Volltext: Was ist Bewusstsein?

sondern die Reduktion der individuellen Gegenstände oder Phänomene der Beobachtung auf allgemeine Konzepte und damit verbundene Parameter.121 Das ist natürlich auch der Grund, warum das Experiment eine solch zentrale Rolle in der Naturwissenschaft spielt, und warum das Setting des Experiments wiederum über den Erfolg eines Experiments entscheidet, weil es darum geht, dass die Relevanz genau jener Parameter, die der Erklärung durch die Theorie zugrunde liegen, nachgewiesen werden kann (was als indirekter Beweis der Richtigkeit der Konzepte angesehen werden kann). Anders herum müsste das Experiment ja die Ausgangsbasis für die Theorie sein. Die Theorie beruht im Grunde genommen auf der Auswahl und Anwendung, oder auch Definition geeigneter Parameter, und insofern es im Experiment um den Nachweis der Relevanz genau dieser Parameter geht, ist die Kritik des erkenntnistheoretischen Holismus, die auf die Reinheit (und damit vermeintliche Sicherheit) der Beobachtung bezogen ist, unangebracht, ja sie zeugt von einem vollkommenen Missverständnis. Die Theorie behauptet im Grunde genommen nichts anderes, als die Eignung ihrer Parameter für die Beschreibung der Phänomene – und damit die Möglichkeit von deren erklärender Reduktion (der 'Heureka!'-Effekt). Es handelt sich bei den Aussagen einer Theorie um eine Behauptungen, die niemals durch reine Beobachtung entschieden werden können, auch nicht im Fall einer Bestätigung, und deren Belastbarkeit in Bezug auf das Vertrauen in der Regel auf den allgemeinen Konzepten beruht, selbst dann, wenn eine theoretische Annahme sich als nicht haltbar erweisen sollte. Es handelt sich in gewisser Weise um eine Vertrauenspyramide. Was das naturwissenschaftliche Erkenntnismodell auszeichnet, ist nicht die reine Falsifizierbarkeit, sondern die Dialektik, die sich (gewissermaßen kontrolliert) im Verhältnis zwischen Beobachtungen, Konzepten und Theorien abspielt, deren wechselseitige Durchlässigkeit. Der generalisierende Zugang der Naturwissenschaft zu den Dingen führt dazu, dass nicht die Anwendung ihrer Konzepte (diese überlässt sie dann der Technik), sondern primär die Ausweitung und damit verbunden auch die Adaption ihrer Konzepte ihren Gang bestimmen. Wobei die transzendentale Funktion der Konzepte eben drin besteht, Erklärbarkeit zu gewährleisten, d.h. einen Ansatz für mögliche Erklärungen zu liefern.122 Erklärung liefern können nur konkrete Theorien. Daher auch der Bezug der Naturwissenschaft zu Begründung und Argumentation. Auch aus dieser Sicht sind es wiederum die Konzepte, die den Horizont der Begründung, und die Basis der Verständigung über unterschiedliche Theorien bilden. Das einzige Kriterium für Rationalität ist auch hierfür – der Erkenntnissituation geschuldet – wiederum die Kohärenz des Gesamtbildes. In erkenntnistheoretischer Sicht könnte man von einem kontrollierten Holismus auf Basis von Konzepten sprechen, die ihre Eignung durch ihren Bezug zur Empirie unter Beweis stellen müssen, einem Holismus nicht der Dinge oder Begriffe, sondern der Konzepte und Zusammenhänge. Das Konzept der Verifikation, die Verbindung mit dem Wahrheitsanspruch, hat hierin vermutlich seine Wurzeln. Der Einwand des erkenntnistheoretischen Holismus von der Theoriebeladenheit der Beobachtung greift daher zu kurz, weil er von der Empirie als Quelle der Erkenntnis ausgeht, von dem Bild einer linearen Beziehung, wo sich das Subjekt mit seinen Theorien auf die Gegenstände in Gestalt von Beobachtungsdaten bezieht, und die Theorien daher den Scheinwerfer bilden, der die 121 Aus diesem Grund wird eine auf bloßer Induktion beruhende allgemeine Aussage wie 'Alle Schwäne sind weiß' durch eine abweichende Beobachtung einfach widerlegt, während im Fall von Beobachtungen, die nicht zu den Vorhersagen einer naturwissenschaftlichen Theorie passen, die Frage nach dem Grund der Abweichung von der Erwartung gestellt werden muss. Dieser kann im Setting des Experiments ebenso zu suchen sein, wie auf der erklärenden Ebene der Theorie oder auf der grundlegenden Ebene der Konzepte. 122 Die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Naturwissenschaft und Technik verweist auf eine gewisse Ambivalenz. Allgemein kann man sagen, dass die Naturwissenschaft durch den Anspruch auf die Universalität ihrer Konzepte gekennzeichnet ist, deren transzendentale Dimension, während die Technik, darauf aufbauend, einen rein funktionalen Umgang mit den Konzepten pflegt. Aber im Grunde ist es die – im Bild von der Naturwissenschaft als bloßer 'Methode' angelegte – Ausblendung der transzendentalen Dimension selbst, die ihrerseits zu einem bloß funktionalen Verständnis der Naturwissenschaft führt. 45
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