61 letzten Schrei des Versinkenden hören? Und wenn sie ihn hörten und herbeieilten — der Wald ist schweigsam und hält sein Opfer fest in kühlem Schoß. Manches Getier bevölkert den Wald, Füchse, Rehwild, Hasen, Fasanen. Aber am heimatlichsten fühlen sich darin doch die Kaninchen und die Ratten. Sie führen miteinander einen lautlosen und erbitterten Krieg unter dem Wurzelwerk der Stämme und an den Böschungen der Wasserläufe. Eigentlich ist dieser Krieg nur ein einseitiger, denn man hat noch nicht gehört, daß ein Karnickel einer Ratte die Kehle durch- bissen habe. Aber was die Mordlust der Ratten versündigt, macht die Fruchtbarkeit der Kaninchen wieder gut, und die Natur sorgt durch ein brutales Prinzip dafür, daß die einen nicht verhungern und die anderen nicht aussterben. Ja, es müssen doch auch die Karnickel bei dieser Rech- nung auf ihre Kosten kommen, denn sonst wären sie wohl längst ausge- wandert. Zwischen den Füchsen und den Hasen ist es nicht anders, selbst die Rehe werden von dieser natürlichen Waldordnung betroffen. Und daß den Füchsen der Kamm nicht schwillt, dafür sorgen die Menschen mit Fallen und Kugeln. Am schönsten ist der Wald am Morgen in aller Frühe, wenn aus den Kronen der Eichen und Buchen, auf den Wipfeln der Lärchen und Tannen und in den Hecken das hundertfältige Konzert der Vogelwelt anhebt. Dann ist ein Tirilieren und Flöten, ein Seufzen und Meckern, ein Krächzen und Jauchzen allüberall, als würden von fröhlichen Mu- fikern die Instrumente zu einer schallenden Ouvertüre gestimmt. Füchse und Ratten entsagen der nächtlichen Mordlust und schlafen mit vollen Bäuchen in ihren Löchern. Die Kaninchen vergessen den grausamen Tod ihrer Verwandten und Geschwister und trösten sich durch ein possierliches Hupfspiel auf den Lichtungen. Die Rehe wandern zierlich durch lange Gräser. Alles besinnt sich auf seine natürlichen Pflichten, zu deren Ausübung der verliebte Lockruf der Waldtaube und das Verlobungsgeschrei des Hähers unaufhörlich herausfordern. Der ganze Wald macht Hochzeit von einem Ende zum andern, und unter dem Jubelkonzert der Vogelarmee wird der Grundstein zu soviel neuem Leben gelegt, daß Füchse und Ratten beruhigt in ihren Löchern den Fleischrausch ausschnarchen können . . . So war der Houthulster Wald einmal. *