Volltext: Heimatbuch Unterweissenbach

Buntes Leben in den mittelalterlichen Märkten“ 
Sicherheit des Lebens. In der umzäunten Ansiedlung 
war man besser gegen die wilden Tiere geschützt 
und konnte sich auch leichter gegen plündernde 
Horden zur Wehr setzen. In unruhigen Zeiten sind 
für Unterweißenbach zusätzlich Wehranlagen be- 
‚egt. 
Naturgemäß wirkten in dem engen Nebeneinander 
Liebe und Hass viel tiefer. Ein Abschließen von der 
Gemeinschaft oder ein Beiseitestehen waren nicht 
möglich. Eigensinn wurde nicht geduldet. „Wer mit 
der gemain nit laiden wollt“, für den gab es einen 
deutlichen warnenden Wink mit dem Zaunpfahl, 
denn „dem soll man einen Stecken für sein thür 
schlachen“ (schlagen). 
In besonderer Weise wirkte in Pfarrorten die Kirche 
integrierend und zusammenführend. 
Gegenseitige Rücksichtnahme wurde verlangt. 
Fühlte sich in den frühen Zeiten der Urbarmachung 
der einzelne eher seiner Sippe verpflichtet, so ent- 
stand jetzt ein bürgerliches Gemeinschaftsgefühl. 
Einen hohen Wert besaß die Nachbarschaft. Nach- 
barschaft schloss Pflichten, aber auch den Anspruch 
auf Hilfeleistung ein. Das Zusammengehörigkeitsge- 
fühl zeigte sich, indem man sich als eine Schicksals- 
gemeinschaft verstand. Fiel ein Anwesen einer Feu- 
ersbrunst zum Opfer, halfen die Nachbarn mit Bau- 
material, Saatgut, oft sogar mit Vieh wieder aus. 
Auch verwaister Kinder nahm sich die Nachbarsfa- 
milie an, indem man die Vormundschaft übernahm, 
wenn niemand sonst aus der Verwandtschaft vor- 
handen war.“ 
Es ergäbe überhaupt ein schiefes Bild, würde man 
sich die Bauern abseits des Marktes aus der Grün- 
Foto: Karl Kiesenhofer 
Ansicht von Unterweißenbach: Die eigene Pfarrkirche 
führte die Menschen zusammen und schuf Gemein- 
schaftsbewusstsein 
' Siegfried Epperlein, Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003 
’ Siegfried Epperlein, a.a.0. 
dungsepoche von Unterweißenbach im 12. Jahrhun- 
dert als eine stumpfe, in Armut und Niedrigkeit da- 
hinvegetierende Gesellschaft vorstellen. Sie besa- 
Ben, wenn auf den kargen Böden das Leben auch 
hart war, mitunter eine höhere Lebenskultur als so 
manche ärmliche Ritter, die zu Strauchdieben und 
Wegelagerern wurden. 
Zınige Stätten ım Markte standen unter einem be- 
sonderen rechtlichen Schutz. Sie waren „Friedens- 
stätten‘“. Die Kirche, die Mühle und die Schmiede, 
wo die Pflüge hergestellt wurden. Wer einen Pflug 
entwendete, eine Kirche oder Mühle ausraubte, hatte 
mit der schärfsten Leibesstrafe zu rechnen.“ 
Die Furtmühle an der Kleinen Naarn wurde noch 
dem eigentlichen Marktbereich, dem Burgfried, zu- 
gerechnet. Im Wallseer Urbar von 1446 wird neben 
der Mühle auch der „Smid enthalb des Baches“ er- 
wähnt. Auf die spezifischen Gewerbezweige von 
Unterweißenbach in früherer Zeit wird noch geson- 
dert eingegangen werden. 
Die Felder der Marktbewohner und der Bauern wur- 
den nach dem Prinzip der „Dreifelderwirtschaft“ 
bestellt. Die Grundfläche wurde in etwa drei gleich 
große Abschnitte aufgeteilt. Ein Drittel wurde im 
Herbst mit Wintergetreide bestellt. Auf dem zweiten 
Drittel baute man im Frühjahr Hafer und Gerste an, 
also Sommergetreide. Auch Hülsenfrüchte wie Boh- 
nen, Linsen und Erbsen. Der Rest blieb brach liegen. 
Jas ausgewogene Verhältnis von Getreide und Hül- 
senfrüchten bewirkte eine gesündere Ernährung. Zur 
Verbesserung der Viehfütterung wurden seit dem 
13. Jahrhundert auf der Brache Futterpflanzen ange- 
baut. Die Dreifelderwirtschaft erbrachte durch den 
planmäßig erfolgten Fruchtwechsel erhöhte Erträge 
und wirkte der Erschöpfung des Bodens entgegen. 
Die zweimalige Getreideernte (Winter- und Som- 
mergetreide) verminderte das Risiko eines totalen 
Ernteausfalls bei widriger Witterung. Die Dreifel- 
derwirtschaft hielt sich bis in das 19. Jahrhundert 
ainein. 1 
Eine aus ältester Zeit stammende Form der Selbst- 
verwaltung, die allerdings mit dem Fortlauf der Zeit 
von den Grundherrschaften immer stärker mitbe- 
stimmt wurde, war die Bürgerversammlung. Sie 
wird als Taiding bezeichnet. Alle Bürger des Burg- 
frieds waren zur Teilnahme verpflichtet. Das Tai- 
ding fand nach altem Brauch an einem der besonde- 
cen „Thingtage‘“ statt. Weil das bäuerliche Jahr in 
drei Jahreszeiten eingeteilt war, handelte es sich um 
die Tage am Ausgang des Winters zu Maria Licht- 
mess (2. Februar), am Beginn des Bauernsommers 
zu Georgi (24. April) oder am Anfang des Herbstes 
Siegfried Epperlein, a.a.0.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.