Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

und oft, wenn ich oben auf dem Omnibus saß, hat mir das Herz 
gelacht über diese schöne Stadt. 
Am Donnerstag war ich bei Georges Petit zur Einweihung 
einer Ausstellung, zu der mir Madame Simon ein Billett gegeben 
hatte, deren Mann ich nicht zu Hause angetroffen hatte. Es war 
ein sehr pariserischer Eindruck, viel feine Damen, viel Schleppen 
und feine Herren. Die ausstellenden Künstler waren auch da, so sah 
ich Cottet. Zoloaga wurde mir gezeigt, sein Gesicht machte mir kei¬ 
nen besonderen Eindruck. Schließlich stieß ich auf eine Bremer Ecke: 
Heymel und Frau, Sparkuhle, Wiegand, die wollen hier, scheint es, 
Bilder kaufen. 
Neulich waren wir mit unseren schwarzen Bulgaren in einem 
Variete, was aber weder gut noch schlecht genug war, um uns zu 
interessieren. Wir haben uns aber doch zusammen sehr gut amü¬ 
siert. Wir saßen an einem kleinen Tisch, und um uns zu unter¬ 
halten, stellten wir uns gegenseitig vor. Obgleich wir uns schon 
mehrere Rendezvous gegeben hatten, kannten wir nicht unsere 
Namen. Da wir ja, was wir uns zu sagen haben, auf französisch 
radebrechen, genügte ja Monsieur und Madame. Bei der Vorstellerei 
nannte man nun erst seinen Vornamen, der in die verschiedensten 
Sprachen übersetzt wurde, um ihn zu erläutern. Dann kam der 
Familienname, den man sich gegenseitig aufschrieb und schließlich 
die Wohnung. Es war furchtbar komisch. Ungefähr, als wenn 
Kinder sich vorstellen. Unsere beiden Kavaliere sind nämlich sehr 
wenig von Europens Höflichkeit beleckt. Meiner, der sonst im gan¬ 
zen, was Wissen und Schönheit anbelangt, den Vorzug hat, der 
spuckt. Wir lassen aber alles großmütig geschehen, geben nur hier 
und da kleine Winke, zum Beispiel das, daß sie, wenn sie mit uns 
zusammenkommen, vorher keine Gerichte mit Knoblauch essen und 
dergleichen, was sie sich alles ganz gehorsamst sagen lassen. 
Paris, den 24. März 1905. 
Der Salon des independants ist eröffnet. Es gibt keine Jury. 
An den Wänden, die mit Sackleinen bekleidet sind, hängen alpha¬ 
betisch geordnet die Bilder in bunter Verwirrung. Man weiß nicht, 
wo die Schraube eigentlich los ist, aber daß sie irgendwo fehlt, 
empfindet man dunkel. 
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