Volltext: Was ist Bewusstsein?

angenommen, und die entscheidende Frage der Herkunft bzw. des Ursprungs von Unterscheidungen im allgemeinen stellt sich gar nicht mehr (bzw. wie im Nominalismus nur im Rahmen von bereits vorweggenommenen ontologischen Unterscheidungen). Geht man von der Gleichursprünglichkeit von Bewusstsein und Unterscheidung (im Sinne der Auffassung der Beziehung des Organismus auf seine Umwelt als 'Referenz') aus, dann verschiebt sich das gesamte Bild der Erkenntnis, denn die Unterscheidung zwischen dem Bewusstsein und den Gegenständen wird damit selbst zu etwas Erklärungsbedürftigem. Sie ist dann gebunden an die Genese von Selbstbewusstsein (als Voraussetzung 'etwas' von 'sich' unterscheiden zu können). Die Beziehung auf Gegenstände ist dann also eine höchst elaborierte Stufe von Referenz, deren evolutionäre Bedingungen aufzuklären sind. Die solchermaßen aufgeklärte 'Erkenntnisbeziehung' ermöglicht sodann einen differenzierten Blick auf verschiedene Formen von Referenz, und somit letztlich auch ein Verständnis des physikalischen Erkenntniszugangs im Sinne von transzendentaler Referenz, im deutlichen Unterschied zur metaphysischen Erkenntnisauffassung. Fasst man die physikalischen Konzepte als transzendentale Konzepte auf, dann zeigt sich letztlich, dass die Vorstellung von an sich bestimmten Bausteinen des Universums irrig ist, weil sie von der falschen Vorstellung von Autonomie ausgeht. Es gibt keine absoluten Anhaltspunkte, keine an sich bestimmten Dinge, und deshalb auch keine Wahrheit im Sinne von Übereinstimmung im klassischen Sinn. Diese Vorstellung scheitert auf allen Ebenen am unvermeidlichen Holismus, der in jeder Form von Unterscheidung und Bestimmtheit steckt. Hegels berühmtes Diktum „Das Wahre ist das Ganze“564 besagt, übertragen auf die Theorie des Bewusstseins im Horizont der physikalischen Konzepte, dass sich diese theoretische Einbindung des Bewusstseins im Sinne der Bewährung des universalen Anspruchs dieser Konzepte nicht in der Theorie des Bewusstseins erschöpfen kann, sondern darüber hinaus in ihrer Durchführung zur Selbstaufklärung über ihre eigene Genese, ihren Status als Theorie und ihre Geltungsbedingungen führen muss. Allerdings bleibt dieser Anspruch im Sinne der Bindung des Geltungsanspruchs an die Erklärungskraft und die Deutungsmächtigkeit prinzipiell ein Anspruch 'auf Bewährung'.565 Und zwar auch, weil die zu erklärenden Phänomene in ihrer Mannigfaltigkeit und der Unabgeschlossenheit der Entwicklung prinzipiell unerschöpflich sind, aber grundsätzlich einfach deshalb, weil alle Annahmen und Konzepte aufgrund der holistischen Erkenntnissituation den Status des Deutungshorizonts nicht überschreiten können. 3.6 Epilog Es ist, wie sich gezeigt hat, die tief verankerte Vorstellung der Autonomie, der unabhängigen Existenz der Gegenstände, die uns narrt, und zu Ungereimtheiten und Problemen auf allen Ebenen unserer Vorstellung von der Wirklichkeit führt. Sie manifestiert sich in dem logisch-ontologischen Dreigestirn der Begriffe Identität – Substanz – Autonomie, die das eigentliche Fundament des westlichen Denkens bildet. Die tiefe Verankerung hängt damit zusammen, dass sie beides, sowohl unsere Vorstellung von der Wirklichkeit, als auch unsere Vorstellung von der Erkenntnis bestimmen, und sich so wechselseitig bedingen. In der erkenntnistheoretischen Reflexion kommt dieser Glaube an die unabhängige Existenz der Gegenstände im Vertrauen auf die 'Gegebenheit' zum Ausdruck. 564 Hegel, G. W. F. (1952), S. 21. Auf S. 33 schreibt Hegel: „Das Wahre und Falsche gehört zu den bestimmten Gedanken, die bewegungslos für eigne Wesen gelten, deren eines drüben, das andre hüben ohne Gemeinschaft mit dem andern isoliert und fest steht. Dagegen muß behauptet werden, daß die Wahrheit nicht eine ausgeprägte Münze ist, die fertig gegeben und so eingestrichen werden kann.“ 565 Darin unterscheidet sich das sich ergeben habende Verständnis vom transzendentalen Status der Theorie grundlegend vom Hegelschen. Das grundsätzliche Streben nach dem 'absoluten Wissen' im Sinne der Einsicht in die Genese des Bewusstseins und des Wissens, und damit der Selbstaufklärung 'des Universums' über sich selbst, ist aber das selbstverständliche Ziel jedes monistischen transzendentalen Ansatzes. 174
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