Volltext: Die Zweierschützen im Weltkrieg 1914 - 1918 [H. 1] ([H. 1] / 1929)

Des greisen Monarchen hoher Bündnisfreund, deS Deutschen Reiches Kaiser, Wilhelm II., tat das 
Äußerste und versuchte das letzte, um dem Unheile eines Weltkrieges vorzubeugen. 
Sein denkwürdiger Depeschenwechsel mit dem russiichen Zaren Nikolaus II. am 29. und 30. Juli 
zeigte jedoch, daß das große Zarenreich bereits in den Dienst des Frevels getreten, sein gekrönter Herrscher 
der Wahrheit untreu geworden war und es auf Verleugnung der Tatsachen abgesehen hatte. Und so kam 
Österreich-Ungarn in Gefahr und war plötzlich von den russischen Massen bedroht. Denn entgegen der 
Depesche Zars Nikolaus II. an Kaiser Wilhelm II., hatte Rußland bereits seine Streitkräfte, Heer und Flotte, 
mobilisiert und war schon im Begriffe, Serbien mit seinem Schilde zu decken und sich Österreich-Ungarn 
entgegen zu werfen. 
Am 31. Juli 1914 befahl daher Kaiser Franz Josef I. die allgemeine Mobilisierung. 
Senator Robert L. Owen (Boston) schreibt im „Wiener Journal" vom 24. Juli 1926: 
Als die Vereinigten Staaten aus die Seite der Entente traten, lautete das vom Präsidenten Wilson konzipierte 
Manifest der Washingtoner Negierung: „Nicht gegen das unschuldige deutsche Volk zieht die Union in den Krieg, sondern 
um dieses von seinen Herrschenden zu befreien, vor allem vom Hohenzollernkaiser, der den Großmächtekrieg entfesselt hat." 
Heute ist die überwiegende Mehrheit der Bewohner Amerikas darüber aufgeklärt, daß der Kaiser Wilheltn sich 
im Frieden wohl als Säbelraßler in glänzender Rüstuiig gefallen hatte, dafür aber unter allen Staatslenkern am 
tiefsten erschrocken war, als der Krieg unvermeidlich losdröhnte. Die Kenntnis solcher Wahrheit dankt die amerikanische 
Allgemeinheit am meisten dem Geschichtsforscher Senator L. Owen, der in unermüdlicher Arbeit aiis Tausenden uon 
Originaldokumenten ein unwiderlegbares Tatsacheninaterial ausgebaut hat. Seine Forschungsergebnisse flattern als 
Druckschriften selbst in die entlegensten Farmen des Westens und haben den bemerkenswerten Meinungsumschwung 
gezeitigt. 
Owen bezeichnet den 24 Juli 1914 als den Tag, der den ersten Einblick in die bis dahin sorgsani verdeckten 
Karten der Ententestrategie ermöglichen. Wohl trugen alle Nationen ihr Teil zum Kriege bei durch den Geist des 
Chauvinismus, Militarismus und des Handelsimperialismus, aber die verantwortlichen Führer Deutschlands wünschten 
den Krieg nicht und begannen ihn nicht. Denn als Österreich am 23. Juli 1914 sein Ultimatum an Serbien richtete, 
das von den europäischen Staatsmännern schon vorausgesehen war, waren die Feinde der deutschen Regierung bereits 
zum Kriege fertig. 
So hatte am 24. Juli 1914, also vor der Antwort auf das österreichische Ultimatum, Großbritannien schon 
seine Kriegsflotte, über 400 Schiffe, vor Spithead mobil gemacht 
Am 24. Juli befahl der russische Ministerrat, sanktioniert durch den Kronrat, die russische Mobilmachung. Die 
führenden Militärs waren zur allgemeinen Mobilmachung entschlossen, wie sich aus dem offiziellen Bericht Dobro- 
wolskis, des leitenden Generals der Mobilmachung, ergibt. Der Vorwand, daß die russische Mobilmachung eine Teil- 
mobilisierung war, ist somit lediglich diplomatische Heuchelei gewesen. 
Am 24. Juli sandte das belgische Auswärtige Amt ein Rundschreiben an die leitenden Staatsbeamten, daß 
Belgien vollständig niobilbereit sei. 
Am 24. Juli beorderte Frankreich die marokkanischen Truppen aus Afrika. 
Am 24. Juli hatte Frankreich schon seine Flotte aus den atlantischen Häfen nach dem Mittelmeer zurück- 
gezogen, sich damit auf den britischen Schutz vertragsgemäß stützend. 
Am 25. Juli hatten Raymonde Pomeare, Präsident von Frankreich, und Viviani, Minister des Auswärtigen, gerade 
den zarischen Hof verlassen, wo sie, mit beispiellosem Pomp empfangen, der russischen Regierung die bindende Zusicherung 
wiederholten, daß Frankreich zum Kriege gerüstet sei und Rußland unterstützen werde. Poincare und Viviani erreichten 
Paris am 29. Juli und in der Nacht vom 31. wurde folgende Depesche — Telegramm Nr. 216 des Pariser Bot 
schafters Jswolski an Sasonow — abgesandt: 
„Der französische Kriegsminister eröffnete mir in gehobenem, herzlichem Tone, daß die Regierung zuni Kriege 
fest entschlossen sei und bat mich, die Hoffnung des französischen Generalstabes zu bestätigen, daß alle unsere Anstren- 
gungen gegen Deutschland gerichtet fein werden und Österreich als Huautite negligeable behandelt werden wird." 
Darauf sagte Sasonow mit Genugtuung zu Baroii Rosen: „Diesmal werden wir marschieren." 
Anderseits verlangte Wilhelm II. diirch Bethmann-Hollweg versöhnende Schritte von der österreichischen Regie- 
riing und hatte den Erfolg, den Grafen Berchtold zu bedeutenden Zugeständnissen zii bewegen. Diese hätten den 
Frieden bestimmt gewährleisten müssen, wäre man der österreichischen Außenpolitik halbwegs oder nur irgendwie ent 
gegengekommen. Die russischen Staatsmänner waren jedoch zum Losschlagen bereit und mit den französischen Staats 
lenkern übereingekommen, daß man Deutschland vor der Welt als Angreifer erscheinen lassen müßte. Die militärischen 
Führer Deutschlands wieder wußten, daß die russische allgemeine Mobilisierung Krieg bedeutet. War doch in der 
Mobitmachungsorder des Zaren vom 30. September 1912 für die Zukunft festgesetzt worden, daß jede Mobilisierung 
als „gleichbedeutend mit der Bekanntmachung des Kriegszustandes gegm Deutschland" erklärt wird.
	        
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