162 Der Mangel an einheitlichem Kriegswillen. begnügt, die Vorgänge während der Kampfhandlung selbst zu prüfen, son- dern sie hat in alle Verhältnisse der Armee gründlich hineingeleuchtet. Und das mit Recht! Denn die Ursachen der Niederlage von Caporetto reichen weit zurück. Sie beginnen schon mit den Umständen, unter denen das italienische Volk und Heer in den Krieg eintraten. Italien hat den Krieg keineswegs mit einem einheitlichen Kriegswillen begonnen. Nachdem es sich im August 1914 seinen Bundespflichten unter eitlen Vorwänden entzogen hatte, wäre es in seinem Bestände durch den Krieg in keiner Weise bedroht gewesen, wenn es nunmehr wenigstens neutral geblieben wäre. Es waren daher nicht Lebensnotwendigkeiten, welche die italienische Kriegspartei vorwärts trieben, sondern die Hofs- nung, die Notlage der ehemaligen Verbündeten zur möglichst mühelosen Gewinnung sonst schwer zu erlangender politischer Vorteile ausnützen zu können. Lange schwankte das Zünglein der Wage zwischen den zahl- reichen Freunden Deutschlands und der Kriegspartei hin und her, bis es der letzteren gelang, die Oberhand zu gewinnen. Der Krieg wurde dem Volke, das von vornherein eine sehr geringe Begeisterung für den Kampf zeigte, von dieser beutehungrigen, von der Entente insbesondere unter geschickter Ausnutzung der Straße gestärkten Kriegspartei förmlich aufgezwungen. Der später zu Deutschlands Verhängnis so geschickt auf- gebaute Lügenkrieg trieb schon in diesen Tagen die prangendsten Blüten. Italien ging daher innerlich stark zerrissen in den Krieg*). Der Mangel an ernstlichem Kriegswüllen der breiten Massen des Volkes, die ihre Haut zum Markte tragen mußten, trat schon bei den ersten Kriegs- ereignisien deutlich zutage. Er hätte nur dann behoben werden können, wenn die Voraussagen und Hoffnungen der Kriegshetzer sich bewahrheitet hätten, nämlich, daß es nur eines kurzen, glänzenden und Verhältnis- mäßig mühelosen Ansturmes gegen das zusammenbrechende österreichisch- ungarische Heer bedürfe, um diesem den Rest zu geben. Aber alle Er- Wartungen in dieser Hinsicht wurden enttäuscht. Der Feldzug erwies sich als ein langwieriges, opfervolles und gefährliches Unternehmen, dem die Willenskraft des Volkes in keiner Weife gewachsen war. So straste sich die unmoralische Grundlage dieses Krieges bei jedem Schritte, den die Italiener unternahmen. Der tatkräftige und verständnisvolle Führer des italienischen Heeres, General E a d o r n a, auf dem fast ausschließlich die Verantwortung *) Cm italienischer Kriegsminister sprach aus: „Uns fehlten populäre, über- zeugende Kriegsziele und daher war nur die Armee, nicht aber auch das Volk mobilisiert."