Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

Liebe Mutter, möge sich alles um Dich her dem Glücke und der 
Harmonie zuwenden, auf daß Deine Jahre und Tage und Nächte 
nicht geängstigt werden. Manchmal habe ich wohl das Gefühl, ich 
möchte Dir ein wenig mehr Freude machen, als ich es tue. Ich 
weiß aber nicht, wie ich es anfangen soll. Ich komme mir vor, als 
ob ich selber von mir bis jetzt am meisten habe; und Otto. 
Wir kommen nächste Woche einen schönen Abend zu Dir. In 
zärtlicher Liebe Deine Paula. 
Meine liebe Schwester, Worpswede, den 30. November 1903. 
bei uns hat jetzt der Winter Einzug gehalten. Es friert tüchtig 
und in ein paar Tagen kann man sicherlich Schlittschuh laufen. Ich 
sitze in meiner lieben Brünjesschen Klause. Es dämmert. Der Mond 
steht schon hell am Himmel und vor meinen Fenstern liegt unser 
geliebter Berg. Elsbeth und ich haben eben zusammen einen Brat¬ 
apfel verzehrt. Man fühlt es nun schon Weihnachten. 
Liebe, ich hätte Dich so sehr, sehr gern zum Fest in unserer 
Mitte. Ist es Dir so zumute, als ob Du bei uns sein möchtest? Du 
kannst ja gleich in Bremen durchfahren und hier ganz stille bei uns 
Deine Weihnachten halten. Wir wollen dann gar nicht von Ver¬ 
gangenem reden, uns leise freuen, daß wir beieinander sind, weißt 
Du, wenn Dir's nur sonst so ums Herz ist, der Geldpunkt darf Dich 
dann auch nicht hindern. Du könntest vielleicht auch vierter Klasse 
fahren, was unsereins ja nicht bedrückt. Entscheide Du. 
Wir sind jetzt wieder besonders dankbar in unserem lieben Lande. 
Vielleicht schrieb Mutter Dir, daß wir eine Reise nach Münster ge¬ 
macht haben, dort gäben wir uns beide so viel Mühe und es gelang 
so wenig. Die alten Leute hatten in jeglichem Ding solch eine zähe 
stille oder laute Opposition. Otto wird dann in ein paar Tagen wie 
ausgewischt. Ich nenne ihn dann nur mein „Pastörken", so etwas 
Ernstes, Blasses hat er dann. Diesen Herbst hatte er leider ein paar 
nervöse beängstigende Herzklopfen, die ihn, weil er ja überhaupt 
ängstlscher Art ist, besonders mitnehmen und ihn in seinem Ge¬ 
sundheitsgefühl unsicher machen. Nun geht es ihm aber wieder 
gut, er flattert mit seinem braunen Mantel wieder durch die 
Winde und steht in seinem Atelier und malt. Er hat sich an seinen 
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