Volltext: Das Exlibris

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Franz Flelschmann: Das Exlibris 
zu sammeln und sich mit ihrer Geschichte zu 
befassen begann, als in der dortigen Literatur 
davon berichtet wurde, da nahmen sich auch 
bei uns Kenner und Freunde graphischer Kunst 
des Exlibris an und begannen — es muß eine 
goldene Zeit für die ersten wenigen Sammler 
gewesen sein! — hievon Sammlungen an¬ 
zulegen. Damit sehte die Wiederbelebung der 
alten schönen Exlibrissitte ein. 
Da ist es denn bemerkenswert, daß diese 
Wiederbelebung gerade von München aus ein¬ 
gesetzt hat, indem aus dem Kreise des Alter¬ 
tumvereins heraus der erste literarische Vorstoß 
für das Exlibris erfolgte, indem die „Zeitschrift 
des M. Altertumvereins" von 1887 den ersten 
deutschen Exlibrisaufsah aus der Feder des 
damaligen Legationssekretärs H. Gottfried 
B ö h m brachte, wie auch der erste deutsche 
Exlibriskatalog von einem Münchener Antiquar, 
Ludwig Nosenthal, herausgegeben worden ist. 
Als dann im Fahre 1891 der Exlibrisverein 
zu Berlin gegründet wurde, dem aus ganz 
Deutschland und aus dem Ausland Mitglieder 
beitraten, sehte eine neue Blüteperiode des 
Exlibris ein. Auch im Ausland wurden Ex¬ 
librisvereine gegründet, und es begann allent¬ 
halben ein Eifer für die Herstellung und das 
Sammeln dieser kleinen Kunstblätter, der kein 
Beispiel weder vor- noch nachher hatte. -Die 
Zahl neuer Exlibris stieg rasch in die Tausende. 
Erleichtert wurde dies alles durch die neu¬ 
zeitliche graphische Technik, die im Klischee- 
d r u ck ein leichtes und billiges Mittel zur Her¬ 
stellung und Vervielfältigung von Bildern und 
Illustrationen und damit von Exlibris geboten 
hat. Die ungewöhnliche große Verbreitung der 
Exlibris und der alle Länder umfassende Ex¬ 
libristausch wären undenkbar ohne die neuzeit¬ 
lichen Klischeeverfahren und Drucktechniken. 
So bildet das Exlibris hinwiederum eine 
Illustration der graphischen Künste und Tech¬ 
niken vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 
Erst war es der Holzschnitt allein, dann Holz¬ 
schnitt und Kupferstich gleichzeitig, dann der 
Kupferstich allein, die dem Exlibris dienten; 
am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert kam 
dazu die 1796 zu München von Alois Senefelder 
erfundene Lithographie und, allerdings nur 
wenig verwendet, der Stahlstich. Kupferstich 
u.w Lithographie blieben dann das 19. Jahr¬ 
hundert hindurch die HerstellungsrWtel, bis 
im letzten Drittel dieses und zu Beginn des 
20. Jahrhunderts mit ihnen der neue, durch 
Gehmoser und Albert in München erfundene 
Lichtdruck ilnd weiterhin die Klischeetechniken 
Zinkographie und Autotypie, welch letztere 
ebenfalls wieder eine Münchener Erfindung ist, 
in Wettbewerb traten. 
Allerdings stellte sich mit den letzteren außer 
der Verbilligung auch ein merkliches Sinken der 
künstlerischen Qualität ein, das zwar nicht 
gerade in der Technik, sondern in der Menge 
des Dilettantenhaften begründet liegt, welches 
das gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Mode 
gewordene Exlibrissammeln mit sich brachte. 
Demgegenüber zeigt sich aber auch die erfreuliche 
Erscheinung, daß die edelsten graphischen 
Künste, der Kupferstich und die Radierung, 
wie der neuzeitliche Holzschnitt dem Exlibris 
die künstlerische Höhe erhalten haben, so daß 
die kunstfreudigen Bücher- und Exlibrisfreunde 
der Gegenwart mit gleicher Freude und gleichem 
Stolze auf die Blüten der neuen Exlibriskunst 
blicken können, wie einst die der Humanisten¬ 
zeit. Widmen doch wieder wie in jener Zeit die 
ersten Künstler ihr Können dem Bibliothek¬ 
zeichen und haben, teils aus eigenem Antrieb, 
teils auf Bestellung durch Kunstfreunde, Ex¬ 
libris geschaffen, die zu den wertvollsten Erzeug¬ 
nissen graphischer Kunst zählen und denen der 
alten Zeit nicht nachstehen. 
Zu dem großen Aufschwünge des Exlibris¬ 
wesens hat, neben dem Sammeln, neben Aus¬ 
stellungen und Wettbewerben, die Presse und 
die Literatur ihren erheblichen Teil beigetragen, 
unterstützt durch zahlreiche Vorträge, die über 
diesen Gegenstand gehalten worden sind. Es 
ist, wie schon anfangs erwähnt, eine stattliche 
Literatur über das Exlibris in Deutschland so¬ 
wohl wie im Ausland erschienen, worunter das 
Werk des 1906 leider allzufrüh verstorbenen 
Karl Emich zu Leiningen-Westerburg?) über die 
deutschen und österreichischen Bibliothekzeichen 
hier wohl zu nennen ist. War doch Graf Lei¬ 
ningen der bedeutendste und verdienstvollste 
Förderer des Exlibris, sein bester Kenner und 
sein fleißigster Sammler, dessen Sammlung als 
die größte des europäischen Kontinents nach 
seinem Tode in der Hauptsache in das Ger¬ 
manische Museum in Nürnberg gelangt ist. 
Trotz dieser ansehnlichen und beachtenswerten 
Literatur ist die eigentliche Geschichte des Ex¬ 
libris noch nicht erschienen. Ob sie überhaupt 
je geschrieben werden kann? 
Das Gute und Erstrebenswerte, das im Wesen 
des Exlibris liegt, die Möglichkeit einer sinnigen 
Kunstpflege auch durch Minderbemittelte und 
damit gleichzeitig die Förderung buchsreund- 
licher Bestrebungen, erheben das Exlibris und 
sein Sammeln — von unerfreulichen Aus¬ 
wüchsen befreit — weit hinaus über andere 
Sammelobjekte und Sammlerbetätigung. Nicht 
des Sammelns wegen ist das Exlibris entstanden 
und fand feine Pflege, sondern um derBücher 
willen, um diese für ihren Eigentümer zu be¬ 
zeichnen und sie zu schmücken. Hat das Ex¬ 
libris die langen und harten Zeiten des 
30jährigen Krieges überdauert, so wird es 
wohl auch den 5jährigen Weltkrieg und alle 
seine Folgen zu überstehen vermögen und 
weiterhin Zeugnis geben von geläuterter Sitte, 
von Freude an Wissen und Kunst! 
‘) Verlag von Julius Hoffmann» Stuttgart, 1901.
	        
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