Volltext: Jahresbericht / Verein Lehrerakademie in Graz 1912/13 (Erster Jahresbericht / 1913)

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angeregt wurden, sollen nun die im Kinde schlummernden Kräfte geweckt, 
entfaltet und zum Schaffen angespornt und befähigt werden. 
Die manuelle Betätigung hat ihre Berechtigung im Unterrichte als 
Mittel zum Zwecke, in ihr sollen die geistigen Kräfte ihre Förderung, 
ihre Unterstützung finden, durch sie soll das zu erreichende geistige Ziel, 
die Erlangung von Kenntnissen und die Amwandlung derselben in ein 
Können sicherer erreicht werden. 
Ms methodisches Prinzip hat somit die Arbeit zu gelten 
und in dem Sinne muß die einfachste Dorfschule im Zeichen derselben 
stehen. Die Freude und Fähigkeit zur Arbeit ist das beste, das wertvollste, 
was wir dem Kinde geben können. Nur muß auch wirklich gearbeitet 
werden! Es ist falsch, nur im „spielenden Lernen" das Ideal der Schule 
erblicken zu wollen. Arbeit lernt man nur durch Arbeit! 
Dem Arbeitsprinzipe entsprechend, muß auch mehr als bisher noch 
dem Grundsätze der Anschauung Rechnung getragen werden. Mit dem 
toten Wortwissen muß gebrochen werden. „Nichts gelangt zu unserer Er 
kenntnis, was nicht durch unsere Sinne Eingang gefunden hätte." Mehr 
selbsttätige Beobachtung will die moderne Schule. Beobachten lernt das 
Kind aber nur am wirklichen Ding in seiner natürlichen Amgebung, daher 
die Forderung nach weitgehender Pflege des Anterrichtes im Freien. 
Freilich stellen sich der Verwirklichung dieser Forderung vielfach Hinder 
nisse entgegen, deren Beseitigung außer dem Bereiche unserer Macht steht. 
Aber was die Heimat zur Anschauung, zur Beobachtung bietet, das soll 
das Kind auch in der Wirklichkeit sehen. Das Bild trete in der Regel 
als Hilfsmittel nur dort ins Treffen, wo es unmöglich ist, den Gegenstand 
selbst vorzuführen. 
Wohl aber fordert man vom modernen Lehrer, daß er dem Zeich 
nen als Anterrichts Prinzip Rechnung trage. Es gibt heute schon 
genügend Zeichenwerke, die dem Lehrer Anregung geben, den Anterricht 
in allen Disziplinen, von der elementarsten bis zur letzten Stufe des 
Volksschulunterrichtes, durch einfache, vor den Augen der Schüler 
entstehende Skizzen zu beleben und anschaulich zu gestalten. Aber auch 
die Schüler sollen, dem Prinzipe der Selbsttätigkeit und der klaren An 
schauung entsprechend, viel mehr skizzierend zeichnen und 
zwar in allen Gegenständen, auf der Anterstufe nicht bloß im An- 
schauungs-, auch im elementaren Rechen- und Leseunterrichte, auf den 
höheren Stufen nicht nnr in den Realien, sondern namentlich z. B. auch bei 
der Behandlung von Lesestücken; da frage man nur öfter: „Wie stellt Ihr 
Euch das vor? Zeichnet!" Welche Irrtümer werden da oft aufgedeckt, 
der Lehrer sieht jetzt erst, zu welch' falschen Vorstellungen sein Anterricht 
führte! Andererseits aber wird dadurch das Vorstellungs- und Darstellungs- 
Vermögen der Schüler in einer Weise gebildet, die für die Entwicklung 
des gesamten Geisteslebens von Einfluß ist. Anschauliches Vorstellen — 
klares Denken! 
Da also die eigene Beobachtung, die Anschauung des wirklichen 
Dinges den Ausgangspunkt der zu vermittelnden Erkenntnisse zu bilden 
hat, so hat folgerichtig der moderne Volksschulunterricht hauptsächlich
	        
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