Volltext: Die Mannschaft 4. Band (4. Band / 1938)

lang und schmal zog sie sich vom Geflügelhof hinunter zu einem Bache, 
der einen natürlichen Zaun bildete zum Nachbargrundstück. Dorthin brachte 
ich jeden Tag den Falben, und auch heute graste er gemächlich und zufrieden 
dort. Ich selbst hatte mich am oberen Ende der Wiese unter eine uralte 
Edelkastanie ins Gras gelegt, die Arme unterm Kopf gekreuzt, ich be⸗ 
obachtete ohne besondere Absicht das Pferd und döste vor mich hin. Ohne 
es zu merken, schlief ich ein. 
Und dann geschah das Seltsame, Rührende, ja — mich wenigstens noch 
heute — tief Erschütternde. Mag ein jeder die Erklärung dafür finden, die 
ihm zusagt und die seinem Wesen und Denken entspricht, es wird ihrer 
viele geben — für mich wird es das gleiche unvergeßliche Erlebnis bleiben, 
das meine Liebe zu allem Getier für immer begründet hat. 
Ich hatte plötzlich im Schlaf das Gefühl, daß es dunkel würde, dunkler 
als es vorher gewesen war, und verspürte zugleich einen sanften, warmen 
Hauch im Gesicht. Dann streichelte etwas Weiches, Warmes mir über die 
Wangen, ganz zart und lind. Ohne mich zu bewegen, schlug ich die Augen 
auf, und mein Blick umfing etwas Dunkles, fast Schwarzes, das all—⸗ 
mählich, je mehr sich meine Augen ans Licht gewöhnten, in ein mildes 
Rosa überging. Jetzt drehte ich mich zur Seite und erkannte: Dicht neben 
mir stand der Falbe, den ich doch kurz vorher noch ganz unten am anderen 
Ende der Wiese beobachtet hatte, er hielt den schönen Kopf tief gesenkt und 
strich mit seinen weichen warmen Nüstern sanft und zart über mein Ge⸗ 
sicht, wieder und immer wieder, viele Male. Ich schäme mich nicht, zu ge— 
stehen: eine große Gerührtheit übermannte mich, und ich ließ ihn rubig 
gewähren. Schließlich hob ich den Arm und klopfte ihm den schlanken algs, 
streichelte ihm die Stirn, sicherlich habe ich auch ein paar dumme, zärt⸗ 
liche Worte dabei gesprochen. Plötzlich machte der Falbe wenige taumelnde 
Schritte zur Seite, reckte den Ropf wie witternd ins Sonnenlicht und 
stürzte schwer und dumpf aufschlagend zu Boden. 
So starb mein Pferd, der Falbe. Wer aber möchte mir den Glauben 
nehmen, daß er in den letzten Augenblicken seines kurzen armseligen Lebens 
von mir, seinem Herrn, seinem Kameraden, hat Abschied nehmen wollen? 
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