Volltext: Österreichs Paddelsport 1960 (1960)

Walter Lindner erinnert sich an 
Die Fahrt des Jahres 1956 
Die Fahrt des Jahres 1956, das war für 
mich die Almfahrt, am 10. Juli. Wir 
befanden uns am frühen Nachmittag des 
9. Juli auf der Heimreise von Bad 
Ischl. Am Steuer saß, wie immer, Karl, 
der Unentwegte. Neben ihm seine Frau 
und Karli sein Sohn. Als Passagiere 
unter dem aufgespannten Plachen- 
verdeck Anny, Anton und ich. Die 
Stimmung war gut, es wurde musiziert, 
gesungen und gelacht. Schon seit 
Tagen war der Himmel leuchtend blau. 
Die Sonne strahlte heiß hernieder und 
in zartgrauen Dunst gehüllt, lagen die 
hohen Berge um uns; ein Zeichen an¬ 
haltenden Schönwetters. 
Für nächsten Tag hatte ich mir 
Urlaub genommen, mein Vorsatz war 
die Alm zu befahren. Wir erreichten 
Wels und Karl fuhr mich noch bis zum 
Hauptbahnhof. Ich nahm nur das Not¬ 
wendigste zu mir; Leichtgepäck im 
wahrsten Sinne des Wortes! Dann ver¬ 
abschiedete ich mich und es tat mir 
eigentlich leid, keinen Begleiter zu 
haben. 
Nach einstündiger Wartezeit in Wels, 
fuhr der Zug nach Grünau im Almtal 
ab. Bald keuchte die Lokomotive berg¬ 
auf. Die Welser-Heide lag unten im 
Abenddunst und entschwand allmählich 
den Blicken. Die Bahnstrecke verlief 
wieder ebener, fruchtbare Äcker und 
Wiesen links und rechts der Schienen, 
manchmal unterbrochen durch dunkle 
rauschende Hochwälder; und vorne 
am südlichen Horizont, das Tote Ge¬ 
birge. Etwas weiter rechts davon der 
Traunstein mit seinen prägnanten Kon¬ 
turen. In der allmählich einsetzenden 
Dämmerung empfand ich alle am 
Fenster vorbeiziehenden Bilder seltsam 
neu und fremd. So die Orte Sattledt, 
Wasserhub und Moos, die ihre Namen 
auf handwerkliche oder geologische 
Gegebenheit zurückführen. Bei Moos 
besteht kein Zweifel, denn dieser Ort 
liegt am Rande des Hochwaldes und 
die Haltestelle sogar in dessen Mitte. 
Dann stieg die Nacht aus den Tiefen der 
Täler, empor zu den ragenden Berges¬ 
höher. Vereinzelt blinkten die ersten 
Sterne zaghaft am Gestirn. Kühl strich 
die Nachtluft tun offenen Fenster vor¬ 
bei. Feuchter Dunst lag in den Gräsern. 
Ich zog meine Wollweste an und in¬ 
dessen erreichten wir Steinbachbrücke. 
Endlich war es so weit, der Fluß kam 
in Sicht! Und da war es, das Wasser 
der ALM. Im Scheine von vereinzelt 
leuchtenden Lichtern, glitzerte es zu 
mir herauf. Und warnend rauschte es, 
wenn es über ein Wehr stürzte. Im 
Geiste sprach ich die Bitte: sei morgen 
nicht zu seicht. 
Grünau, alles aussteigen! Das Stations¬ 
gebäude lag spärlich beleuchtet im 
Halbdunkel. Die wenigen Reisenden 
hatten sich bald in verschiedenen Rich¬ 
tungen zerstreut und so folgte auch 
ich mit meinem Boot am Rücken im¬ 
mer der Straße. Schon nach fünf 
Minuten erreichte ich ein gasthofartiges 
Gebäude, welches in beinahe völliger 
Finsternis stand. Den Umständen ge¬ 
mäß ging ich aufs Geratewohl hinein. 
Früh am Morgen des nächsten Tages 
war ich wieder auf den Füßen. Der 
erste Blick aus dem Fenster: Die Alm! 
Rauschend fiel klares Wasser, silbern 
glänzend, über ein hohes, steiles Wehr. 
Wird es genug sein? Hoffentlich! Auf 
einer noch vom Morgentau feuchten 
Wiese, beim Bahnhof, wartete ich auf 
den Postautobus. 
Eine bunte Schar Reisender stürzte sich 
erregt aus dem angekommenen Frühzug. 
Jeder wollte im Autobus den schönsten 
Platz erhaschen. Und da er noch nicht 
zu sehen war, pferchte sich die Mehr¬ 
zahl von ihnen in den bereitgestellten 
Anhänger. So verblieb für mich ein 
schöner Platz, gleich neben dem Chauf¬ 
feur. Auf der ständig ansteigenden 
Landstraße fuhren wir dahin. Vom 
Fluß sah man nicht viel, denn hohe 
dickstämmige Nadelbäume verwehrten 
die Sicht in die Weite. 
