Volltext: Österreichs Kanusport 1979 (1979)

Aber so ein Gespräch ist schon ein Erlebnis. Drei, vier 
Worte Französisch sprechen die Leute ja, der Rest ist eine 
Mischung aus Zeichensprache, Pantomime und Raten. 
Die fragende Kopfbewegung flußaufwärts deute ich: „Wo 
kommt ihr denn her?“ ,,A’ in l'oued Oum er Rbia“, ant¬ 
worte ich möglichst guttural. Und das heißt: Von der Quelle 
des Flusses, der „Mutter des Frühlings". Dabei mache 
ich abwehrende Handbewegungen, pruste und schüttle 
den Kopf, was heißen soll: schweres Wasser dort oben. 
So erzähle ich vom großen Wasserfall, dem Brückenkata¬ 
rakt und dem Aufzugfelsen. Wir wären jetzt 14 km gefahren 
und hätten noch 16 km vor uns, erzählen die Leute. Und 
das Wasser wird immer leichter. Aber das kann auch nicht 
stimmen, denn insgesamt ist der Rbia von der Quelle nach 
El Borji ca. 50 km lang. Das haben wir auf der Karte aus¬ 
gemessen. Trotzdem hat die Nachricht etwas Beruhi¬ 
gendes. 
Ob wir Zucker für den Tee haben, werde ich gefragt. 
Am nächsten Morgen kommen zwei Jungen herüberge¬ 
schwommen. Sie bringen jedem von uns eine Orange mit 
und werden zum Frühstück eingeladen. Beim ersten 
Schluck Kaffee verziehen sie das Gesicht, aber dann stel¬ 
len wir ihnen die Zuckerdose hin, sie süßen den Kaffee 
nach und dann schmeckt er auch. Die beiden sprechen 
recht gut Französisch und so erfahren wir einiges über 
den Fluß. 
Der Rbia hat das ganze Jahr über den selben Wasser¬ 
stand, von Dezember bis März gibt es allerdings oft Hoch¬ 
wasser, dann ist das ganze Tal auf ungefähr 150 m über¬ 
schwemmt. Im Januar liegt manchmal Schnee am Fluß, 
aber der hält sich nicht lange. Die Berge sind aber den 
ganzen Winter über weiß. Auch vor Schlangen muß man 
im Sommer aufpassen, jetzt, im Herbst, gibt es kaum 
welche. 
Am rechten Ufer haben sich wieder die Dorfbewohner zu¬ 
sammengefunden. Die buntgekleideten Frauen waschen 
ihre Wäsche im Fluß, die Jungen sind in die Baumwipfel 
geklettert und beobachten von dort aus jede unserer Be¬ 
wegungen. Ein kleiner Kerl mit kahlrasiertem Kopf und 
breiten, wulstigen Lippen kommt nackend herüberge¬ 
schwommen. Seine Neugier ist wohl größer als seine 
Am zweiten Morgen muß Pit's Kajak mit Unmengen Tesaband geflickt werden. 
Scham, und, die Hände vor den Beinen gekreuzt, beob¬ 
achtet er Pit, der seinen Kajak „Schweinebacke“ repariert. 
Das Oberdeck hält kaum mehr mit dem Unterschiff zu¬ 
sammen, und Pit verbraucht eine Unmenge Tesaband, bis 
sein Schiff wieder fahrbereit ist. 
Auf einen Sprung paddeln wir noch ans andere Ufer und 
werden mit unverholener Neugier angestaunt. Kein Wun¬ 
der, denn in unserer Wildwasserkluft kommen wir den 
Orientalen wohl recht seltsam vor. Aber auch wir bestau¬ 
nen die Vielfalt der bunten Gewänder, die Tätowierungen 
an Stirn und Kinn und die hennagefärbten Handrücken 
und Fingernägel. 
Ein Negermädchen von sechzehn Jahren nimmt ihr Baby 
aus dem Tragetuch und gibt ihm die Brust. 
Der Oued wird nun wirklich leicht und von der Dorfbrücke 
an ist alles ohne Ansehen fahrbar. Die Strömung ist gut 
und wir kommen schnell vorwärts. An den sandigen Steil¬ 
hängen wachsen Kakteen und Agaven, über eine längere 
An der Einsatzstelle ist das ganze Dorf versammelt. 
Der Bürgermeister lädt uns zum Tee ein. 
An der engsten Stelle, 50 km von den Quellen entfernt, ist der Fluß gerade 
1 m breit. 
Österreichs Kanusport 9/10 1979 
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