Volltext: Was ist Bewusstsein?

eine enorme Erweiterung der Möglichkeiten intelligenten Verhaltens. Es ist die Selbstzuschreibung, die den Unterschied ausmacht zwischen praktischer Intelligenz (die wiederum einen starken Bezug zum sog. körperlichen Wissen aufweist) und Denken, und sie ist selbst etwas, das den Charakter einer Entdeckung hat, etwas, das in der Betätigung seine Bestätigung findet. Die Ausgangsbasis dafür bildet die Selbst-Entdeckung des Individuums 'als dieses' in der auto-deiktischen Form der Selbstbehauptung durch 'Auf-sich-aufmerksam-machen', und die entsprechende Zuwendung. Erst die Selbstzuschreibung ermöglicht so etwas wie einen probierenden, entdeckenden, forschenden, spielerischen Umgang mit Situationen, und damit die Entdeckung von 'Wenn-dann'- Zusammenhängen, von Kausalität, – sie ist die Wurzel des Denkens. Sie setzt kein abstraktes Selbstbewusstsein voraus, sondern nur eine elementare (nicht-sprachliche) Bekanntheit mit sich 'als dieses' Individuum. Diese Bekanntheit kann – abhängig von verschiedenen Faktoren (zu denen neben der Dauer der Abhängigkeit von der Brutpflege durch die Eltern u.a. auch die damit verbundenen Formen der sozialen Organisation gehören – in unterschiedlichem Ausmaß ausgeprägt sein, und sie kann ihre Bestätigung, wie gesagt, in Betätigung finden, und dadurch wiederum verstärkt werden. Diese Form der Bekanntheit mit sich selbst bildet auch die Grundlage für die Fähigkeit, das eigene Spiegelbild sich selbst zuzuordnen, sich darin zu 'erkennen' (indem man z.B. Bewegungen ausführt und zugleich im Spiegelbild beobachtet). Das, was als Selbst-Identifikation bezeichnet wird, ist also ein vielschichtiges, sich aufbauendes Phänomen, das in seinen (dialektischen) Mechanismen verstanden werden muss, will man zu einem adäquaten Bild vor- sprachlichen Denkens kommen. Die Schnittstelle wird dadurch um eine Art von Selbstreferenz angereichert, die erst durch Betätigung (ausgehend von der Basis des körperlichen Wissens) eine über die rein auto-deiktische Form hinausgehende Konkretheit annimmt. Die (in über-individueller, evolutionärer Perspektive gesprochen) fortschreitende Selbst-Entdeckung von Organismen 'als dieses' Individuum, und die 'denkende' Entdeckung der Welt durch Selbstzuschreibung gehen auch auf der (noch) nicht-sprachlichen Ebene Hand in Hand. 3.3 Das menschliche Bewusstsein Die Frage, wodurch sich das menschliche Bewusstsein und das Denken, von allen anderen Verhaltensweisen und Bewusstseinsformen bzw. (Um)Weltbezügen – insbesondere auf tierischer Ebene – unterscheidet, ist eine häufig gestellte. Die Antworten darauf hängen maßgeblich von den Vorstellungen über das tierische Bewusstsein zusammen. Da uns dieses natürlich nicht direkt zugänglich ist, erfolgt die Unterscheidung meistens negativ, im Ausgang vom Bild des menschlichen Bewusstseins und Denkens, mit dem wir unmittelbar vertraut sind. Doch diese Vertrautheit lässt zwar Schlüsse auf Unterschiede zu, sie ist aber zugleich – wie die Geschichte der Philosophie und der Wissenschaft zeigt – kein verlässlicher Boden. Dennoch geht z.B. die Anthropologie oft unbekümmert davon aus und erklärt, – anstatt zu versuchen, auf theoretischer Basis die Genese dieser Form von Bewusstsein zu erklären, – dessen Evolution als Vorstufen eben dieses Bewusstseins. Sie charakterisiert also die Vorstufen selbst in Hinsicht auf das, was durch diese Stufen erklärt werden soll. Evolution wird so zu einer trivialen Geschichte. Dieser Zug zur Trivialität ist übrigens den meisten evolutionären Erklärungen zu eigen: Man weiß zwar meistens nicht, wovon man genau spricht, wenn man von Leben oder Bewusstsein spricht, aber dass es sich um evolutionäre Phänomene handelt ist 'Stand der Wissenschaft'. In dieser Form lässt sich praktisch alles durch Evolution erklären, aber gleichzeitig ist die Überzeugung von der Evolution dann eben nicht mehr als das, ein Glaubensartikel. Man setzt den Glauben an die in dieser Perspektive so definieren: Intelligenz ist strategisch, Denken ist (zusätzlich) taktisch. Ich denke, dass es die Vermischung von Referenz, Intelligenz und Kognition ist, die in vielen Fällen zu hartnäckiger Verwirrung führt. Und diese Vermischung hängt wiederum unmittelbar zusammen mit der Vorstellung der Autonomie des Individuums bzw. des Organismus oder des Subjekts – oder des Gehirns. 138
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