Volltext: Die Fechtkunst im Wandel der Jahrhunderte

Separatabdruck aus dem „Liuzer Volksblatt" Nr. 38 u. SS vom 11. «. 13. März 1923 
<Dem „Ersten Linzer Fechtklub" anläßlich seiner historischen Fechtakademie am 18. März zugeeignet von Georg Lahner.) 
„Gewisser Freund, versuchtes Schwert 
Sind in Nöthen Goldes werth." 
Meyster Freidank. 
Seit den ältesten Zeiten, aus denen wir historische 
Ueberlieferungen besitzen, und noch weit hinein ins Dunkel 
der Urgeschichte sehen wir den Menschen im Besitze künstlich 
hergestellter Waffen, die ihm den Kampf ums Dasein er¬ 
leichterten. Es erscheint daher natürlich, daß er dieses ihm 
teuer gewordene Attribut des Mannes schätzen lernte. So 
finden wir bei den arischen Völkern von den Hellenen bis 
zu den Germanen das Schwert besonders verehrt, das in 
den Heldenliedern als ein individuelles Wesen mit Per¬ 
sonennamen auftritt wie der „Balmung" Siegfrieds, der 
„Eckesachs" Dietrichs von Bern, das Schwert „Miming" rc. 
Es ist entweder von: Himurel gefallen (Schwert des Hunnen¬ 
königs Attila sMeteoreisen?j)«der dem Ahn von einem Gott 
geschenkt. (Wotan stößt für Siegmund in Hundings Hütte 
das Schwert in den Stamm.) Das Schwert war die wich¬ 
tigste Waffe der alten Kulturvölker; das Schwert der römi¬ 
schen Legion eroberte den orbis terrarum. Im Mittelalter 
ist das Schwert geradezu das Abzeichen der Ritterbürtigkeit. 
Nun wäre es aber ein großer Irrtum, zu glauben, mit 
der Verehrung der Waffe habe ihre kunstvolle Führung 
gleichen Schritt gehalten. Die alten Heldenlieder berichten 
nur von der Wucht der zermalmenden Streiche, Geschicklich¬ 
keit oder gar Kunst beim Fechten erwähnen sie nie, die Be¬ 
wunderung gilt allein der physischen Kraft, nicht etwa der 
geistigen Ueberlegenheit. Der Wahlspruch des berühmten 
österreichischen Fechtmeisters Hartl: „Kunst besiegt die 
Kraft", wäre damals nicht verstanden worden. 
Eine Fechtkunst im modernen Sinne kannten — unbe¬ 
schadet ihrer außerordentlichen Schulung im Wafsen- 
gebrauche — weder die antiken Völker noch das deutsche 
Rittertum, denn alle trugen Rüstungen und außerdem 
Schilde, wodurch sie der Mühe überhoben wurden, die Kör¬ 
per mit der Waffe zu decken. Achill erspäht eine zufällige 
Blöße am Halse Hektars zwischen Helm und Brustpanzer, 
dort stößt er ihm das Schwert hinein. Wo immer ein un¬ 
durchdringlicher Panzer den Körper umschließt, kommt es 
nicht zum freien Spiel der Kräfte; nur der unbeengte.Leib 
entwickelt den höchsten Grad der Geschicklichkeit — ein Prin¬ 
zip, das die Natur selbst im Körperbau der Raubtiere glän¬ 
zend zum Ausdruck bringt. 
Wohl mußte zur Zeit der Minnesänger das Verständ¬ 
nis für die Ueberlegenheit aufgetaucht sein, die eine geschickte 
Fechtweise über den Naturalisten verleiht. Dafür sprechen 
folgende Verse des H a r t m a n n von der Aue im 
„Jwein": 
„Die Uebung lehrt auch feigem Mann, 
Daß er bei weitem besser kann 
Fechten als der kühnste Degen, 
Der diese Kunst nicht mochte pflegen: 
Hier war vereinet Kunst und Kraft." 
Aber auch dann mußte die Schwertkunst eine unter¬ 
geordnete Rolle spielen, und zwar aus zwei Gründen. Der 
erste ist der, daß die ganze ritterliche Ausbildung aufs 
„Tjostieren" ging, d. h. auf den Speerkampf zu Pferde, was 
so viel Uebung erforderte, daß für nichts anderes Zeit blieb! 
Im Parzivalliede bei Wolfram von Eschenbach und 
Chr i st i a n von T r o i e s erlernt der junge Parzival, der 
„reine Tor" auf Schloß „Grahorz" von Gurnemanz das 
Tjostieren: 
„Dem Gast er Unterweisung gab,• 
Das Roß nach Kunst in vollem Trab 
Mit wohlgeschärfter Sporen Gruß 
Und festgeklemmter Schenkel Schluß 
Hin auf des Gegners Rotz m schwenken. 
Den Schaft zur rechten Zeit zu senken, 
Deir Schild auch ge'n des Speer's Gewalten 
Mit kunstgewandter Hand zu halten." 
Damit ist Parzivals Ausbildung vollendet, über die 
Führung des Schwertes wird kein Wort verloren, denn niit 
ihm focht man zu Pferde nicht, sondern nur zu Fuß, wenn 
die Speere zersplittert waren oder die Ritter den Sattel 
verloren hatten. 
Dieser Kampf lief vorerst auf die Zerstörung des 
gegnerischen Schildes und Harnisches hinaus, denn so lange 
die Arbeit des Waffenschmiedes intakt war, blieb der Feind 
unverwundbar. Welch sauren Schweiß solche fechterische 
Vorbereitung kosten mochte, geht wiederum aus einer an¬ 
deren Stelle des schon erwähnten „Jwein" hervor: 
„Die Helme waren hie und da 
Gewaltig schon zerhauen, 
Die Harnische zu tauen 
Von dem Blut begannen. 
Denn aus vielen Wunden rannen 
Die Tropfen reich hernieder." 
Neben den Rittern gab es wohl schon im Mittelalter 
Fußvolk, das, ungerüstet wie es war, darauf bedacht sein 
mußte, sich mit der Waffe allein zu decken; außerdem wird 
von einigen Seiten behauptet, die „Gottesgerichtskämpfe" 
hätten eine unserer heutigen Auffassung entsprechende Fecht- 
kunst ins Leben gerufen, da die Kämpfer hiebei, wie aus 
dem „Sachsenspiegel", Buch 1. Art. 63 § 4 hervorgeht, sich 
keiner Rüstung bedienen durften und somit gleichfalls ge¬ 
nötigt waren, sich gegen die feindlichen Streiche mit der 
eigenen Waffe zu decken. Eine völlige Umwälzung konnte 
aber nur aus allgemeinen Bedingungen heraus, aus einer 
gänzlichen Umgestaltung des Weltgeschehens hervorgehen, 
und diese brachte das gewaltige 18. Jahrhundert, das alles 
umwertete, den Schwerpunkt vom Adel auf den Bürger, von 
der Ritterburg auf die Stadt, von der Natural- auf die 
Geldwirtschaft verlegte. Auch auf das Kriegswesen erstreckte 
sich sein Einfluß durch die Einführung der Feuerwaffen.
	        
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