Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

chern fern und vom Theater, sondern suche Dir einen Deinem 
Alter angemessenen Wirkungskreis. Setze es durch, daß Du auf ein 
Gymnasium kommst. Versuche nicht Stufen zu überspringen. Dem 
ist Deine Gesundheit nicht gewachsen. Das ist überhaupt gar nicht 
nötig im Leben. Einer, der einen weiten Weg vor sich hat, läuft 
nicht. Schaffe Dir nur ein stilles, schlichtes Milieu und denke an 
Sachen, die für Deine Jahre paffen. 
Ich küsse Euch beiden. 
Eure Paula. 
Tagebuchblätter 
Herbst 1902. 
^ch nahm heute ein warmes Bad. Da war mir so wohlig. 
Klein Elsbeth half mir. Sie tippte auf meine Brüste und fragte, 
was das sei. Ja Kind! Das sind Mysterien. 
Dann lief ich draußen durch den lauen Herbstwind mit halbem 
Mondscheinschimmer. Das Bad hatte mein Blut so schnell und 
tatendurstig gemacht und in meiner Kehle saß ein Ton, der ge¬ 
sungen sein wollte. Denn manchmal klingt meine Stimme. Das ist, 
wenn Seele und Sinne mir voll sind. 
Heute las ich, dpß in den ersten Stadien des Menschenembryo 
sein Herz im Kopf sitze und erst allmählich in die Brust rutsche. Mir 
ist es ein süßer Gedanke, daß sie so nebeneinander geboren sind, 
Herz und Verstand. Das bestätigt mein Gefühl. Ich kann sie bei 
mir meist nicht voneinander trennen. 
1. Oktober 1902. 
Ich glaube, man müßte beim Bildermalen gar nicht so an die 
Natur denken, wenigstens nicht bei der Konzeption des Bildes. Die 
Farbenskizze ganz so machen, wie man einst etwas in der Natur 
empfunden hat. Aber meine persönliche Empfindung ist die Haupt¬ 
sache. Wenn ich die erst festgelegt habe, klar in Form und Farbe, 
dann muß ich von der Natur das hineinbringen, wodurch mein 
Bild natürlich wirkt, daß ein Laie gar nicht anders glaubt, als ich 
habe mein Bild vor der Natur gemalt. ' 
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