinie erklärt, die Kette westlich des Kreuzbergpasses erstiegen und befestigt, gegen einen Vorstoß an der Schlagader — das Pustertal — eine wenn auch bescheidene Mauer gesetzt worden. Die ver¬ alteten „Sperren" konnten keine Hilfe bringen; ihre Geschütze wurden ausgebaut, die Rohre durch Baumstämme ersetzt. Längst lagen diese Attrappen als will¬ kommene, munitionverschlingende Zielscheiben in Schutt und Trümmer geschossen. Aber es erstand eine Mauer aus Fleisch und Blut. Wieder war es der Mann, der den Kampf entschied, nicht die Waffe, nicht die überzahl. Für den Italiener war die Sternstunde versäumt worden. Cadornas methodisches Kampfverfahren und das Zögern seiner Generale brachten die italienische Armee um alle Vorteile zahlenmäßiger und materieller Überlegenheit. So waren alle bisherigen Geschehnisse an der Dolomitenfront, wie überall entlang der weit¬ gespannten Bergfront, ein mühselig-blutiges Ringen um Gipfel und Täler, um ein¬ zelne Stützpunkte, dem jedoch bis nun jede entscheidungbringende Wirkung versagt blieb. Der Kampfabschnitt Fanes—Travenanzes In das Reich der Fanes sollten die 27er des III. Baons. einziehen. Unweit von Cortina d'Ampezzo liegt dieses Hochland mit seinen weiten Almböden, umragt von zerrissenen Felsketten, wenig begangen und abseits gelassen vom großen Strom der Bergsteiger, zumal wenn aus dem winterlichen Zauberreiche der Fanes die wahrhaft königlichen Wunder emportauchen. Denn es ist ein verzaubertes Land. Die Sage weiß vom mächtigen Reiche der Fanis zu erzählen, vom Faniskönige, von den zaubergewaltigen Silberpseilen einer holdseligen Prinzessin, die des Landes Feinde besiegte, bis sie der Liebe zum nachtäugigen Prinzen erlag, ihr 130