So hatten wir das „Elefantenbaby".
Plump und unbeholfen ging er mit der
ihm eigenen Eleganz immer wieder auf
der selben Stelle „baden“. Der „Haut¬
schinder" vollbrachte das Kunststück,
fast bei jeder Fahrt einige Löcher in
die Haut zu fahren, egal ob es sein
eigenes oder ein ausgeborgtes Boot war.
„Tarzan“, der sein Boot bei einer Ken¬
terung schwimmen ließ, mit pracht¬
vollem Kraulstil das nahe Ufer suchte
und das Bergen des Bootes anderen
überließ. Schließlich hatten wir einen
„Patienten“, unseren Kollegen Zwettler,
der immer wieder umzukippen drohte,
doch immer durchkam und nichtwußte,
wie. Besorgt sah Leo dessen Treiben zu
und meinte nachdenklich: „aus dem
Patienten wird nie ein Faltbootfahrer
werden". Gleichsam allen zum Trotze,
die nicht an ihn glauben wollten, ge¬
schah das Unerwartete. Durch die
Freude, die ihm das Wildwasserfahren
bereitete, durch Training auf der hei¬
mischen Traisen, wurde er nicht nur
ein guter, sondern ein zünftiger Wander¬
fahrer, der es auch nicht scheute, selbst
bei der Salza-Regatta die Nennung ab¬
zugeben.
Doch auch die anderen Flüsse blieben
ihm nicht unbekannnt. Als wir voriges
Jahr auf der Steyr und Teichl waren,
trafen wir ihn in Klaus. Mit einer
Gruppe kam er von der Alm hierher.
Voll Begeisterung hatten sie uns von
dem Wehrfahren auf der Alm erzählt.
Da ich schon lange hin wollte, beschlos¬
sen wir, eine Almfahrt zu organisieren,
die heuer im Mai gestartet ist.
Drei Mann fuhren wir mit dem Auto
von Wien nach St. Pölten. Um 21 Uhr
führte uns Karl (Zwettler) in das
Bootshaus in dem wir übernachteten.
Das Haus konnten wir erst in der Frühe
richtig bewundern. Es gleicht einem
Einfamilienhaus und wurde mit sehr
viel Mühe erbaut. Leider ging ihnen
jetzt das Geld aus und so hoffen sie
im Stillen auf einen unerwarteten Zu¬
schuß von irgend einer Seite, der es
ermöglicht, den Bau zu vollenden. Es
wäre ihnen zu wünschen, damit sie die
Gastfreundlichkeit, die sie uns bewiesen,
auch weiterhin pflegen können. Mit
Karl als Führer surrten wir die Land¬
straße unserem Ziel entgegen.
Steeg! Die Alm! Kristallklar ist das
Wasser und die Wehre sind gut über-
ronnen. Karl meinte, gegenüber dem
vorigen Jahr sei jetzt direkt Hochwasser.
Ein Wagen wurde abgestellt und mit
Karls V.W.-Schnauzer fuhren wir zum
Almsee. Weißbedeckte Gipfel vom
Toten Gebirge grüßen uns Wasserratten
im Tal. Sie lächeln auf uns herab, als
wollten sie sagen: „Na, wie haben wir
das gemacht, gut? Ein wenig schwitzen
in der Maisonne und ihr habt Wasser
genug".
Bei der Seeklause wurde aufgebaut und
schon ging es munter weiter. Kleine
Schwälle, verrammelte Stellen, Flu߬
rinne suchen, das war unsere Beschäf¬
tigung. Und schon tauchten die ersten
Wehre auf. Kleine Rutschen, so richtig
zum Einfahren. Eine kleine Notlandung
mußten wir vornehmen, als Georgs
Boot ein Loch bekam. Auf einer Nar¬
zissenwiese wurde geflickt, dann ging
es weiter bis zur Kirchmühlwehr in
Grünau. Wir stiegen aus, nahmen die
Fotoapparate und Filmkameras mit,
dann wurde das Wehr besichtigt. Sach¬
kundig erklärte uns Karl, wo das Wehr
zu fahren sei. Wir nahmen Aufstellung
und warteten gespannt, bis er auf der
Wehrkrone auftauchte. Jetzt! Das Boot
kippte über die Wehrkrone, legte sich
auf die Wehrbretter, durch war er. Wir
schossen aus allen Objektiven, was nur
Platz hatte, wollten wir doch gute
Bilder nach Hause bringen. Das Spiel
wiederholte sich, bis wir alle unten
angelangt waren. Die Sonne meinte es
gut mit uns. Sie spendete wohltuende
warme Strahlen aus, die wir dankend
entgegennahmen, genau so, wie die
freundlichen Abschiedsgrüße von et¬
liche Zuschauern, denen dieses Schau¬
spiel wohl ein unvergeßliches Erlebnis
bleiben wird.
Weiter ging der Weg von Wehr zu Wehr.
