Volltext: Oberösterreichische Bauerngeschichten. Erstes Bändchen (Erstes Bändchen / 1858)

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Jetzt waren sie zur Stelle; Lift riß sich rasch 
von dem Arme ihrer Begleiterin los, trat nahe an 
den Saum des Ufers, um in die Wellen zu schauen — 
in demselben Momente schlug der Spitz an ein furcht- 
bares Krachen und Rauschener dröhnte über ihrem Haupte, 
und sie sah einen Augenblick eine männliche Gestalt aus 
den Fluthen sich ihr entgegen bewegen — ihre Sinne 
schwanden, sie siel bewußtlos zu Boden. 
In demselben Augenblicke stürzte Lipp sammt dem 
abgebrochenen Ast in die Wellen, die plätschernd über 
ihn zusammen schlügen und sich für immer über seinem 
Haupte schlossen. 
Lisens Begleiterin wußte sich vor Schreck nicht zu 
fassen, heulend und wehklagend rannte sie heim und 
erzählte athcmlos das Vorgefallene. 
Man eilte hinaus zum Rechen und trug Lift leb 
los ins Vaterhaus herein. — 
Nach einigen Tagen fand man den Leichnam des 
Schafhirten Lipp auf einer Sandbank, vom Strome 
dahingespült. Lift war in ein hitziges Fieber verfallen. 
Die alte Wahrsagerin Kunigunde war für immer ver 
schwunden — nie mehr hatte man von ihr etwas gehört. 
Lift erholte sich langsam, erst nach einem Jahre 
hatte sich ihr Körper etwas gekräftigt, aber — ihr 
Geist blieb todt! . . . . 
Lange konnte man sie sehen vor dem Thore ihres 
Vaterhauses auf dem Boden kauern, bleich und ent 
stellt den Blick des Wahnsinns vor sich hingerichtet, 
von Binsen ein Geflecht anfangend und wieder zer 
reißend , dabei tonlos vor sich hinmurmelnd: 
Heut ist Johannistag — Brauttag ist er mir, 
Hent will ich mich vermählen dem reichsten Großvezier.
	        
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