Endstation Seehütte! Über einen 
dammartigen Weg erreichte ich den 
obersten Zipfel des Almsees. Auf einem 
schönen Platz, etwa hundert Meter 
bevor der Fluß in den See einmündet, 
stellte ich das Boot zusammen. Die 
Sonne stach vom Himmel. Unwahr¬ 
scheinliche Schwüle umfing mich und 
ich war froh, als ich auf den kühlen, 
blauen See hinaus fahren konnte. In 
der Mitte der spiegelglatten Fläche, 
verweilte ich, mich an der Schönheit 
dieses Landes zu erfreuen. 
Bei der Seeklause hob ich das Boot 
leicht über und schon ging es erwar¬ 
tungsvoll weiter bis zur ersten Flo߬ 
gasse, die ich vorsichtshalber besich¬ 
tigte, denn wer weiß? Höchstens einen 
Meter war das Wehr hoch, der Ab¬ 
sprung minimal und trotzdem hatte ich 
Lampenfieber. Wehr zwei nahm ich 
schon unbesorgter. Dann kam eine 
Stunde keines mehr. Das Flußbett war 
nun viel breiter als die eigentliche 
Wasserrinne. Es führte immer weiter 
durch die grünen Wälder. In unabläs¬ 
sigen kleinen Windungen folgte ich 
dem Wasser durch ein wahres Märchen¬ 
land! Zuweilen verlief sich das Wäs¬ 
serchen derart, daß es den Anschein 
bekam, ich müsse aussteigen. Irgend¬ 
wie fand ich dann doch wieder einen 
Weg und es ging munter weiter. 
Das nächste Wehr zeigte schon größere 
Schwierigkeiten, aber überrascht hat 
mich dann Wehr Nr. 7: Höhe zumin¬ 
dest drei Meter, sehr steile Floßgasse, 
deren Breite kaum eine Bootslänge 
beträgt. Am Ende eines Laufsteges, am 
rechten Ufer war, dem Was’serstand 
gemäß, die Einfahrt, über der in Kopf¬ 
höhe ein Balken war. Dieser kompli¬ 
zierte die Sache wesentlich, Zu meiner 
Beruhigung sagten mir zwei Buben, 
daß hier alle Paddler zu fahren pfleg¬ 
ten. Also nahm ich einen Anlauf, doch 
nicht zu sehr, ein paar leichte Züge 
genügten. Die Einfahrt gerade ange¬ 
steuert, denn Kopf eingezogen und 
dann stieß ich mit dem Paddel an den 
Balken! Schräg kippte das Boot von 
der Krone ab, also Bruch — nein, doch 
nicht. Als hätte das Schifferl gefühlt, 
worum es ging, stellte • es sich allein 
gerade und: „hinein in die weiße 
Gischt!" Mann und Boot sind weg, 
tauchten wieder aus luftblasigem, prik- 
kelndem Wasser auf. 
Es war um die Mittagszeit, der Hunger 
wühlte im Magen. Also landete ich in 
Grünau, am rechten Ufer nach der 
Straßenbrücke. In einem gemütlichen 
Gasthaus hielt ich ein Mittagmahl mit 
allem Drum und Dran. Ein ältliches 
Paar konnte kaum glauben, daß man 
in einem derart seichten Gewässer 
fahren könne. Wo überdies so viele 
spitze Steine den Weg versperrten. 
Als dann noch zwei Motorradler hinzu 
kamen und gleichfalls ihre diesbezüg¬ 
lichen Bedenken kundtaten, da hat es 
mir gereicht. Ich zog mich auf mein 
nasses Element zurück. 
Lässig setzte ich die Fahrt fort und 
wiederholt lockte das sandige Ufer zu 
längerer Rast aber die Zeit drängte. 
Die folgenden 18 Wehre waren eine 
Brettelrutscherei! Auch landschaftlich 
bot sich keine Besonderheit mehr. Das 
letzte Wehr in Steinbachbrücke, das 
Sperlwehr, war wieder sehr hoch. 
Unterhalb der Eisenbahnbrücke ging 
ich an Land, legte das Boot zum Trock¬ 
nen in die Sonne und badete mich im 
klaren, kalten Wasser. Eine Schar 
Kinder tummelte sich um mich. Als 
ich von einem Betonsockel aus in's 
Wasser sprang, da ward ich von allen 
bestaunt. Eifrig versuchten auch sie 
gewagte Sprünge aber der Sockel 
dürfte ihnen zu hoch gewesen sein. 
Und welcher Paddler kennt sie nicht, 
die Stimmung, wenn er sein Boot ein¬ 
packen muß zur Heimfahrt? Ja es war 
so weit. Alles schöne ist von kurzer 
Dauer! Keine finstere Gewitterfront 
machte mir den Abschied leicht. Bei 
strahlendem Sonnenschein näherte ich 
mich zaghaft der Bahnstation. Pünkt¬ 
lich kam der Zug! 
Ade, liebe Alm, im schönen Land und 
auf Wiedersehen! 
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ÖSTERREICHS PADDELSPORT 3-4/1960
	        
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