Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

ersten Aufführung eine Schlacht in der Theaterwelt bedeutet hat. 
Warum? Das kann unsereins kaum noch empfinden. Uns schien 
das Stück auf Stelzen zu gehen und so schwülstig wie möglich. 
Zum Schlüsse erschien neben der Büste des Dichters ein weißer und 
ein schwarzer Genius. Diese deklamierten mit übertriebener Rhe¬ 
torik einige Verse, die das Publikum hinrissen. Dieses Sichberau- 
schen an der eigenen Rede, was hier die Leute habenI es ist merk¬ 
würdig. 
Ich war in Cottets Atelier. Das ist voll der schönsten interessan¬ 
testen Dinge, die ich Dir zeigen möchte. Ich glaube, es würde Dich 
äußerst anregen. Merkwürdig, diesmal wirken auf mich die alten 
Meister nicht so stark, sondern hauptsächlich die aller-allermodern- 
sten. 
Veuillard und Denis will ich aufsuchen, im Atelier hat man 
doch den Haupteindruck. Bonnard ist im Augenblick in Berlin, ich 
sah zwei Sachen von ihm, die mir nicht sehr gefielen. 
Mein lieber Mann, Paris, den 6. März 1905. 
. . . heute ist, glaube ich, hier der erste Frühlingsabend, was ich 
sehr wohlig empfinde. Meinen Fuchsmuff habe ich heute eigentlich 
nur spazieren getragen, während er in den vergangenen Tagen 
mich noch ordentlich wärmen mußte. Da machte ich es so wie die 
armen Schlucker im Louvre und Luxembourg, ich stellte mich über 
so ein Luftheizungsloch breitbeinig und ließ mir die Wärme schön 
unter die Röcke schlagen. 
Am Sonntag hatten wir schon einen lustigen Vorgeschmack vom 
murcki §rg8.Wir gingen auf die großen Boulevards, dort war das 
Konfettiwerfen schon ordentlich im Gange. Es macht furchtbar viel 
Spaß, den bunten Schnee durch die Luft rieseln zu sehen und die 
Leute sind so witzig dabei. Da entspann sich oft zwischen zweien eine 
ganze Schlacht, der eine bombardiert mit grün, der andere mit 
rot, und schließlich schüttelt ein langer Kerl einem kleinen Mädchen 
seine ganze Tüte über den Kopf aus. Wenn man das Konfetti 
untersucht, findet man winzig fein geschnittenes Zeitungspapier 
dabei, da hat irgendein findiger Familienpapa seine Herde vorher 
zum Schnipseln angestellt, auf diese Weise die Welt vielleicht um vier 
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