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Flucht und Heimkehr
von Fritz Meichner
%XX chr als zwei Iahre hält mich Sibirien in seinen eisernen Alanen. —
Ich werde es wagen, dessen bin ich gewiß.
Nun bin ich seit sechzig Tagen auf der Flucht, nähere mich in der Uni
form eines russischen Infanteristen der Front.
Geduckt, jedes Geräusch, jede Bewegung scharf beobachtend, gehe ich
weiter. Obwohl ich den ganzen Tag noch nichts gegessen, spüre ich kaum
Hunger. Meine Augen bohren sich in die Nacht. Flüchtig, kaum daß es
mir zum Bewußtsein kommt, streifen meine Gedanken ab. Ich sitze in der
prima, wir haben Geschichtsunterricht. Lin fernes Stück Vergangenheit
steht vor mir auf. Tage und Stunden, an die ich lange nicht mehr gedacht.
Lin Zweig knackt unter meinen Füßen, ich schrecke zusammen. Line Lule
fliegt lautlos dicht an mir vorbei. Die Stille ist fast unheimlich. Dann
höre ich den Angstschrei eines Vogels. Flüchtige Wolken zerreißen die
Dunkelheit; für Sekunden fällt der Mondschein auf meinen weg. wie
gespenfterhafte Silhouetten treten mir die Weiden entgegen. Vorwärts,
vorwärts, sagt mir eine innere Stimme. Übermorgen werde ich zwischen
den Drahtverhauen liegen.
Sobald ich in die Nähe eines Hauses komme, hole ich in einem weiten
Bogen aus. Mir darf niemand begegnen.
Als es gegen Morgen hell wird, suche ich mir in einem abseits gelegenen
Wäldchen einen Versteck. Fest in den Mantel gehüllt lege ich mich hin.
Den ganzen Rörper bedecke ich mit Laub. Nach mehreren Stunden Schlaf
erwache ich und spüre kräftigen Hunger. Vorsichtig luge ich aus meinem