Volltext: Oberösterreichische Bauerngeschichten. Erstes Bändchen (Erstes Bändchen / 1858)

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bar war, und man jeden Augenblick den Ausbruch 
eines Hochgewitters erwartete — fiel doch nur ein 
leichter Sprühregen nieder, doch kräftig genug, um die 
ermatteten Fluren zu erquicken. 
Gegen Abend hatte sich der Himmel wieder völlig 
ansgeheitert, und zwischen einzelnen kleinen Wolken 
schichten, vom lichtesten Rosa bis zum dunkelsten Pur 
purroth gefärbt, sank die Svnnenschcibe in die Berge 
nieder. Aber wie mit einem Zauberschlage rollte im 
Osten der Vollmond seine glutrothe Scheibe empor — 
es war ein prachtvoller, erhabener Anblick. 
Es lag jetzt eine eigenthümliche, geheimnißvolle 
Helle über die Fluren ausgebreitet — ein geisterhaftes, 
niegesehenes Zwielicht, das jedweden Gegenstand deut 
lich, völlig wie am Tage, erkennen ließ, und in 
welchem die mächtigsten Sonnwendfeuer, die rundum 
auf den Bergen aufloderten, zu kleinen Kerzenflammen 
zusammenschrumpften. 
Da saß Life auf der Hausbank vor dem Thore; 
trotz des Vaters, lehrreicher Predigt war ihr doch die 
hohle Weide nicht aus dem Gedächtnisse verschwunden, 
hatte sie doch nicht den Gedanken aufgegeben, ihren 
künftigen Bräutigam kennen zu lernen. War auch 
durch des Vaters Worte ihr Glaube an die Wahrhaf 
tigkeit der geheimen Künste der alten Kunigunde in 
etwas erschüttert, so war dies nur für einen Augen 
blick, und die weibliche Neugierde flüsterte ihr wieder 
zu: Heute kannst Du das am sichersten erproben. 
Den ganzen Tag hatte das leicht erregbare Mädchen 
in einer ungeheuren Aufregung zugebracht, so daß die 
Mutter oft zu ihr sagte: „Ich weiß nicht, Life, wie zer 
streut Du mir heute vorkommst! Aufwas denkst Du denn?" 
Je naher der Abend heranrückte, desto mehr nahm 
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