Volltext: Ueber den Mangel an Aerzten auf dem Lande in Oberösterreich und über die Mittel einer Abhilfe dagegen, mit besonderer Rücksicht auf die Frage der Wiedererrichtung der chirurgischen Lehranstalten

welche seit Aufhebung der Chirurgenschulen verflossen ist, eine zn kurze sei, um jetzt schon Erfahrungen über die Rück¬ 
wirkung derselben sammeln zu können, nachdem mit der A. h. Entschließung vom 20. März 1871 für die Aufnahme 
neuer Schüler der. Beginn des Studienjahres 1871 als letzter Termin festgestellt wurde, die letzten an der gedachten 
Schule diplomirten Aerzte jedoch erst im Jahre 1875 in die Praxis, eintreten (Gesetz vom 17. Februar 1873, 
R.-G.-Bl. Nr. 25, § 2). 
In der Sitzung des Hauses der Abgeordneten des hohen Reichsrathes am 19. Oktober 1876 wurde eine 
Regierungsvorlage wegen Abänderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des Sanitätsgesetzes vom 30. April 1870 
eingebracht, welche die Permehrung der öffentlichen Sanitätsorgane durch Creirung von 2 Classen von Bezirksärzten 
und durch Schaffung eines Hilfspersonales, nämlich der Sanitätsassistenten, zum Gegenstände hatte. Der Berichterstatter 
Dr. Giskra, unter dessen Aegide das Sanitätsgesetz zu Stande gekommen war, spricht sich dahin aus, daß die 
Voraussetzungen, die mau bei Erlaß des Snnitätsgesetzes hatte, nicht zugetroffen sind, nachdem in den wenigsten 
Gemeinden der Sanitätsdienst geordnet wurde, die Vorschläge der Regierung von den einzelnen Landtagen theils 
abgelehnt, theils vertagt wurden und daher aus vielen Ländern an die öffentliche Verwaltung das Ansinnen gestellt 
wurde, die Zahl der Bezirksärzte zu vermehren. 
Wenn nun anch der Bericht sowohl, wie die daran geknüpfte Debatte, vorzugsweise die öffentliche Sanitäts¬ 
pflege zum Gegenstände hatte, so erscheint es doch bemerkenswerth, daß tut Laufe der Verhandlungen bereits von dem 
sich alltnählich fühlbar machenden Mangel an Aerzten auf dem Lande die Rede war. Minister von Lasser constatirt, 
daß ein Drang nach Vermehrung der vom Staate angestellten Aerzte sich geltend tnache, titbeiu die Voraussetzung, die 
man bei Aufhebung der niederen medizinisch-chirurgischen Studien im Auge hatte, daß nämlich ganz ausgebildete 
Mediziner die durch den Wegfall der Chirurgen entstehenden Lücken ausfüllen werden, bisher nur selten und viel 
seltener eintrete, als es zu wültschen wäre. Obwohl vottt Standpunkte des Sanitätsgesetzes die ärztliche Praxis nicht 
Sache und eigetttlicher Beruf des landesfürstlichen Bezirksarztes fein soll, so bleibe detn Bezirksarzte die Praxis als 
Nebenbeschäftigung, ohne Nachtheil seiner Dienstpflicht, immerhin gestattet, und könne ihut auch besonders dort nicht 
verwehrt werden, wo in der Umgegend kein Arzt besteht und man der leidenden Bevölkerung die ärztliche Hilfe und den 
ärztlichen Rath seitens des Bezirksarztes denn doch nicht entziehen könne. 
In der Reichsraths-Sitzung vom 14. Dezember 1876 beantragte- Abgeordneter v. Pflügt eilte Resolution 
des Inhalts: „Das hohe Haus wolle beschließeu, die Regierung wird aufgefordert, in Erwägung zu ziehen/durch welche 
Mittel und Wege dem Mangel an Aerzten auf dem flachen Lande, insbesondere in den Gebirgsgegenden, abgeholfen 
werden könne, und dem Abgeordnetenhausc in der nächsten Session eine auf die Organisation des Sanitätswesens oder 
auf die Creirung medizinischer Fakultäten bezügliche Vorlage ztt machen." 
