Volltext: Heimatbuch Unterweissenbach

Die Zeit der rauen Nächte 
setzt, den freudenreichen Rosenkranz, eine Litanei 
und ein Backkörbl voll Vaterunser betet, kommt zu 
den Kindern in der Stadt das Christkindl. Wohl fin- 
det der Brauch in den Bauernhöfen schon Eingang; 
das oft reichliche Beschenken kennt der Bauer hier 
nicht und er wird es auch nicht nachmachen, weil es 
Ihm das nicht „tragt“. Wenn es hoch hergeht, das 
aeißt, wenn die Ernte gut war und es im Stall kein 
Unglück gab, dann bekommen die Kinder und die 
Hausleute ein paar bescheidene Kleidungsstücke, 
eine Schürze oder Strümpfe. Meist sind es aber Äp- 
fel, Kletzen, Nüsse, ein Stück „Schober“ (Guglhupf) 
oder etwas Backwerk, was das Christkind den Bau- 
ernkindern einlegt oder mit dem kleinen Tannen- 
bäuml bringt. 
Vor einigen Jahrzehnten noch kam statt des Christ- 
kindls das „goldene Rössl“. Die alten Leute erinnern 
sıch noch gut daran. 1 
In einer Gebetspause bringt die Bäuerin Kletzenbrot, 
Vost, Nüsse, Äpfel auf den Tisch. In manchen Bau- 
ernhöfen finden sich alte und großmächtige Bibeln. 
Aus ihnen wird ebenfalls vorgelesen. So rinnt die 
Zeit. Draußen weint der Wind um die Giebel, hin 
und wieder klirrt im Stall eine Kette. Die Düsternis 
hockt in allen Winkeln. Auf dem Tisch flackert die 
geweihte Kerze. Was wissen denn die Menschen in 
der hellen, lärmerfüllten Stadt von all dem geheim- 
nisvollen Raunen und Weben und Wehen in dieser 
Nacht! Das Wunder der Geburt des Menschheits- 
erlösers träumt in den Herzen der Betenden nach. 
Allmählich wird es dann Zeit, sich auf den weiten 
Weg zur Kirche zu machen, um die Mette nicht zu 
versiumen. Von allen Seiten, hügelauf und hügel- 
nieder, durch schneeverhangene, stille Wälder zit- 
tern die Laternen dem Pfarrorte zu. 
In dieser Nacht offenbart sich der alte Wunsch deı 
Menschen, die Zukunft vorauszusehen, in mancher- 
lei Brauchtum. 
Wer die Mette nicht besucht, stirbt im nächsten Jahr; 
ebenso, wer in dieser Nacht einen Apfel zerschnei- 
det und dabei einen Kern verletzt. Dem Bleigießen 
ist auch folgender Brauch ähnlich. Vor dem Gang 
zur Mette schlägt eine besonders Neugierige ein Ei 
ins Wasser. Sieht sie nach ihrer Heimkehr nach, so 
zeigen ihr die Gestalten, die sich im Wasser gebildet 
haben, die Zukunft an. In dieser Nacht geht die vor- 
weihnachtliche Fastenzeit zu Ende. Wenn die Haus- 
‚eute heimkommen, trägt die Bäuerin noch Blut- 
würste mit Kraut oder Leberwürste, immer aber 
Kaffee auf. Mit vollem Magen legen sie sich zu kur- 
zer Ruhe zu Bett, denn schon nach wenigen Stunden 
bereiten sie sich zu neuem Kirchgang vor. 
Der Christtag bringt dem Wirt schlechte Einnahmen, 
denn alles „trachtet‘“ heim zum Bratl. An diesem 
Tag geht es in der Bauernstube fett und hoch her! 
Die Speisenfolge und ihre Reichhaltigkeit sind frei- 
lich nach dem einzelnen Hof verschieden; auch die 
Kochkunst der Bäuerin spielt eine gewisse Rolle. In 
der Regel beginnt eine Suppe die Reihe, dann folgt 
der Schweinsbraten mit Krautsalat. Krapfen und der 
einigermaßen doch seltene Kaffee mit einfachen 
Bäckereien und Kletzenbrot beschließen sie. 
Diesem hohen Festtag folgt nun die Reihe der 
„kleinen Feichta“‘. Da ruht die Arbeit mit Ausnahme 
des Nötigsten. Dafür werden in den Bauernstuben 
Jeißig die Karten gemischt. Hin und wieder kommt 
man zu einem Plauderstündchen auf einen der 
Nachbarhöfe. 
Und dann neigt das alte Jahr sein müdes Haupt und 
weicht dem jungen. Am Altjahrstag wird wieder 
geräuchert. Das lebhafte Treiben, mit dem der Städ- 
ter das Jahr beschließt, ist dem Bauern gänzlich 
fremd. Er geht nachmittags in die „Danksagung“, 
dankt seinem Herrgott für den Segen des vergange- 
nen Jahres. und bittet ihn um diesen für das nächste. 
Dann geht er heim, tut seine Arbeit wie immer, er 
ıegt sich zu Bett und schläft in das neue Jahr hin- 
über. Am Neujahrsmorgen wacht er ausgeschlafen 
auf. Mit frischer Kraft beginnt er mit den Seinen den 
Kampf ums tägliche Brot — wie das Leben es eben 
fordert. 
Zeitig am Neujahrsmorgen begeben sich die kleinen 
„Neujahrswünscher““ auf den oft weiten Weg, klop- 
fen an jede Tür, bekreuzigen sich und sagen kniend 
ihr Sprüchlein auf: 
„A glückseligs, freudenreichs neuchs Jahr. 
Gsundheit, langs Lebm 
und ’s Himmelreich a daneben. 
An Kasten voll Habern und Korn, 
an Sack voll Geld, 
dass er am Stubnboden ansteht. 
Zwoa Rösser mit an goldan Wagn, 
mit dem kinnan da Herr 
und d’Frau in Himmel fahrn. 
Oans dat i mir ausbitten: 
Wann i kunt hint aufsitzn!“ 
Von Hof zu Hof wandern die Kinder; kommen 
abends todmüde heim, Eltern und Geschwistern 
glückselig ihre Schätze zeigend. 
Die Burschen haben in diesen Tagen alle möglichen 
und unmöglichen Schießwerkzeuge zusammenge- 
sucht. Damit gehen sie zu Bekannten und Nachbarn, 
um das neue Jahr „einzuschießen“. Die „Menscher“ 
haben in den Tagen vorher schon einen Neujahrsbu-
	        
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