Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

Mein lieber Mann, Paris, den 19. Februar 1905. 
nun schreibe ich Dir meinen Geburtstagsbrief und ich bin bei Dir 
mit allen meinen Wünschen für Kunst und Leben, und Leben und 
Kunst. Ich schicke Dir hier ein paar drollige Daumiers und ein 
kleines japanisches Bilderbuch. Lieber schickte ich Dir schon größere 
und schönere Sachen, aber damit warte ich noch ein paar Jahre, 
bis Du oder ich oder wir beide die nötigen Füchse zusammenge¬ 
bracht haben werden. Dann hoffe ich, daß Dir von Nürnberg die 
alte Ausgabe von 1001 Nacht zugegangen ist, die Dir.hoffentlich 
wohl gefällt, im andern Falle ließe sie sich wohl umtauschen. 
Wie Ihr wohl Deinen Geburtstag verlebt? Hoffentlich ist schönes 
Wetter. Wenn Mutter eine Bowle machen will, steht Ananas im 
Weinschrank. 
Ich sitze noch in meinem kleinen Käfig Rue Cassette und fühle 
mich deshalb noch nicht sehr gemütlich. Morgen ziehe ich um, 
65 Rue Madame, ins fünfte Stock, habe einen großen Himmel über 
mir und Paris unter mir, was beides angenehm und gut ist, hier 
sehe ich immer gegen eine Mauer, das kann mein Worpsweder 
Gemüt nicht erfreuen. Die Wohnung ist ganz nahe der jetzigen. 
Heute war ich mit Herma einen ganzen Tag über Land, da 
haben wir Mittag in einer Laube bei Sonnenschein gegessen und 
uns unseres Lebens gefreut. Die Landschaft mit ruinenhaften 
Resten früherer Herrlichkeit und mit den Blicken von den Höhen 
auf die nahe große Stadt macht auf mich immer einen begeistern¬ 
den Eindruck. Die Bauernhöfe und Heuschober erinnern sehr an 
Millet. Nach Hause gekommen machten wir uns schönen Tee und 
aßen Butterbrot und Konfitures, hatten einen Strauß Kätzchen 
vor uns stehen und die gelben Huflattich, die hier schon blühen. 
Ich habe mich auf einen Monat in der Akademie Julien ange¬ 
meldet, um Akt zu malen von acht bis elf. Die Museen werden 
immer erst um zehn geöffnet, da gehen mir die Morgenstunden 
nicht verloren und schaden kann es mir ja nicht. Meine frühere 
Akademie Cola Rofsi ist sehr auf den Hund gekommen bald nach¬ 
dem ich wegging. Julien hat außerdem den Vorzug, daß nicht so 
entsetzlich viel Engländerinnen da sind, die ich mißbillige mit ihrer 
alles beherrschenden lauten Sprache. 
222
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.