Dieser Antrag gelangte erst in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 12. Mai 1879 zur Verhandlung, 
und zwar gleichzeitig mit einem denselben Gegenstand betreffenden Antrage des Abgeordneten Dr. Czerkawski. Ab¬ 
geordneter v. Pflügt sucht das Mißverhältnis nachzuweisen zwischen Abgang und Ersatz der Aerzte im Allgemeinen; 
er berechnet den jährlichen Bedarf an Aerzten für Cisleithanien mit 200, während von den Universitäten nur jährlich 
100 als Nachwuchs geliefert werden. Er bespricht das Mißverhältnis zwischen der Anzahl der Doktoren in den Städten 
und auf detn Lande, wohin die Doktoren nur ganz feiten oder gar nicht gehen; wenn die Chirurgen nach und nach 
aussterben, so werden ganze Distrikte ohne Arzt sein, Todtenbeschau und Sanitätspolizei wird ganz aufhören. Bei der 
Beschaffeitheit des Landes und der zerstreuten Lage der ntenschlichen Wohnungen in bett Gebirgsgegenden Oberösterreichs 
reiche die Bestellung öffentlicher Sanitätsorgane (Gemeinde- oder Bezirksärzte) nicht aus. 
Abgeordneter Süß betont, daß in dem Ausschußberichte der Mangel an Aerzten zugegeben wurde und in 
dem Antrage des Dr. Czerkawski, welcher bei der Abstinnttung die Majorität erhielt, und wodurch der Antrag von 
Pflügl, wie auch jener des Ausschusses entfiel, heißt es ausdrücklich: „die Regierung wird aufgefordert, in 
Erwägung zu ziehen, ob dem herrsch endet! Mangel an Aerzten tt ich t durch Schaffung höherer 
medizinischer Sp ez i alsch ttten zur Heranziehung non ärztlichem Personale, w entt auch zweiten 
Ranges, abgeholfen werden k ö n n t e. 
Ueber diese Resolution wurde von Seite der höhet! Regierung keine Verfügung getroffen. 
In der Sitzung des oberösterreichischen Landtages am 17. Oktober 1882 gelangte ans Anlaß einer Petition 
der Gemeinde St. Georgen am Walde im Bezirke Perg um Wiedereinführung der chirurgischen Lehranstalten, eventuell 
um Beistellung eines Medizinä-Doktors aus Landesmitteln, der Aerztemangel auf dem Lande neuerdings zur Sprache. Abg. 
v. Pflügl weist auf die vom Abgeordnetenhause des hohen Reichsrathes vor zwei Jahren beschlossene Resolution hin, 
und behauptet, daß der von ihm vorhergesagte Aerztemangel bereits eingetreten, die ärztliche Hilfe vertheuert, die Todten- 
beschau erschwert sei, und die Universitäten nicht int Stande seien, den Bedarf an Aerztett zn decken. Auch von Seite 
des Bischofes Rudigier als Vertreter des Clerus wurde der überhandnehmende Mangel an Aerzten in vielen Gegenden 
Oberösterreichs bestätigt. Unter deut Eindrucke der hierüber .gepflogenen Debatte wurde der v. Pflügl'sche 
Antrag auf Reactivirung der chirurgischett Lehranstalt in Salzburg per ma j or a a tt g e tt o tum ett. 
In der Landtagssitzung ant 27. September 1883 wurde ans Grund eines von der Gemeinde Krenglbach im 
Bezirke Wels eingebrachten Gesuches tun Unterstützung zur Erlangung eines Arztes, beziehungsweise Befürwortung bei 
der hohen Regierung um Wiedereinführung einer chirurgischen Lehranstalt vom Berichterstatter neuerdings die immer 
mehr herannahende Noth an Aerzten auf dem Lande betont, und vom Abgeordtteten v. Pflügl bestätigt, worauf der
	        
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