Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

sous betrogen. Das macht ihm nun einen Heidenspaß. Herma und 
ich setzten uns bei einem Cafe vor die Tür, hatten einen ziemlich 
sichern Platz und konnten ungestört beobachten. Da kamen zwei 
Frauenzimmer mit Gitarren, die mit riesigem Tremolo sangen, die 
eine häßlich und verkommen, schimpfend und auch wieder gut¬ 
mütig, die andere, eine lange, schlanke Spanierin, deren Kragen 
ihr beim Spielen romantisch nachlässig über die Schultern hing. 
Abends waren Herma und ich in einem Vaudeville. Das war 
nicht so sehr unschuldig, obgleich viele Kinder unter den Zuschauern 
waren. Die werden hier eben von Anfang an mit Cayenne ge¬ 
füttert. In dem ersten Stückchen zog sich alles, was auf die Bühne 
kam, gleich aus, Männer in Unterhosen und Frauen in entzücken¬ 
den Dessous. Dann kam eine concier§e in Hemd und Nachtmütze 
auf die Bühne, das Hemd hatte ganz den Schnitt von Mutter 
ihren. Ich sage Dir, der Anblick wäre für Dich gewesen. Im zweiten 
Stück ging es mir ein bißchen zu bunt her. Es standen immer 
wundervoll gemalte Betten auf der Bühne, der Mann lag schon 
darin, die Frau hatte ungefähr nichts mehr an. Mir tat es doch 
eigentlich leid, daß Herma diese Seiten der Welt so früh kennen 
lernt. Na, sie ist nun schon einmal darin und muß sehen, wie sie 
damit fertig wird. 
Dein Worpsweder „Festtag" ist bei mir an die Wand gezweckt 
und ich freue mich an ihm. Er hängt neben drei Frauen von 
Cottet, mit dem es mir diesmal nicht so ganz glücken will. Als ich 
ihn zum ersten Male besuchen wollte, ging gerade ein junger 
schwarzer Mann zu ihm ins Haus, so daß ich lieber draußen blieb, 
und heute traf ich ihn zwanzig Schritt von seinem Hause, das er 
eben verlassen hatte. Er fixierte mich, dann grüßte er mich halb, 
so wie man einen Menschen grüßt, den man nicht recht unter¬ 
bringen kann und den man doch kennt. 
Diese Woche bin ich wieder bei Julien und male meinen Akt und 
habe Freude an dem Malen und Spaß an den Mädels. Da ist eine 
Polin, angezogen wie ein Mann, trägt eine Männermalschllrze 
und hat männliche Gebärden. Ziemlich viel kokette, schmuddelige 
Französinnen. Julien hat auf dem andern Ufer der Seine ein 
anderes Damenatelier, das doppelt soviel kostet, da fahren die 
Marquisen vor, die Vashkirtscheff war auch da. 
226
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.