Münchner Sturmtagebuch
Von Wilhelm RKohlhaas
Gründonnerstag, den 17. April 1919
Ein kalter Morgen, ein öder Marsch über die Rauhe Alb ins Graue
hinein. Vor Jahresfrist lagen wir noch in Frankreich, rechts und links
eine Division guter Rameraden, und so die ganze Westfront entlang, die
vor unserem nächsten Angriff zitterte, — heute ein Soldatenpulk, wo
kaum einer recht den andern kennt. Wenn gerade der Weg nicht durch
eine Biegung unterbrochen ist, kann man vom Anfang bis zum Ende des
Haufens sehen, der sich Freiwilligenbrigade nennt: fünfzig Gewehre viel⸗
leicht in jeder Kompanie, die Arkeley nur eine Haubitzen⸗ und eine Ra⸗
nonenbatterie, ein paar Ordonnanzreiter auf merkwürdigen Rossen, und
dazu Stäbe für ein doppelt so starkes Heer ... damit sollen wir jetzt nach
Bayern hinein, die große Stadt stürmen, wo eine Verbrecherhorde die
Macht an sich gerissen hat und stündlich weiter ausbauen kann, weil kein
einziger Mann in der November⸗Regierung war, der rechtzeitig bedachte,
daß man gegen Gewalt nicht mit schönen Reden, sondern nur mit der
harten Soldatenfaust aufkommt.
Dazu werden jetzt wir Württemberger geholt. Im eigenen Lande haben
wir schon lange Ordnung geschaffen: die russischen Revolutions⸗Juden,
die im Januar beim ersten Spartakus⸗Putsch in Stuttgart die gleiche Un⸗
ordnung stiften wollten, sind vor uns schleunigst in das benachbarte
Bayern ausgerückt, wo sie jetzt ihre Regierungskünste ausüben. In un⸗
261