Volltext: Heimatbuch Unterweissenbach

Niedergang und Verfall von Ruttenstein als Herrschaftssitz 
Die Herrschaftsverwaltung kommt nach Weissenbach 
und für sein Seelenheil beten. Nach dem Gottes- 
dienst ging sie nochmals, wie zum Gedenken, zur 
Ruine hinauf. Denn sie brachte das Geschehene 
nicht aus dem Kopf. Als sie den Gang, der in den 
inneren Burghof führt, betrat, lief ihr plötzlich ihr 
Kind wohlbehalten entgegen. Die Frau drückte es an 
sich und liebkoste es. Sie konnte ihr Glück kaum 
fassen. Das Schürzchen des Kindes aber war prall 
mit Goldstücken gefüllt. Erst nach und nach ver- 
mochte, nachdem sich die erste Wiedersehensfreude 
gelegt hatte, das Kleine das Geschehene zu berich- 
ten. Es hatte sich in den Gewölben und Gängen 
verlaufen und nicht mehr zurückgefunden. Aber eine 
„Weiße Frau“ war alle Tage zu ihm gekommen. Sie 
hatte es getröstet, hatte ihm Essen gebracht und so- 
gar mit ıhm gespielt. 
Zeit ihres Lebens dachten Mutter und Kind mit 
Dankbarkeit an die „Weiße Frau‘ zurück, doch sie 
bekamen sie nie mehr zu Gesicht.‘ 
Von einer „Weißen Frau“ zu Ruttenstein 
berichtet eine andere Sage, 
deren Ausgang jedoch traurig stimmt 
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Die unerlöste Weiße Frau 
Ein Knabe hütete am Fuße der Ruine Ruttenstein die 
Schafe. Da erschien ihm eine „Weiße Frau“. Sie 
sagte zu dem Buben: „Morgen sind es hundert Jahre, 
seit ich verzaubert bin. Du kannst mich erlösen und 
es wird dein Schaden nicht sein. Erschrick nicht. Ich 
komme in der Gestalt eines schwarzen Hundes und 
trage einen Schlüsselbund im Maul. Wenn du mir 
ihn nimmst, bin ich erlöst.“ 
Wirklich wollte der gutgesinnte Knabe die Frau von 
ihrem Bann befreien. Am nächsten Tag wartete der 
Hüterbub unter frommen Gebeten auf den Hund. 
Und da erschien er schon. Er war fürchterlich anzu- 
sehen. Er bleckte geifernd und keifend die Zähne. 
Speichel rann der tobenden Bestie die Lefzen herab. 
Der Knabe war so erschrocken und eingeschüchtert, 
dass er sich nicht getraute, nach dem Schlüsselbund 
zu greifen. So war alles vergeben und vertan. 
Die „Weiße Frau‘ muss nun wieder hundert Jahre 
warten, bis sie wieder auf jemanden die Hoffnung 
setzen kann, sie endlich von ihrem bösen Zauber zu 
erlösen.* 
; Adalbert Depiny, Sagen aus Oberösterreich, 1932 
* Adalbert Depiny, Sagen aus Oberösterreich, 1932. Bearb. V. Dr. 
D. Eder 
Gerne reisten früher 
die Habsburgerherrscher unerkannt, 
inkognito, durch ihr Land, _ 
um die Wahrheit über Menschenart 
und Lebensverhältnisse zu erfahren 
_ Der Kaiser als Handwerksbursch . 
Speicher und Keller auf der Burg Ruttenstein waren 
reichlich gefüllt. Die Ernte bei den hörigen Bauern 
n Schönau und Pierbach und in den nördlichen Be- 
sitzungen war gut gewesen. Genau und ohne jeden 
Nachlass war der Zehent eingehoben worden. 
in jenen Tagen hielt sich der Kaiser im Lande ob der 
Enns auf. Er beschloss, auf seinen Burgen, die ihm 
unterstanden, und die er an Familien des Adels aus- 
gegeben hatte, Nachschau zu halten. 
Jnerkannt, als einfacher wandernder Handwerks- 
oursch verkleidet, kam er auch nach Ruttenstein. 
Über die unbarmherzigen Burgherren dürfte ihm 
schon manches zu Ohren gekommen sein. Er wollte 
um Stärkung, um Speise und Trank bitten. Es. sollte 
sich zeigen: Wie die Herren, so auch das Gesinde. 
Schon der Torwartl, der beim Burgtor Wache hielt, 
fuhr den Wanderer barsch an, als er seine Bitte vor- 
rachte. Er solle sich nur an die Köchin wenden. Er 
werde schon sehen, was er ausrichte. Die Köchin, 
selbst recht wohlbeleibt, wollte den Unbekannten 
nit lautem Gezeter und: den Worten „wir haben 
selbst nichts‘ davonjagen. 
Durch den Lärm und das Gekeife kamen die 
Schlossleute herbei und machten alle Anstalt, den 
Kaiser als Störenfried in das Verlies zu werfen. 
BA 
SO 
Foto: Dr. D. Eder 
Sagenumwobenes Ruttenstein 
die Sehnsucht nach Glück, Reichtum und Gold
	        
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