Anfangs wollten wir die Wehre zählen,
doch bald gaben wir es auf, so viele
waren es. Bevor wir diesen Tag been¬
deten wurden wir noch einmal kräftig
eingeweicht und es wurde empfindlich
kalt. Wasser von oben, Wasser von
unten, so fuhren wir den letzten Wehren
entgegen. Als mir nach einer Durch¬
fahrt die Spritzdecke eingedrückt
wurde, und ich wie in einer Badewanne
im Boot saß. da schloß ich mich
meinen drei, schon vor Kälte klap¬
pernden Freunden an, und klapperte
fleißig mit
Bei leichtem Regen stiegen wir in Steeg
aus. Unsere nassen Klamotten unterm
Arm, so erschienen wir im Gasthof
Heillinger, wo uns die Wirtin sofort ein
kleines Gastzimmer zur Verfügung
stellte. Der Wirt hatte im Ofen einge¬
heizt, damit wir uns aufwärmen konn¬
ten. Selten habe ich bei meinen Wan¬
derungen so fürsorgliche Leute getrof¬
fen wie hier. Was einmal die Dietzmut-
ter im Gesäuse für die Bergsteiger war,
ist Mutter Heillinger für die Faltboot¬
fahrer auf der Alm. Alle kennt sie, die
einmal auf der Alm und bei ihr waren,
sie fragt gleich nach, was mit dem und
jenem ist, ob er auch wieder kommt.
Bezüglich der guten Wehre weiß sie ein
Loblied zu singen. Sie trauert zugleich
mit uns, daß uns die Arbeiter, die die
Steinwehre gebaut hatten, nicht einmal
eine einen Meter breite Durchfahrt ge¬
lassen haben, durch die wir durch¬
rutschen könnten. Darum, kommst Du
einmal hier vorbei, versäume es nicht,
hier Rast zu machen. Es gehört fast zur
Almtradition. Vergiß auch nicht, dich
in das Paddlerbuch einzutragen, es ist
der Mutter ihr Heiligtum.
Am nächsten Tag ging es weiter. Bei
herrlichem Wetter fuhren wir los. Jetzt
ging es nicht mehr so schnell, denn es
mußten die Steinwehre übertragen
werden. Obwohl dieser Steinhaufen von
den Weisem schon befahren wurde ist
von der Durchfahrt abzuraten, denn
hier hat schon manches brave Boot das
Ende gefunden. Es folgten einige
schöne Wehre, dann kam die Brücke,
wo die Autobahn die Alm überquert
und nachher ein Wehr. Die rechte Seite
der Anlage ist unfahrbar und die linke
ziert ein Fünfstufenwehr.
Hier, meinte Karl, haben wir die Boote
immer übertragen, doch heute sind die
Stufen überronnen. Länge standen wir
an der Seite und freuten uns über das
glitzernde Schauspiel vor uns, da
meinte Karl: „Eigentlich müßte es
heute gehen, ich fahre". Und Wir foto-
graphierten. Wir nahmen Aufstellung
und schon kam der Bug hoch über
unseren Köpfen zum Vorschein. Ein
kurzes Tasten, dann neigte sich das
Boot, plumpste über die erste und
zweite Stufe, dritte, vierte, fünfte
folgten, und war wohlbehalten unten
angekommen. Ermutigt durch diese
Fahrt fuhren auch wir. Besorgt beob¬
achtete ich Walters Boot, das sich wie
ein Schanierband über die Stufen
schob, doch nichts war geschehen.
Auch mir ist es nicht anders ergangen.
Die ersten Stufen konnte ich noch
zählen, dann kam ein dreimal kurzes
Rütteln und ich landete mit einem
Plumps im tiefen Wasser. Georgs Boot
brach sich leider das Rückgrad und wir
mußten zwei Weidenstäbe einziehen,
um es wieder flott zu machen. Vor uns
lagen noch die Flugwehre, auf die woll¬
ten wir nicht verzichten. Wir tauften
diese Wehrstiege das Fünfleidenwehr,
denn fünfmal muß das Boot leiden,
bevor es das tiefe Wasser erreicht.
Karl meinte, „wer weiß, ob wir nicht
die Ersten sind, die dieses Wehr be¬
fuhren“.
Nach kurzer Fahrt hatten wir das erste
Überfallwehr erreicht. Senkrecht stürzt
das Wasser etwa 1.80 Meter in die Tiefe.
Das Wehr scheint unfahrbar zu sein.
Und es war es auch, bis ein gut auf¬
gelegter Fahrer sich sagte: „Was die
Skispringer fertigbringen, das kann
ich auch". Er sprang und es gelang.
Seit der Zeit gibt es auf dem Wasser
ein Faltbootspringen. Karl fuhr wieder
vor und wir beobachteten, was ge¬
schehen würde. Anlauf, Absprung, Flug,
Landung und rausziehen aus den Wir¬
beln war alles was er tun mußte. Es
kommt nur darauf an, die Fahrt bis
zur Wehrkrone zügig durchzuführen
und nicht zögern, ins Ungewisse zu
fahren. Alles andere kommt von selbst.
Beim ersten Flugwehr hatten wir leises
Bedenken, doch auf die beiden anderen,
die etwas niederer sind, freuten wir uns
schon.
Leider war nachher auch unsere schöne
Fahrt zu Ende und wir mußten von der
Alm Abschied nehmen.
ÖSTERREICHS PADDELSPORT 12/60
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