Volltext: 70 Jahre Kuranstalt Bad Hall

Leitung ist es möglich geworden, daß sie heute sich den 
besten Wasserheilanstalten der Gegenwart ebenbürtig an die 
Seite stellen kann. 
Der derzeitige Besitzer hat dafür Sorge getragen, daß 
die Kurmittel auch dem derzeitigen Stande der Wissenschaft 
voll und ganz entsprechen und vorhanden sind und zu jeder 
Ar§ moderner Therapie geeignet bleiben. Eine besondere 
Wohltat bilden die Bäder im Freien, die es auch gestatten, 
alle Hydro-therapeutischen Prozeduren an schönen, warmen 
Tagen im Freien vorzunehmen. 
Sehr viele Spaziergänge in die Umgebung des Ortes 
zeigen den: Kurgaste täglich neue Reize und Abwechslungen. 
OUltp Um SLUiq 
Müllacken. 
Wenn man aus der wilden Romantik des Pesenbach- 
tales, seinen pittoresken Felsenformen und rauschenden 
Schluchten und aus dem freundlich-frischen Grün seiner wal¬ 
digen Höhen hinaustritt in die Ebene, genießt man, bevor 
sich der Blick in die weiten Auen des Donaubeckens weitet, 
ein wunderliebliches Idyll. Bevor der Pesenbach die Ebene 
gewinnt, riegelt ein Kegel das Tal ab. Auf seiner Höhe trägt 
er die Ruinen der alten Burg Oberwallsee. An seinen Fuß 
schmiegt sich das Bad Müllacken. Aus der Wildnis der 
Pesenbach - Schluchten 
kommend, wandelt uran 
mit einem Male auf 
schön gepflegten Wegen 
mit Ruhebänken und 
schönen Anlagen, im 
Kurpark von Müllacken. 
Kirche und Kurhaus 
beherrschenden Ort, der 
auf eine lange Ver¬ 
gangenheit zurückblickt. 
Denn das Bad in 
Müllacken ist ein ur¬ 
altes Heilbad. Ueber 
seine Entstehung be¬ 
richtet die Sage: Im 
Jahre 1300, als Ritter 
Hans von Schaumburg 
in die Gefangenschaft 
der Sarazenen kam, 
rettete sich sein Knappe 
Bruno und zog, mit 
Wunden bedeckt und mit 
einem Aussatz behaftet, 
nach Oesterreich. Im Traume ward er von der heiligen Jung¬ 
frau auf die Quelle im Pesenbache, die aus einem Felsen em¬ 
porquillt, aufmerksam gemacht. Bruno folgtediesemTraumbilde, 
fand die Felsenquelle, badete und wurde geheilt. SeitdieserZeit 
wallfahrteten Kranke und Sieche zu Brunos Quelle. — Als 
Eberhard III. 1364 die Burg Oberwallsee erbaute, wird die 
Quelle urkundlich erwähnt. Späterhin war dann die Quelle 
ein gern gesuchtes Bad. 1772 erschien von einem Anonymus 
eine köstliche Schrift über Mühllaken: „Fontigraphia oder 
Brunnen-Beschreibung deß uralten Wild- und Heyl- 
bades zu Müllaken bei Obern Walsee unweit deß 
Marckts Aschau im Ertz-Hertzogthum Oesterreich ob 
der Ennß ligend", das in Linz bei Kaspar Leidenmayr 
gedruckt wurde. Diese Fontigraphia sollte den Badegästen zur 
Information dienen und ihnen richtigen Badegebrauch er¬ 
möglichen. Im ersten Kapitel „Von des Müllakker Wild- und 
Heylbaads Situ, Refier und Gelegenheiten" heißt es, daß das 
Unterkommen schon bisher sehr bequem war, daß es aber durch 
den gegenwärtigen Besitzer Herrn Peisser v. Werttenau auf 
Mihldorff und Müllakken, kais. Rat, noch weit „gelegentlicher 
zugerichtet" worden sei, daß sowohl der gemeine Mann als 
auch der Adel wohl „accomodieret" werden kann. „Es be¬ 
finden sich auch allda zwey gut- und sehr accomodirliche Würths- 
Häuser / allwo uran die Einkehr nehmen / Zimmer / Beth / 
und zugleich Speis und Tranck um einen gar billigen Preys 
haben kann." Wie der kaiserliche Apotheker de Bette schon 
1667 in einem Tractätl dargetan hatte, enthielt die Mül- 
lackener Quelle Vitriol, Schwefel, Stahl mit etwas wenigem 
„Nither-Saltz", „dahero es vast zu all sowohl in- als äußer¬ 
lichen Zuständen dienstlich zu seyn die vilfältige Experientz von 
undenkbaren Zeiten hero erwiesen hat". 
Wer das Bad benützen wollte, dem rät der Verfasser an, 
zuvor seinen Arzt zu fragen und dann seinen Leib zu prä¬ 
parieren. Ferner „muß 
nian sich auch bestens 
befleißen, ein gutes 
Gewissen und von allen 
Verdrüßlichkeiten ent- 
übrigtes Gemüth zu¬ 
wege zu bringen und 
Gott um seinen mild- 
reichen Segen anzu- 
ruffen, daß die bevor¬ 
stehende Baad-Cur zur 
Seel und des Leibes 
Wohlfahrt anschlagen 
möge". Ein frommer 
und hochgelehrter Abt 
hatte für diesen Zweck 
ein eigenes Gebet ver¬ 
faßt und dmcken lassen. 
Im VI. Kapitel: „Was 
täglich vor Eingang ins 
Bad observiert werden 
solle", gibt der Verfasser 
genaue Maßregeln, wie 
sich die Patienten auf 
das Bad vorbereiten sollen: Man mußte für regel¬ 
mäßigen Stuhlgang sorgen und außerdem die Brust vor 
dem Bade durch „Außreyspern" reinigen. Ferner sollte 
man bis zu sechs Schalen gesottenes Müllackener Bade¬ 
wasser trinken, „zur Dünnmachung der zähen Schleimig¬ 
keiten". Man konnte dies auch mit einem „Thee" ver¬ 
mischt trinken. Wem dies nicht anstand, der mochte vor 
dem Bade auch eine „kräfftige Hüner- oder Khümsuppen 
mit etwas Muscat-Blüte wegen der Magen-Wind und dessen 
Blödigkeit so warm als möglich außtrinken". Den Vorgang 
beim Baden selber beschreibt der Verfasser in Kapitel VII: 
„Die Baad-Wanne, darin man sitzet, solle nicht offen, sondern 
mit Brettern und Decken bedeckt seyn, außer.daß zu denen 
Füßen etwas Platz und Lufft gelassen werde, damit der Dampfs 
«Worten seinen Außgang habe und das Haubt nicht molestire." 
Ferner „solle man auch unter dem Baaden nicht schlaffen, 
sondern selbiges mit einem erlustigenden Gespräch vertreiben, 
man solle auch, weil man baadet, nichts essen außer es er- 
forderets die Blödigkeit des Magens". Wer aber Durst hatte, 
der sollte das warme Badwasser nach Genügen trinken. 
Der Schreiber gibt noch manch andere köstliche Ratschläge, 
welche damals zu dem Rüstzeug des Bäderbetriebes gehörten. 
Cr schreibt die Diät, die Spaziergänge Usw. vor. Bei Nacht 
203 
Müllacken.
	        
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