Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

in die Ausstellungen, für den prix de Rome, und das wird wohl 
in etwas besserer Qualität derselbe Dreck sein. 
Eine Leinewand aber habe ich hier gefunden, die, glaube ich, 
meine Leibleinewand wird. Meine Malerei sehen die andern sehr 
mißtrauisch an und in der Pause, wenn ich meine Staffelei ver¬ 
lassen habe, dann stehen sie mit Sechsen davor und debattieren 
darüber. 
Eine Russin fragte mich, ob ich es denn auch wirklich so sähe, wie 
ich das mache, und wer mir das beigebracht hätte. 
Da log ich und sagte stolz: „Mcm mari". 
Darauf ging ihr ein Licht auf und sie sagte erleuchtet: „Ach 10, 
Sie malen, wie Ihr Mann malt". 
Daß man so malt, wie man selber es sieht, das vermuten sie 
nicht. 
Gestern zur Feier Deines Geburtstages habe ich ein Stilleben 
gemalt: Apfelsinen und Zitronen, die sehr lockten. 
Und nun bin ich von ganzem Herzen Dein und denke an Deinen 
Rotbart in dieser großen Stadt und freue mich doch, daß ich ein 
bißchen fern von Dir bin, weil es dann um so schöner wird. 
Paris, den 28. Februar 1905. 
Mir geht es weiter gut. Am Freitag suchte ich die B.'s auf, das 
norwegische Schriftstellerpaar. Da fand ich eine feine, sympathische 
Frau, der man gleich menschlich nahe stand. Du weißt, wie sehr ich 
mich freue, wenn mir mal ein Mensch gefällt, da mir ja die meisten 
einerlei sind. 
Sie sieht anmutig, schön und weiblich aus und hat ein Wesen 
ohne Falsch. Im Frühjahr erwartet sie ihr drittes Kindchen und 
macht sich Sorgen darüber, weil es zuviel wird für ihren Mann 
und für sie selbst. So geht es. Bei einigen geht es zu schnell, bei 
anderen zu langsam. 
Der Mann kam erst bei meinem Fortgehen. Er machte einen 
derb-gesunden, stachelhaarigen Eindruck, fragte gleich, ob ich auch 
Vegetarianerin wäre, weil ihm das Fleischlose in Rilke wohl etwas 
auf die Nerven gefallen war. 
Sonntag abend wurde im Theötre Franyais zur Feier von 
Victor Hugos Geburtstag „Hernani" gegeben, was bei seiner 
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