Stellungskampf auf der Karsthochfläche von Doberdo (6. bis 24. September 1915) Skizzen 60, 61 Als zu Anfang August die Streiter am mittleren Jsonzo und in der Karstwüste von Doberdo ermattet die Waffen senkten, da war es beiden Heeresleitungen klar, daß dieser Kampfraum, an den sich nun die Hauptkräfte gefesselt sahen, bei seiner räumlichen, ausgreifende Manöver verbietenden Begrenztheit und bei der Eigenart des Kampfbodens eine besondere Kriegführung erfordere. Cadorna befreundete sich unter diesen Eindrücken immer mehr mit der seinem Denken auch sonst angepaßten Auffassung, daß an die Stelle des Angriffskrieges mit weitgesteckten Zielen mehr oder minder ein mühsamer Zermürbungskrieg zu treten habe. Der Entschluß mochte ihm um so leichter fallen, als die Zeit mindestens nicht gegen Italien arbeitete, er noch aus dem Vollen eines reichen Mannschafts¬ ersatzes schöpfen konnte und die Rüstwerkstätten fast der ganzen Welt hinter sich hatte. Daß eine solche Kampfweise dennoch das Gefüge der Armee lockerte, sollte die Verfassung des italienischen Heeres im Kriegsjahr 1917 erweisen. Auch die öst.-ung. Führung verfehlte nicht, aus dem bisherigen Gange der Dinge ihre Schlußfolgerungen zu ziehen. G. d. I. Boroeviö, der Führer aus dem Schlacht- felde, fand sich verhältnismäßig leicht mit dem Entschluß ab, auch die nächsten Schlachten in strikter Abwehr zu schlagen, wenn man ihm nur die unbedingt nötigen Verstärkungen zur Verfügung stellte. Das heranrollende III. Korps mochte fürs erste genügen, einen neuen Strauß mit einiger Zuversicht aufnehmen zu dürfen. Dagegen litten GO. Conrad und wohl auch das Kommando der Südwestfront von Haus aus unter dem Gedanken, weitere Divisionen in die alles verzehrende Esse der Schlacht werfen zu müssen, ohne mehr als Abwehrerfolge zu erringen. Aber die vom öst.-ung. Generalstabsches nie aus den Augen gelassene Möglichkeit, zu einem Gegenangriff großen Stiles überzugehen, lag in weiter Ferne. Noch hieß es, den gigantischen Feldzug gegen Rußland zu einem entsprechenden Ausklang zu bringen; außerdem heischte die gespannte Lage an den Dardanellen eine Offensive gegen Serbien, die den Mittelmächten und ihrem neuen bulgarischen Verbündeten den Weg nach dem Goldenen Horn eröffnen sollte1. Nach der zweiten Jsonzoschlacht stellten die Italiener im August ihre Infanterie¬ angriffe ein. Cadorna erachtete das italienische Heer noch keineswegs für aus¬ reichend gerüstet, um schon wieder die öst.-ung. Isonzofront zu berennen. Es währte noch bis in den Oktober, ehe der dritte Großkamps im Küstenlande entbrannte. Die überlebenden der letzten Schlacht, wie auch die neuen Ankömmlinge greisen zu Steinbohrer, Brechstange und Fäustel. Der Spaten ist als Werkzeug ausge¬ schieden. Der nackte, harte, splittrige Muschelkalkstein bleibt unnachgiebig. So ist der Spaten zur Nahkampswasse hinausgewertet. Die Stunde nahte, in der auch die 27er des Karstes Eigentümlichkeiten näher kennenlernen sollten. Dem Großteil der Offiziere und den altgedienten Mann¬ schaften war das „Steinerne Meer" aus der Manöverzeit bekannt. Allein unter welch ganz anderen Bedingungen! Nun hieß es, sich mit diesem harten, mitleidlosen Karstboden vertraut zu machen, denn hier gab es keinen Lehm- oder Humusboden wie in Galizien. 1 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, II., 791, 792. 425