Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

Äorpswede 
1905 — 06 
Briefe an die Familie 
Worpswede, 11. April 1905. 
^iebe Mutter, das Nachhausekommen war wunderschön. Für 
unser weißgestrichenes Verandadach mit den grünen Christel- 
bändern und für die üppigen neuen Stuhlkissen danke ich Dir 
vielmals. Der kleine Helle Raum machte mir vielen, vielen Spaß. 
Ich danke Dir überhaupt, daß Du in der Zeit, da ich in der Welt 
herumflog, meine Stelle so lieb vertreten hast. Du hast mir dadurch 
ermöglicht, den Inhalt meines Lebens zu erweitern. Ich sehe diese 
Pariser Reisen an als Ergänzung meines hiesigen etwas einseiti¬ 
gen Lebens und ich fühle, wie dieses Untertauchen in eine fremde 
Stadt mit ihren tausend Schwingungen nach zehn ruhigen Worps- 
weder Monaten mir ungefähr Lebensbedürfnis wird. 
Die Natur hat in diesen zwei Monaten geschlafen. Die Birken 
wollen noch nicht grün werden, im Grafe schimmern verstohlen die 
Anemonen und heute habe ich mir zwei Veilchen aus unserm 
Garten an die Brust gesteckt. Es ist merkwürdig, wie der Reiz des 
hiesigen Frühlings grade in seiner Spärlichkeit beruht. 
Heute habe ich alle meine Modellkinder aufgesucht, und, merk¬ 
würdigerweise war in allen den vier Häusern, in die ich hinein¬ 
guckte, ein neuer Hinnerk oder eine Metta angekommen. Ich blickte 
ordentlich neidisch auf all dies zappelnde neue Leben. 
Mein liebe Tante Marie, Worpswede, den 7. Juni 1905. 
ich habe Dir schon gleich schreiben wollen, als ich hörte, Du 
lägest im Bett. Nun habe ich es so lange verzögert, und ich muß 
sehr hoffen, daß Du schon wieder aufgestanden bist und diesen 
schönen Sommeranfang mit hellem Herzen wieder in Dich ein¬ 
gehen lassen kannst. Ich habe so ein starkes Gefühl, daß Gesundheit 
die Hauptsache ist, und bin so sehr froh und dankbar, daß wir bis 
jetzt damit gesegnet sind. 
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